In dem Moment, in dem ich auch noch die Zwiebeln in den Topf schmeiße, kann man die Panik förmlich riechen. Aus dem klaren Wasser ist unter Zugabe all der Hoffnungsträger ein Sud entstanden. Fenchelteebeutel hängen darin, Ingwerstücke schwimmen, Zitronenstücke, Zitronenkerne, Zitronenfetzen, der Honig dickt an, das alles kümmelgesprenkelt. Das muss doch jetzt helfen. Die Küche hat sich zum Gesundheitslabor entwickelt. Und die Frau, die darin steht, rührt längst nur noch mit der Wut der Verzweiflung.
Parallel erklärt Christian Drosten in Interviews, dass die Pandemie vorbei sei. Das stimmt für Mütter nicht, denke ich noch, dann mache ich die Augen wieder zu. Lapidar bekunden Verantwortliche, die Schulschließungen von teils 183 Tagen seien unnötig gewesen. Ja, danke auch, denke ich und drehe mich wieder um. Und während bei den meisten die Pandemiebelastung zurückgeht und sie dem Staat nichts weiter übel nehmen, ist das bei erwerbstätigen Müttern nicht so. Sie haben laut dem Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung einen Vertrauensverlust erlebt, der anhält. Trotz Fieberbirne: völlig klar.
Keine Mutter bei Trost hat je gedacht, dass sie alles haben kann. Aber verschiedene leicht freiheitsbeschränkende Kombipakete galten schon als möglich. In der Pandemie änderte sich das. Da standen Mütter dann reihenweise vor der Frage, wie sie ihre Aufmerksamkeit ganz neu verteilen. Was ohnehin auf Kante genäht war, passte nicht mehr. Denn die Kinder brauchten mehr. Einen Kindertag zu strukturieren, in dem die Struktur des Außen wegfällt, ist schwer. Einen Kindertag mit Elementen verschiedener Disziplinen zu füllen, sich routiniert zu vierteilen, alles zu sein: liebevoll vor den Pflichten, fordernd währenddessen, ausgelassen unter Druck, das ist fast unmöglich und für Geld nicht zu kaufen. So was versuchen nur Liebende. Dafür musste in allen Familien woanders Kraft entzogen werden. Es galt zu rechnen. Selbst bei hingenommener Überlastung können am Ende nur 110 Prozent Frauenenergie verteilt werden.
Diese Aufmerksamkeit tut gut, bringt aber kein Geld und kocht kein Essen
Die meisten begannen bei sich und ihren Freundinnen zu sparen, denn diese Aufmerksamkeit gilt als verschenkt. Sie tut gut, bringt aber kein Geld und kocht kein Essen. Sport, kurzerhand weggekürzt. Großeltern, Nachbarn, hilfsbedürftige Bekannte wurden von Müttern oft schweren Herzens aus dem inneren Versorgungskreis ausgeschlossen. Auch der Partnerschaft wurde Aufmerksamkeit entzogen. Viele Beziehungen sind in Corona-Zeiten in den absoluten Funktioniermodus gewechselt. Lieben ohne Zeitdruck, das Zuhören ohne den Hintergedanken, was eine neue Befindlichkeit für die Planung der kommenden Woche bedeuten würde, das gegenseitige Anschauen ohne ärgerliche Hetze im Blick, alles verloren gegangen.
Schließlich wurde die Erwerbsarbeit ins Visier genommen: Mütter hatten schon immer weniger Zeit, um 16 Uhr noch im Büro zu sitzen und sich in Gesprächen, die kein Ziel haben, ihrer selbst zu versichern. Jede zweite Mutter mit Kindern unter 14 Jahren verlagerte Erwerbsarbeit in den Abend oder aufs Wochenende, wenn ihr Beruf dies überhaupt zuließ. Jede fünfte Mutter hat wegen Corona die Arbeitszeit reduziert, viele haben gekündigt. Auch zum Schutz der Partnerschaft, die nicht auf gemeinsame Betreuung ausgelegt war. Der Komplize für die Erwerbstätigkeit der Mutter ist in Deutschland der Staat. Die meisten Mütter erwerbsarbeiten nicht so viel, wie sie müssten, um finanziell unabhängig zu sein, viele nicht so viel, wie sie wollten, manche weniger, als sie vom Arbeitgeber aus könnten, sondern so viel, wie sie ihre Kinder betreut haben. Der Staat verknüpft Müttererwerbstätigkeit rhetorisch nie mit elterlichen Verteilungsdebatten, sondern immer mit guter Betreuung. Schließlich will er beide Eltern in Arbeit. Die Mütter hat er in der Pandemie im Stich gelassen, hat sein Versprechen auf Teilvereinbarung gebrochen. Da bleibt man schon mal schlaflos zurück.