Genie wider Willen

Der Amerikaner Jason Padgett wurde vor einer Kneipe niedergeschlagen - und wachte als hochbegabter Mathematiker wieder auf. Traum oder Alptraum? Ein Gespräch über die Ursachen und Folgen einer unheimlichen Persönlichkeitsveränderung.

Jason Padgett, 44, lebt mit seiner russischstämmigen Frau Elena in einem Einfamilienhaus in Tacoma, Washington. Padgett zählt die Tage bis zur Ankunft von Jacqueline, ihrem ersten gemeinsamen Kind. Das rosafarbene Kinderzimmer ist bereit. An den Wänden der Wohnung hängen hochkomplexe geometrische Zeichnungen, die Jason in den vergangenen Jahren in Handarbeit erstellt hat.

Padgett ist ein Savant mit einer Inselbegabung für Mathematik und Geometrie. In den USA erschien kürzlich das Buch Struck by Genius, das er zusammen mit der US-Autorin Maureen Seaberg geschrieben hat. Das Besondere an Padgetts Geschichte ist, dass er nicht als Savant geboren wurde. Er ist einer von vielleicht nur 30 Inselbegabten weltweit, die ihr Spezialtalent plötzlich erworben haben. So wie auch Derek Amato aus Denver, der nie Klavier gespielt hatte und nach einem Swimmingpool-Unfall plötzlich zum Virtuosen wurde, oder Orlando Serrell, der als Zehnjähriger von einem Baseball am Kopf getroffen wurde und seither mühelos kalendarische Berechnungen beherrscht. Bei Jason Padgett geschah es durch einen brutalen Überfall am Freitag, dem 13. September 2002.

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SZ-Magazin: Wie beginnt ein typischer Tag für Sie?
Jason Padgett: Als Erstes gehe ich ins Bad und drehe den Wasserhahn auf. Das Wasser zu beobachten ist einfach magisch. Die Struktur des Wassers vibriert in spezifischen geometrischen Formen und Frequenzen. Wie Kristalle. Ich beobachte den Tanz der Tropfen ganz genau und versuche ihn mir einzuprägen, damit ich ihn vielleicht später zeichnen kann. Dann halte ich die Zahnbürste 16 Mal unter den Strahl, es müssen genau 16 Mal sein.

Warum?
Sechzehn ergibt ein perfektes Quadrat, und der Mund ist dieses dreidimensionale runde Objekt, das passt einfach. Vielleicht liegt es auch nur an meiner Zwangsstörung, die ich seit dem Überfall habe …

Die meisten Menschen sind von einem Wasserstrahl nicht besonders fasziniert.
Ich wünschte, Sie könnten sehen, was ich sehe! Stellen Sie sich vor, Sie sehen einen Film, drücken immer wieder die Pausetaste und sehen dann jedes Phasenbild einzeln. Gleichzeitig ziehen die einzelnen Bilder einen Lichtschweif hinter sich her. Ich lege ein Raster über alles. So sehe ich die Welt, aber in Echtzeit, und ich kann etwa vier bis fünf Phasenbilder gleichzeitig halten. Alles sieht etwas verpixelt aus.

In Ihrer Wohnung hängen Zeichnungen von Fraktalen, also geometrischen Mustern, die sich wiederholen. Nehmen Sie die Welt in etwa so wahr, wie Sie es in Ihren Zeichnungen ausdrücken?
So ungefähr, aber viel feiner. Die Stiftgröße ist zu fett, um die Feinheiten meiner Wahrnehmung zu Papier zu bringen.

Können Sie beschreiben, was Sie zum Beispiel sehen, wenn Sie durch Ihren Lieblingspark spazieren?
Ich kann mich kaum mehr daran erinnern, wie es war, als ich die Welt wie die meisten Menschen wahrgenommen habe. Bäume sind absolut faszinierend. Ich nehme die geometrischen Muster wahr, die Dreiecke der Blätter – sie erinnern mich an den Satz des Pythagoras. Sie sind ganz offensichtlich Fraktale. Ich lege im Geist ein Raster zwischen sie. Vor allem wenn die Sonne scheint, ergibt das eine großartige Schau. Ich sehe, wie die Zweige das Licht reflektieren, lauter kleine Dreiecke. Geometrie ist wichtiger, als den meisten Menschen klar ist. Galileo Galilei hat gesagt: Wir können das Universum nicht verstehen, solange wir seine Sprache nicht gelernt haben. Mathematik und Geometrie sind die Grundlagen dafür.

Glauben Sie, dass alle Menschen ihre Umwelt so wahrnehmen könnten?
Absolut, hundertprozentig! Meine Ärzte haben mir gesagt, dass mein Gehirn durch den Überfall nichts dazugelernt hat, was es nicht schon vorher konnte. Vielmehr wurden angeborene Fähigkeiten aktiviert. Der Psychiater Darold Treffert, der als Koryphäe für Savants gilt, nennt das die »vorinstallierte Software« oder »genetische Erinnerung«. Uns allen sind diese Fähigkeiten so angeboren, wie etwa Zugvögel automatisch in Formation fliegen. Warum unser Gehirn diese Fähigkeiten normalerweise unterdrückt, ist ein Rätsel.

Sie sprechen von Jason 1.0 vor dem Überfall und Jason 2.0 danach. Wie würden Sie Jason 1.0 beschreiben?
Ich war ein Adrenalin-Junkie. Ich liebte Fallschirmspringen, Bungee-Jumping, Autorasereien mit meinem aufgemotzten 67er-Camaro. Wenn ich mir die Fotos von früher anschaue, muss ich schmunzeln: Ich trug diesen gestylten Vokuhila, war von der Sonnenbank gebräunt und legte Wert darauf, meine Muskeln herzuzeigen. Ich war an sieben Nächten in der Woche unterwegs. Morgens schleppte ich mich zu Planet Futon, dem Matratzengeschäft meines Vaters, ab Mittag war der Kater einigermaßen erträglich, und abends war ich wieder fit für die Piste.

Haben Sie sich für Mathe interessiert?
Nee. Ich war berühmt-berüchtigt dafür, dass ich nie ein Buch geöffnet habe. Mein bester Freund Larry hat die meisten meiner Hausaufgaben gemacht. Ich habe buchstäblich gesagt: »Wer braucht denn das Zeug?« Ich habe dann auch das Studium abgebrochen. Es ging nur um die Fragen: In welche Bar gehen wir, was trinken wir, und welche Mädels reißen wir auf?

Wann hat sich das geändert?
Im September 2002 rief mich meine Bekannte Angela aus einer Karaoke-Bar an und fragte, ob ich sie abholen könnte, weil sie und ihr Date zu viel getrunken hatten. Es war Freitag, der 13., aber ich bin nicht abergläubisch. Ich fuhr hin, trank eine Cola, und als wir die Bar verließen, folgten uns zwei andere Gäste. Ich spürte plötzlich einen harten Schlag, aus heiterem Himmel. Angela erzählte mir später, dass der Typ sich mit voller Wucht auf mich gestürzt hat. Ich erinnere mich nur noch an diesen tiefen, dumpfen Aufprall, es klang tiefer als der tiefste Ton auf einem Klavier. Ein weißes Licht blitzte in meinem Hirn auf, wie ein Kamerablitz. Ich muss kurz ohnmächtig geworden sein. Als ich wieder zu mir kam, wurde ich von allen Seiten attackiert, mit harten Schlägen und Tritten. Ich dachte, die bringen mich um. Ich habe das Bein eines Angreifers gepackt und mit aller Kraft zugebissen, so fest, dass ich meine Vorderzähne abgesplittert habe. Angela und ihr Begleiter standen tatenlos da, wie erstarrt. Ich schrie: »Helft mir, verdammt noch mal!« Angela ist schließlich in die Bar gerannt, um Hilfe zu holen. Die ganze Zeit haben die Angreifer kein Wort gesagt, bis einer rief: »Gib mir die verdammte Jacke!« Dann habe ich mir meine Lederjacke heruntergerissen, und sie sind abgehauen.

Aber auch anschließend hat Ihnen keiner geholfen, stimmt das?
Ja, ich bin zurück in die Bar getorkelt, blutüberströmt, und bat um Hilfe, aber die Kellnerin hat sich geweigert, die Polizei zu rufen. Später stellte sich heraus, sie war mit einem der Diebe befreundet. Ich rief: »Ihre Gläser stehen doch noch da, wir haben ihre Fingerabdrücke, und sie haben ihre Namen auf die Karaoke-Liste geschrieben!« Aber die Frau sagte nur: »Raus hier.« Ich habe einige Tage später mit Freunden vor der Bar protestiert, bis der Besitzer die Namen und Adressen der Angreifer rausgerückt hat.

Hat Ihnen die Polizei dann geholfen?
Nein. Ich bin zu der Adresse gefahren, da stand ein Umzugswagen vor der Tür, die Angreifer waren dabei, ihre Sachen zu packen. Ich rief die Polizeistation an, die nur acht Blöcke entfernt liegt, es war ein Samstag, und der Polizist sagte: »Wir können erst am Mittwoch jemanden schicken.« Bis dahin wären die weg gewesen. Bei der Polizei herrschte zu dieser Zeit Chaos. Der Polizeichef hat einige Monate später seine Frau und sich selbst vor den Augen seiner Kinder erschossen. Ich musste die Sache selbst in die Hand nehmen, habe einen der Angreifer an der Haustür konfrontiert und eine so laute Szene hingelegt, bis die Nachbarn die Polizei riefen. Die sind dann endlich gekommen und haben die Typen verhaftet.

»Meine Wahrnehmung hatte sich seit dem Überfall grundsätzlich geändert.«

Es ist bekannt, dass ein Trauma sich oft verschlimmert, wenn Verbrechensopfer keine Unterstützung bekommen.
In derselben Nacht ist auch noch mein Stiefvater seinem Krebs erlegen, er war meine engste Bezugsperson. Und einige Wochen später ist mein Bruder John spurlos verschwunden. Ich wusste sofort, dass er tot war, obwohl sein Skelett erst Jahre später gefunden wurde. Es gibt Hinweise darauf, dass er sich selbst das Leben genommen haben könnte, aber genau werden wir es nie wissen.

Wie haben Sie das alles verkraftet?
Ich fiel in ein tiefes Loch. Ausgerechnet ich, der vorher so gesellig war, konnte plötzlich keine Menschen mehr sehen. Ich habe ständig über meine Schulter geguckt, ob mich einer von hinten überfällt. Ich habe Phobien entwickelt. Ich konnte es nicht mehr ertragen, wenn mich jemand anfasst, ich habe mir hundert Mal am Tag die Hände gewaschen.

Und das als Matratzenverkäufer, der dauernd mit Fremden zu tun hat …
Ja, es ist unglaublich, wie oft einen Leute anfassen wollen. Ich habe den Job schließlich geschmissen und mich komplett in meiner Wohnung verbarrikadiert. Ich habe die Fenster mit Decken vernagelt, so dass kein einziger Lichtstrahl hereinkam, und mich voll auf diese neue, innere Welt konzentriert. Bestimmt hundert Mal am Tag habe ich nachgesehen, ob die Tür wirklich abgeschlossen war. Ich habe von meinem Ersparten gelebt und das Haus nur alle paar Wochen nachts verlassen, wenn die Essensvorräte zur Neige gingen. Die meiste Zeit habe ich damit verbracht, die Kreiszahl Pi zu zeichnen und im Internet traumatische Gehirnverletzungen zu recherchieren. Ich wollte verstehen, was mit mir los war, hatte aber nicht das Geld für ausführliche Tests – im Krankenhaus hatten sie einfach eine schwere Gehirnerschütterung diagnostiziert. Aber wie schwerwiegend mein Gehirntrauma war, darauf hat mich niemand vorbereitet. Ich hatte zuerst keine Ahnung, dass ich den alten Jason da vor dieser Bar auf dem Gehsteig zurückgelassen habe. Meine Wahrnehmung hatte sich seit dem Überfall grundsätzlich geändert.

Inwiefern?
Ich sah überall geometrische Formen. Zuerst dachte ich nach dem Überfall, das läge an den Schmerzmitteln, aber es blieb so. Mir wurde schließlich klar, dass meine Hirnverletzung ein seltenes Geschenk ist: Ich entdeckte dadurch die mathematische Wunderwelt des Universums.

Wann wurde Ihnen klar, was mit Ihnen los ist?

Zuerst dachte ich, dass ich verrückt werde. Mein Bruder war bipolar, und ich hatte Angst, dass ich vielleicht den gleichen Weg gehe. Dann habe ich im Fernsehen eine Dokumentation über den autistischen Savant Daniel Tammet gesehen. Er ähnelt mir sogar äußerlich ein wenig und auch er nimmt die Welt in geometrischen Formen wahr. Da wusste ich plötzlich: Ich bin nicht verrückt.

Und dann haben Sie sich wieder aus dem Haus getraut?
Ja, und ich habe die Tage damit verbracht zu zeichnen. Aus Angst, dass jemand meine Zeichnungen der Kreiszahl Pi und der Fraktale stiehlt, trug ich sie immer bei mir. Als ich mir in einem Imbiss ein Sandwich kaufte, erhaschte ein Physiker einen Blick auf meine Zeichnungen, und ich begann mit ihm über die Zahl Pi zu diskutieren. Er sagte: »Sie verstehen einige sehr komplizierte Zusammenhänge, aber Sie haben nicht das Vokabular, sie auszudrücken. Sie sollten an die Uni gehen.« Am nächsten Morgen habe ich mich eingeschrieben.

Und die haben sie sofort genommen?

Ich hatte den Einschreibungstermin um eine Woche verpasst. Aber ich nahm meine Zeichnungen mit, und eine Mathe-Professorin wurde so neugierig, dass mich die Universität mit einer Sondergenehmigung aufnahm. Für einige meiner Mitstudenten war es vielleicht merkwürdig, dass da dieser blasse Schlaks reinkam, der alles, was er anfassen wollte, immer zuerst mit antibakteriellen Feuchttüchern abwischte. Ich war ja auch zehn Jahre älter als die meisten, aber einige Lehrer haben sich meiner angenommen. Ich saß immer in der ersten Reihe und habe die meisten Fragen gestellt. Nach und nach habe ich mir Respekt erworben.

Haben Sie das Studium abgeschlossen?
Nein, mir ging das Geld aus. Und für die anderen Kurse, die ich hätte absolvieren müssen, Englisch und so weiter, fehlt mir das Interesse. Ich interessiere mich nur für Mathematik. Außerdem hatte ich vor einigen Jahren einen Bandscheibenvorfall im Nacken und leide seitdem unter chronischen Schmerzen, die meine Finger teilweise taub werden lassen. Ich kann kaum noch zeichnen oder schreiben. Aber ich habe an der Uni meine Frau Elena kennengelernt. Wir sind jetzt seit acht Jahren verheiratet, und unsere Beziehung wird von Jahr zu Jahr besser. Durch sie bin ich wirklich wieder aus meinem Schneckenhaus herausgekommen. Ich musste nach Russland fliegen, um bei ihren Eltern um ihre Hand anzuhalten, und ich möchte ihr die Welt zeigen.

Darold Treffert hat Sie als Savant und als Synästhetiker diagnostiziert. Was ist ein Synästhetiker?
Das ist jemand, der Sinneseindrücke vermischt. Einige Menschen sehen, was sie riechen. Sie nehmen zum Beispiel einen Geruch oder einen Geschmack als blau war. Die Sinnesorgane sind quer verdrahtet. Zahlen sehe ich als geometrische Formen. Ich habe die Biografien von Genies wie Einstein und Stephen Hawking gelesen. Ich weiß nicht, ob sie Synästhetiker waren, aber beide nahmen die Welt geometrisch wahr. Hawking sagte, er habe sich selbst beigebracht, eine Gitterstruktur über alles zu legen.

Nicht nur Ihre Wahrnehmung, sondern auch Ihre Persönlichkeit scheint sich seit dem Überfall um 180 Grad gedreht zu haben – vom Partyhelden zum Eigenbrötler, vom Studienabbrecher zum Mathe-Genie, vom Fitnessnarr zum Bakterienphobiker. Fragen Sie sich manchmal, wer eigentlich der echte Jason ist?
Es ist, als hätte ich zwei Leben. Ich bin dankbar dafür, dass ich beide Seiten kenne. Der ganze Quatsch, den ich früher angestellt habe, ist mir aber manchmal peinlich. Ich war zum Beispiel ein totales Alpha-Männchen, musste immer vorne dran sein und mich aufplustern. Wenn ich heute bei jemandem so ein Verhalten sehe, finde ich es einfach nur lächerlich. Ich gehe jetzt jeder Konfrontation aus dem Weg.

Ihre Verwandlung ist schwer zu begreifen, weil die beiden Jasons kaum gegensätzlicher sein könnten.
Absolut. Vor allem in den ersten Jahren nach dem Überfall schüttelte meine Mutter nur den Kopf und sagte immer wieder: »Ach, Jason, wenn du dich nur selbst hören könntest!« Sie hat mehr Sinn für Mathematik als mein Vater. Mein Vater hasst Mathe. Wenn ich damit anfange, sagt er: »Halt den Mund, das interessiert mich nicht.« Aber jetzt ist er doch stolz, weil das Buch so ein großer Erfolg ist und auch ein Film über mein Leben geplant ist.

Ihre Geschichte wirft grundlegende Fragen über unser Gehirn auf, über unser Bewusstsein, unsere Wahrnehmung der Welt.

Ja, es ist erstaunlich, was unser Gehirn kann und wie sehr unser Gehirn die Wirklichkeit glättet.

Glättet?
Es gibt zum Beispiel in der Natur keine glatten Linien und keinen vollkommenen Kreis, aber unser Gehirn gaukelt es uns so vor.

Vereinfacht ausgedrückt vermuten die Ärzte, dass Ihr Gehirn durch die Schläge einen Bereich aktiviert hat, der für geometrisches und mathematisches Denken verantwortlich ist, oder?

Ja, oder dass ein Hirnbereich kompensiert, dass Neuronen in einem anderen Hirnareal beschädigt wurden. Berit Brogaard von der Universität von Miami hat mich in Finnland Computertomografien unterzogen. Da zeigt sich, wie viel Sauerstoff das Gehirn verbraucht und wo. Bei mir sind Bereiche in der linken Gehirnhälfte sehr aktiv, wo man mathematische Fähigkeiten vermutet. Auch Bereiche, die mit visueller Erinnerung, der Verarbeitung von Sinneseindrücken und Emotionen zu tun haben, sind stärker aktiv. Die Forscher stellten fest, dass ich Hirnareale aktivieren kann, die sich normalerweise unserem Bewusstseins-prozess entziehen.

Viele Menschen, die mit Mathe zu kämpfen haben, würden sich bestimmt über einen Mechanismus freuen, der dieses Gehirnareal künstlich stimuliert.
Das wäre unglaublich. Wenn jeder die Welt so sehen könnte wie ich, würde das so vielen Menschen helfen! Ich wünschte mir, das wäre jemandem wie Einstein passiert – ein absolutes Genie, was der damit alles hätte anfangen können!

Was haben Sie mit dieser Fähigkeit jetzt vor?
Ich spüre das starke Bedürfnis, Menschen zu erklären, was ich weiß. Mein Anliegen ist es, das in die Schulen und Lehrpläne einzubringen. Jedes Kind sollte schon vor der sechsten Klasse möglichst viel über die Kreiszahl Pi lernen. Wer versteht, wie Pi funktioniert, versteht die Grundlagen der Infinitesimalrechnung – und damit den Ursprung aller Mathematik. Und die Essenz des Universums.

Inwiefern ist Pi die Essenz des Universums?

Man kann ohne Pi nichts definieren. Alles geht auf einen Kreis zurück.

Glauben Sie nicht, dass es den meisten Schülern damit so gehen wird wie damals Jason 1.0?
Dadurch, dass ich die direkte Erfahrung habe, kann ich ihnen nicht nur sagen, sondern wirklich zeigen, was Pi ist. Das ist ja gerade das Tolle.

Haben Sie nicht auch ein Angebot von einem Finanzinstitut erhalten?
Ja, ein Institut an der Ostküste wollte mich anstellen, um die fraktalen Dimensionen des Aktienmarktes zu studieren und die wiederkehrenden Muster zu analysieren. Aber das würde mir keinen Spaß machen. Man kann Muster erkennen, aber ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich möglich ist, auf dieser Grundlage die Zukunft vorherzusagen – dazu gibt es zu viele Variablen. Was, wenn ich danebenliege und eine Menge Leute eine Menge Geld verlieren? Auch das hat sich seit dem Überfall geändert: Ich empfinde jetzt großes Mitgefühl. Ich spüre es körperlich, wenn sich jemand unwohl fühlt, oft bevor der andere es selbst bewusst wahrnimmt. Wenn ich eine falsche Prognose erstelle und dadurch jemand sein ganzes Erspartes verliert, könnte ich mir das nicht verzeihen.

(Fotos: Jason Padgett, Rick Cordova)

Foto: Kyle Johnson