»Wenn die Polizei keinen Humor haben darf, steht es schlecht um Deutschland«

Nirgendwo gibt sich die Polizei so lustig wie im Internet. Was soll das? Nachgefragt bei Berlins oberster Twitter-Polizistin

SZ-Magazin: Ihr Team formuliert auf Twitter sehr frei und oft albern. Ist es neuerdings auch die Aufgabe der Polizei, witzig zu sein?
Yvonne Tamborini: Humor ist auf Social Media nie Selbstzweck, sondern Teil der Imageförderung. Jeder Scherz, der bei uns gemacht wird, ist Träger einer Botschaft.

Zitat von Ihrem Twitter-Account: »Vier Frauen und ein Mann wollten Klamotten und Klamottinnen klauen.«
Das ist ein Tweet unserer 24-Stunden-Aktion, bei der fast jeder Einsatz getwittert wird. Das machen wir einmal im Jahr, da darf auch mal humorvoller formuliert werden.

Die Polizei parodiert da geschlechtergerechte Sprache über einen hochoffiziellen Kanal.
Wenn die Polizei keinen Humor haben darf, steht es schlecht um Deutschland. Wir greifen damit eine aktuelle Debatte auf und erlauben uns eine humoristische Interpretation.

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Manche Tweets bekommen Hunderte Kommentare. Wie entscheiden Sie, worauf Sie antworten?
Wenn die Beantwortung einer Frage für die Allgemeinheit interessant ist, antworten wir. Oder wenn es sich lohnt, etwas witzig zu parieren. Da haben wir dann wieder den Imagegedanken im Kopf.

Wenn ich auf der Straße einen Polizisten anspreche, kann ich auch erwarten, dass er antwortet - nicht nur dann, wenn es gerade passt, oder?
Na ja: Auch im echten Leben entscheidet der Polizist, auf wen er reagiert. Wenn hundert Gaffer bei einem Verkehrsunfall ihre Meinung kundtun, muss ein Polizist auch nicht unbedingt antworten.

Der Ton auf Social Media ist manchmal rau. Wird die Polizei auf Twitter oft beschimpft?
Das kommt vor. Aber auf einer Demo müssen wir uns viel schlimmere Dinge gefallen lassen. Wir haben beschlossen, dass man den Polizei-Account nicht beleidigen kann, Ende. Strafrechtlich Relevantes geben wir weiter. Oft melden wir auch Accounts, die etwa volksverhetzende Inhalte verbreiten. Twitter reagiert da immer sehr schnell, in einer halben Stunde sind die gesperrt.

Welche Regeln gelten für Sie und Ihre Mitarbeiter beim Twittern?
Es muss hinreichend unkonkret formuliert sein, um Persönlichkeitsrechte zu schützen und Tatort-Tourismus zu verhindern. Wir bringen keine Suizide. Einsätze, bei denen noch aktuelle Maßnahmen laufen, nur zeitverzögert. Wir beachten ein Neutralitätsgebot und denken den Perspektivwechsel mit: Ein Tweet von uns muss für das Opfer einer Straftat unbedingt noch erträglich sein.

Zitat: »In der Breiten Straße liegt eine Frau. Auch breit.« Ist das nicht respektlos?
Die Frau ist nicht zu erkennen, für niemanden. Ist eben ein Wortspiel.

Löschen Sie manchmal eigene Tweets?
Das haben wir bis jetzt nur einmal gemacht, weil etwas missverständlich formuliert war.

Kommt es vor, dass die Leute bei aller Jovialität vergessen, mit wem sie es zu tun haben?
Natürlich. Aber auch das ist wie im echten Leben: Der Wachtmeister fährt durch die Straße, er ist ansprechbar, nett, er beantwortet dir jede Frage und ist auch mal witzig. Aber wenn ein Notruf kommt, wird es ernst. Dann ist es vorbei mit der humorvollen Kommunikation.