Hilft ja nichts, da müssen wir jetzt durch. Eine neue Single der Böhsen Onkelz, sofort auf Platz vier der Charts, gut möglich, dass das Lied in den kommenden Tagen den ersten Platz schafft. Die Fans greifen zu, es ist, als würden nun all jene zurückschlagen, die gemeint waren, als gerade tausende von Käufern »Schrei nach Liebe« wieder an die Spitze der Charts brachten, den alten Anti-Nazi-Song der Ärzte. Erst ein herzhaftes »Arschloch!« von links - jetzt ein trotziges »Wir bleiben« von rechts. Wir bleiben, das kann dabei heißen, »wir« bleiben hier vor den Flüchtlingsheimen stehen und pöbeln rum; es kann natürlich auch einfach heißen, »wir«, die Böhsen Onkelz, bleiben in den Charts. Es kann alles mögliche heißen. Gezielte Unschärfe ist seit Jahren der wichtigste Dreh der Böhsen Onkelz, die mal sehr, sehr rechts waren und heute behaupten, es nicht mehr zu sein. Den Text von »Wir bleiben« halten sie so sehr im Vagen, dass sich zwischen Früher-war-alles-besser und Es-muss-sich-endlich-was-ändern ziemlich alles hineininterpretieren lässt.
Das Lied beginnt mit den üblichen Hardrockgitarren, dazu düster geknurrte Zeilen: »Wir waren unsterblich / Bis wir gestorben sind. / Doch wir glauben, dass die Zeit / Wirklich alle Wunden heilt.« Wer war da unsterblich? Die Band? Ihre Fans? Und dann sind sie aber gestorben? Also doch nicht unsterblich? Rätselhaft. Vielleicht liefert ja der Refrain Erhellendes: »Wir bleiben - Und feiern das Leben / Räumt uns ein Zimmer frei / Macht Platz für eine neue Zeit.« Das soll nach Revolution klingen, auf in eine neue Zeit. Dabei war die alte doch scheinbar ganz gut, in der ersten Strophe musste sie noch Wunden heilen. Egal, jetzt eine neue Zeit. Die verblüffenderweise genug Platz in einem einzelnen Zimmer findet. Und was passiert dann da in diesem Zimmer? Wird nicht erläutert. Dafür folgt bald der Aufruf, »Lasst uns zusammen / Die Fahne in den Gipfel rammen«. Alle wieder raus aus dem Zimmer, rauf auf einen Berg, jessas, was für eine Unruhe.
Aber was heißt dann »Wir bleiben«? Im Zimmer ja offenbar nicht. Auf dem Gipfel also? Was machen die alle da oben? Und was wird aus dem Zimmer? Ehrlich gesagt scheint der revolutionäre Gedanke des Lieds nicht ganz zu Ende gedacht. Rin in die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln. Aber die Rast- und Ratlosigkeit hat ja etwas Beruhigendes: Wenn alle, die sich von diesem Lied angesprochen fühlen, jetzt auf dem Gipfel bei ihrer Fahne sitzen, hat keiner Zeit, vor Flüchtlingsheimen aufzumarschieren. Berg heil!
Erinnert an: Zweitliga-Fußballstadien.
Wer kauft das? Leute, die die Toten Hosen gern hören, sie aber zu links finden.
Was dem Lied gut tun würde? Eine Instrumentalversion.
Foto: Alexander Laljak