H – Holunderblüten

Es war einmal eine Frau, die hieß Holle und wohnte im Hollerbusch. Ihr germanischer Name war Hulda, eine Fruchtbarkeits- und Totengöttin. Wo sie vorbeikam, schneite es: Holunderblüten. Die Blüten standen für die lichten Seiten der Göttin, die Beeren für die dunklen. Im Zusammenprall mit dem Christentum wurde Hulda dämonisiert, ihr Totenreich zur Hölle. – Die Geschichte klingt heute noch gut, obwohl sie falsch ist. Sie stammt aus dem 19. Jahrhundert, als Philologen begannen, die germanische Götterwelt zu systematisieren. Im Überschwang erfanden sie Götter, die es vorher nicht gegeben hatte: Hulda zum Beispiel. Frau Holle, die Märchenfigur, wohnt auch nicht in dem Busch, ihr Wortstamm ist der gleiche wie in »verhüllen«, während Holunder in einem griechischen Wort wurzelt: kelainos, schwarz.
Holunderblüten können Sie nicht kaufen. Aber ein Busch genügt, um duftende Dolden für ein ganzes Jahr zu pflücken. Wählen Sie trockene Blüten, die gerade aufgeblüht sind. Regen spült die Duftstoffe fort, kurzes Waschen schadet kaum, dabei entfernen Sie vor allem den aromaarmen Pollen und die eine oder andere Blattlaus. Zu Hause müssen Sie entscheiden: Ziehen Sie die Blüten durch Pfannkuchenteig und backen Sie sie in Butter knusprig. Oder Sie kochen 8 bis 10 Dolden mit 1 kg Erdbeeren, 4 EL Zitronensaft und 1 kg Gelierzucker ein. Dabei die Dolden mit einer Gabel aus der fertigen Konfitüre fischen. Sie könnten die Blüten auch trocknen und als hustenlösenden, fiebersenkenden Tee aufbewahren. Aber noch bevor ich Kücherl backe, Konfitüre rühre oder Tee trockne, koche ich immer einen Sirup: 12 Dolden in eine Schüssel legen, mit Scheiben von 3 Biozitronen bedecken, leicht drücken, mit 600 ml Weißwein begießen. 2 bis 3 Tage kühl ziehen lassen. Den Wein durch ein Sieb gießen, mit 600 g Zucker 2 Minuten kochen, in Bügelflaschen füllen, verschließen. Für Kinder den Wein durch 500 ml Wasser und 100 ml Zitronensaft ersetzen.
Süße Verwendungen liegen nahe: Mein neuer Sommerdrink besteht aus 2 cl Aperol, 2 cl Hollersirup, 4 Eiswürfeln und einem Schluck Weißwein. Jedes Rhabarberkompott, alle Fruchtsaucen und die meisten Quarkcremes bekommen einen Spritzer Sirup. Verfeinern Sie aber auch Salatsaucen mit dem edlen Saft: Für 1 kg gekochten Spargel 3 EL Sirup mit 1 TL scharfem Senf, 2 EL Essig und einer Hand voll Kerbel in den Mixer geben, kräftig würzen und mit 100 ml Olivenöl pürieren. Und wenn Sie ein Rehragout zubereiten, ersetzen Sie das Johannisbeergelee für die Sauce einfach durch unseren Sirup.

RISOTTO MIT HOLUNDERZWIEBELN
250 g sehr kleine Zwiebeln schälen und halbieren, mit 2 EL Butter 5 Minuten braten. Mit 2 EL Balsamessig löschen. Salzen, pfeffern und zugedeckt mit 100 ml Brühe bei milder Hitze 15 Minuten garen. Am Ende, wenn die Brühe verdunstet ist, mit 3 EL Holunderblütensirup glasieren. 300 g Reis mit 1 EL Butter 2 Minuten rösten. Mit 4 EL Vermouth löschen, einkochen. 1 l Brühe aufkochen, warm halten. Nach und nach zum Reis geben, immer wieder umrühren. Nach 20 Minuten das Risotto vom Herd nehmen, 50 g geriebenen Ziegenkäse und 1 Bund gehackte Petersilie unterrühren. Mit den Zwiebeln sofort servieren. Foto: Reinhard Hunger; Styling: Christoph Himmel