»Wir müssen mit Vertrauen arbeiten, nicht mit der Brechstange«

Oliver von Dobrowolski, 41, Kriminalbeamter in Berlin, sagt, er sei ein »Exot«. Warum? Er ist Mitglied bei den Grünen, engagiert sich für Flüchtlinge - und hält Polizisten nicht für unfehlbar.

Nach dem Abitur habe ich den Kriegsdienst verweigert. Einige Jahre später war ich für die Polizei als Aufbauhelfer in Afghanistan – mit 30-Kilogramm-Weste, Stahlhelm und Sturmgewehr. Da habe ich mich schon gefragt: Wofür machst du das? Ich bin Pazifist, und finde, auch die Polizei ist eine zutiefst pazifistische Einrichtung. 2013 habe ich erfahren, dass es einen Verein der Grünen bei der Polizei gibt. Da habe ich in die Hände geklatscht. Endlich, dachte ich, das sind Gleichgesinnte, die sehen dieselben Probleme bei der Polizei wie du. Anfangs sagten viele: Das passt nicht zusammen, die Grünen, eine Bürgerrechtspartei, und die Polizei, die Bürgerrechte vermeintlich bekämpft. Polizisten sind nun mal eher konservativ, die wollen Beständigkeit und an bewährten Mustern festhalten. Ich war immer links der Mitte. Beim G20-Gipfel in Hamburg hatte mich eine Kollegin auf den Verein angesprochen. Ich fragte, halb im Scherz: »Haust du mir jetzt eine rein?« Aber sie sagte nur: Ist nicht meine Ansicht, aber gut, dass du deine eigene Meinung vertrittst. Es gibt andere Exoten wie Irene Mihalic, eine Polizistin, die für die Grünen im Bundestag sitzt.

Früher dachte man: Das ist ein Grüner, der wirft gleich einen Stein, aber bei der Polizei ist der sicher nicht. Es engagieren sich viele Beamte bei anderen Parteien, auch bei der AfD. Die Polizei-Führung hat nach dem G20-Gipfel behauptet, es habe keine Gewalt gegen Demonstranten gegeben. Man habe grandios gearbeitet, ja heldenhaft. Dabei sind im Internet unzählige Fotos und Videos, die ein Fehlverhalten mancher Beamter nahelegen. In welcher Realität leben diese Menschen? Die Polizei ist nicht unfehlbar – aber für manche ist es eben ein Naturgesetz, dass sie alles richtig macht. Viele denken, es macht kaum Sinn, gegen Polizisten vorzugehen, weil die Polizei dann gegen die eigenen Kollegen ermittelt und man sich deckt. Wer sich bei G20 kritisch geäußert hat, wurde von der politischen Führung als Besserwisser und Denunziant bezeichnet. Viele Beamte wollen nicht immer wieder um ihre Autorität kämpfen müssen. In Hamburg sagte die Polizei schon vor dem Gipfel zu den Demonstranten: Wir haben euch im Blick, wir machen euch Stress. Dabei soll die Polizei der Gesellschaft dienen, nicht andersherum. Wir müssen uns den Hintern aufreißen, mit Vertrauen arbeiten, nicht mit der Brechstange. Wenn mir jemand auf einer Demonstration sagt, verpiss dich, du Bulle, dann finde ich das nicht gut. Aber ich bin nicht persönlich gekränkt. Die beleidigen mich nicht als Menschen, nur meine Uniform.