Diese Maschine ist die beste und schnellste der Welt, was individualisierten Massendruck betrifft.
Schön ist sie nicht. Aber schlau. Und vor allem: Sie macht Menschen froh, zumindest ein bisschen. Nicht nur einige, sondern sehr viele, zwanzig Millionen, jeder vierte Deutsche wurde von ihr schon beglückt.
Die Maschine steht in der Oberpfalz, in Schwandorf. Nur in Schwandorf, nirgendwo sonst, nicht mal in China. Auf der ganzen Welt gibt es sie nur ein einziges Mal. Als der gelernte Siebdrucker Michael Lankes sie zum ersten Mal sah, war er sofort verliebt. »Ich arbeite seit 23 Jahren in dieser Branche«, sagt er, »habe schon viel erlebt, aber eine Maschine wie diese hab ich noch nie gesehen. Was sie kann, mit welcher Qualität und Schnelligkeit sie arbeitet, das ist fast unglaublich.«
Die Geschichte der unglaublichen Maschine begann vor vier Jahren in einer Lounge der Allianz Arena in München, und sie begann mit den Worten: »Wir müssen vierfarbig personalisieren.« Ob dieser Satz vom Teamleiter seines Kunden kam oder ob es doch die Marketingleiterin war, daran kann sich Markus Schmid vom internationalen Kommunikationsdienstleister MeillerGHP heute nicht mehr so genau erinnern. Er weiß nur noch, dass er elektrisiert war. Vierfarbig drucken, das konnte jeder. Aber in einer Millionenauflage vierfarbig zu personalisieren, das kam einer Revolution gleich.
Personalisieren bedeutet: Die Maschine kann auf jede Aussendung andere Firmenlogos drucken. Welche das sind, hängt vom Einkaufsverhalten des Einzelnen ab. Und davon, welche Payback-Partner es in seiner Nähe gibt. Letztlich lief es auf das hinaus, wofür Schmids Auftraggeber, das Unternehmen Payback, bis heute berühmt und berüchtigt ist – auf individualisierten Massendruck.
In Schwarz-Weiß wäre alles kein Problem gewesen. Aber Payback wollte es unbedingt bunt. »Auf so einen Kunden gehen alle wie die Geier los«, sagt Markus Schmid, »und mir war damals klar: Wenn wir es nicht machen, finden die jemand anderen.« Also erklärte Schmid den Payback-Leuten, er habe da eine Idee.
Erfunden hat die Maschine dann, in Schmids Auftrag, der Diplom-Ingenieur Wolfgang Eschweiler, 64, aus Nideggen in der Eifel, gemeinsam mit seinem Sohn Sascha, 33. Der Senior kennt Bill Gates und kannte Steve Jobs persönlich und war in den Achtzigerjahren der erste Apple-Händler in Deutschland. Von dem Geld, das er damals verdient hat, kann er sich noch heute einen eigenen Helikopter leisten. Aber weil er kein Verkäufer ist, sondern ein Tüftler, stieg er irgendwann aus und baute lieber Geräte mit Alleinstellungsmerkmalen im Bereich Druck- und Messtechnik, die er dann patentieren ließ.
Für die Maschine in Schwandorf, die zugleich der größte Druckturm in Europa ist, brauchten Wolfgang und Sascha Eschweiler sieben Monate. Im Mai 2009 gab es ein großes Fest: Schwandorfs Oberbürgermeister und 200 andere geladene Gäste strömten in die Industriehalle, in der Partytische standen und weiße Stoffbahnen von der Decke hingen. Es gab Häppchen, eine Rockband spielte, und Wolfgang Eschweiler referierte über die Besonderheiten von PTU-X1-12H-6D-1000-S. Der Name sagt fast alles: 12H steht für »12 Heads«, also für die zwölf Druckköpfe, die das Papier auf der Vorderseite personalisieren, 1000-S für die Geschwindigkeit, mit der das Papier transportiert wird, »1000 feet per minute« – das entspricht 305 Metern pro Minute und ist extrem schnell. Und weil die Maschine so schnell ist, mussten Eschweiler und sein Sohn besonders auf die Präzision der Bahnführung achten und einen Infrarot-Trockner entwickeln, der die Druckertinte schnell trocknet und dabei möglichst wenig Energie verbraucht. Ganz entscheidend aber kommt es auf die Druckköpfe an: Zwanzig sind es insgesamt, acht für zwei verschiedene Farbspuren auf der Rückseite, zwölf für die Vorderseite, davon wiederum acht für den Colordruck und vier für Sonderfarben. Jeder Kopf hat 7000 Düsen, und jede Düse trägt ihren Teil dazu bei, dass am Ende das Logo auf dem Kundencoupon von Aral nicht nur blau ist, sondern aralblau.
Kunden legen beim Einkauf ihre Payback-Karte vor. Auf Grundlage des Kaufverhaltens ermitteln die Payback-Partnerfirmen, welcher Kunde welchen Coupon erhalten soll.
Aber das ist längst nicht alles: Theoretisch könnte ein Kunde bei Payback anrufen und sich über das Aral-Logo beschweren, weil es aussieht wie das Meerwasser im Golf von Mexiko, bevor dort eine Ölplattform des Aral-Mutterkonzerns explodierte. Dann könnte Payback dafür sorgen, dass der Kunde schon bei der nächsten Aussendung kein Aral-Logo auf seinen Coupons mehr vorfindet, sondern vielleicht das eines Fitnessstudios in seiner Nähe. Die Kunden können ihre Coupons mit zum Einkaufen nehmen und sich die aufgedruckten Extrapunkte auf ihr Payback-Konto gutschreiben lassen. Irgendwann tauschen sie die Punkte gegen eine Prämie ein, gegen eine Salatschleuder oder einen Wasserkocher.
Obwohl PTU-X1-12H-6D-1000-S Spektakuläres leistet, sieht die Maschine ziemlich langweilig aus: viel Stahl, Kabel und vier dicke schwarze Plastikschläuche, die sich in drei Meter Höhe aus dem Druckturm winden. Erstaunlicher als der Turm und das 46 Meter lange Papierband dahinter sind die Menschen: Es gibt kaum welche. Fürs Personalisieren von einer Million Payback-Couponbögen pro Tag braucht man: einen Gabelstaplerfahrer, einen Operator, einen Maschinenführer, einen Helfer. Der Mann im Gabelstapler karrt tonnenschwere Papierrollen heran und hängt sie vorne bei laufender Maschine in einen Abroller ein. Der Vierfarboperator ist ein Mann mit Glatze, der neben dem Druckturm hin- und hergeht und irgendwie aussieht, als hätte er nichts zu tun. Aber der Eindruck täuscht, denn er überwacht den Turm, nachdem er die Dateien geladen hat, mit denen personalisiert wird. Die Papierbögen laufen hinter dem Turm durch eine Art Becken, wo sie mit Leim oder Acryllack befeuchtet werden, anschließend durch einen Hochofen und ein Kühlaggregat. Zum Schluss trennt ein Rotationsschneider die Bögen voneinander. All diese Geräte überwacht der Maschinenführer. Am Ende des Laufbands steht der vierte Mann, ein Helfer, der alles in gelbe Postkisten packt.
Draußen vor der Werkshalle warten Lastwagen, die die Briefe mit den individuellen Payback-Punkteständen und die Coupons mit bunten Logos und vielen Extrapunkten nach Tschechien fahren, wo andere Maschinen stehen, die nicht ganz so einmalig sind wie PTU-X1-12H-6D-1000-S. Sie drucken Prämienkataloge und Extrapunkte für alle. Zum Schluss packen sie zehn, zwölf oder mehr Faltblätter in Briefumschläge und kleben sie zu. Von Tschechien aus beginnt dann die Reise zu den Payback-Kunden in Deutschland.
»Wer einen Vorsprung hat, muss kucken, was der nächste Step ist«, sagt Stephan Krauss, seit einem Jahr CEO von MeillerGHP, und dieser Satz bedeutet nichts Gutes für PTU-X1-12H-6D-1000-S. Er besagt, dass bald ein anderer Druckturm in Schwandorf stehen könnte, noch schneller, noch effizienter, noch kostengünstiger. Wolfgang Eschweiler wird diesen Turm allerdings nicht bauen. Er sieht ein Problem: die Tintenbehälter. »Die jetzige Maschine arbeitet mit Behältern, die bis zu 50 Liter fassen. Die Druckköpfe der neu geplanten Maschine kommen von einem Hersteller, der Behälter mit gerade mal einem Dreiviertelliter Tinte liefern kann.« Solange das so ist, macht sich Eschweiler um die Zukunft von PTU-X1-12H-6D-1000-S keine Sorgen.