Das Lotto-Dilemma

So unwahrscheinlich es auch ist: Wenn man Lotto spielt, träumt man davon, mal groß zu gewinnen. Probleme könnte dann allerdings die gerechte Verteilung des Geldes machen.

Illustration: Serge Bloch

»Seit über zwanzig Jahren spiele ich mit vier Freunden jeden Samstag die gleichen zwölf Lotto-Kästchen. Dafür zahlt jeder monatlich einen kleinen Betrag, und ab und zu gehen wir von den Gewinnen zum Essen. Ich habe mir angewöhnt, die gleichen Zahlen auch mal am Mittwoch abzugeben, wenn der Jackpot hoch ist. Das bezahle ich aus eigener Tasche. Aber was tue ich eigentlich, wenn ich an einem Mittwoch tatsächlich einen größeren Betrag ­gewinne? Etwas abgeben, klar, aber jedem ein Fünftel? Und ab welchem Betrag wäre es moralisch unbedingt ­angebracht zu teilen?« Mathias O., München

Gegenfrage: Warum spielen Sie am Mittwoch nicht einfach mit anderen Zahlen? Die Chance zu gewinnen ist genauso klein – und Sie müssten sich kein bisschen so fühlen, als ob Sie Ihre Samstags-Lotto-Gang hintergehen.

Als rationaler Mensch, der sich irgendwann ausgerechnet hat, dass sich das ganze Geld, das man beim Glücksspiel zum Fenster hinausschmeißt, vielleicht durch einen extrem unwahrscheinlichen Gewinn eines Tages doppelt, dreifach oder hundertfach gelohnt haben könnte, wissen Sie natürlich, dass es nichts nützt, nach einem System zu spielen. Es ist, das verspreche ich Ihnen und übernehme für die folgende Aussage auch die volle Verantwortung, dem Mittwoch völlig egal, auf welche Zahlen Sie am Samstag tippen. Befreien Sie sich also vom gefühlten Gruppenzwang, der Sie ja doch nur belastet, und versuchen Sie mittwochs mal was ganz anderes. Was ganz Verrücktes am besten. Man muss ja sagen: Dafür, dass Sie seit zwanzig Jahren jeden Samstag die­selben Zahlen ankreuzen, haben Sie offenbar noch nicht sonderlich viel gewonnen. Ein paar Essen für fünf, schreiben Sie. Aber irgendwie wollen Sie mehr. Und um sich nicht so ohnmächtig zu fühlen, wie Sie aber leider sind, ver­suchen Sie es mit magischem Denken.

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Sie können das System nicht kontrollieren, und wenn Sie zweihundert Jahre lang diese Zahlenkombinationen tippen. Es ist ein Glücksspiel, kein Schach. Ehrlich ­gesagt rate ich Ihnen volle Kanne dazu, jeden Mittwoch mit völlig neuen Zahlenkombinationen das System zu schocken. Handeln Sie gegen Ihre Vernunft. Kreuzen Sie lieber blind etwas an oder lassen Sie einen zufällig vorbeistreunenden Königspudel Ihre Zahlen bestimmen, als auch mittwochs an der irrigen Hoffnung festzuhalten, dass Sie über den Zufall siegen können. Wagen Sie etwas. So gewinnen Sie, auch wenn Sie nichts gewinnen.