Die Droge, mein liebster Freund und Feind

Die Sucht verstehen und sie endlich abschreiben: Fünf Abschiedsbriefe von Abhängigen an ihre Droge.

    In einer Klinik in Niederbayern gehen junge Mütter für vier bis sechs Monate in den Drogen- oder Alkoholentzug (ein Interview mit dem Geschäftsführer der Klinik können Sie bei jetzt.de lesen). In einem Teil ihrer Therapie schreiben sie Briefe an ihre Droge – Abschiedsbriefe. Wer sie liest, versteht mehr über das Entstehen einer Sucht, über die Ursachen von Abhängigkeiten. Die Transkripte von fünf Briefen, die junge Mütter vor kurzem an ihre Droge geschrieben haben, wurden mit dem Einverständnis der Schreiberinnen und der Fachklinik Schlehreuth veröffentlicht.

    Mein liebster bester Freund & Feind!
    Wenn ich nicht fühlen will, nicht mehr weiter weiß oder am Ende bin, ist immer Verlass auf Dich. Du trägst mich durch meine Verzweiflung, machst die Tage wieder erträglich, gibst mir Stärke wenn ich schwach bin. Ich brauche nichts & niemanden, wenn du an meiner Seite bist. Du füllst mich & begleitest mich.

    Doch Du besitzt zwei Gesichter & verstehst es, mich professionell hinter’s Licht zu führen. Du hast Deine schwarzen Seiten erst preisgegeben, als ich Dir schon längst verfallen war. Am Ende war nicht mehr Verlass auf Dich, sondern ich fühlte mich endlos verlassen. Und zwar von mir selbst. Mein Ich hatte sich aufgelöst. Ich war verschwunden, aufgequalmt, verzehrt & verzerrt, betrogen & belogen, in eine verschwommene, verworrene, dreckige Welt geglitten, in der ich die Realitäten nicht mehr wahrnahm, so wie sie sind. Wo bin ich geblieben? Wie kann ich mich entwirren? Du bist nicht die Befreiung, sondern die Versklavung meiner Seele. Du erleichterst meine Probleme nicht, sondern führst mich in ein abgrundtiefes Chaoslabyrinth, verstrickt mit endlosem Drama & falscher Existenz. Ich möchte & werde wieder von echtem Herzen fühlen, werde denken ohne Besessenheit und erleben ohne zerrissen zu werden.

    Deshalb endet unsere Hassliebe hier und ich werde Dich in meinem leeren Grab beerdigen, in das Du mich bei lebendigem Leib legen wolltest.
    Mein Leben ohne Dich ist gefühlvoller und begehrenswerter & ich möchte mich endlich wieder spüren können!

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    Trotzdem werde ich Dich wahnsinnig vermissen, mich nach Deinem Schutz sehnen, nach Deiner Gesellschaft, Deiner Zuverlässigkeirt, Deinem Geschmack, Deiner Nähe.
    Ich muss gehen.
    Martina

    Lesen Sie vier weitere Abschiedsbriefe an die Droge auf jetzt.de.