„Es muss Brandung zu sehen sein“

Seit 21 Jahren gibt es „Kuschelrock“, die Hintergrundmusik der Verliebtheit – ein Gespräch mit Dirk Hachmann, der die Mix-CDs zusammenstellt

Wer irgendwann seit 1987 seine Pubertät hatte und deshalb verstehen wollte, was mit Liebe so alles einher geht, kam und kommt am jedes Jahr neu aufgelegten „Kuschelrock“-Sampler nicht vorbei. Die einzelnen Volumes - aktuell ist Version Nummer 22 im Handel - sind für viele so etwas wie Erinnerungsanker: Sie erinnern an die erste Party, den ersten Kuss oder an das erste Mal. Seit gut vier Jahren stellt Dirk Hachmann, 41, Produktmanager beim Label Sony BMG die vielleicht berühmteste Doppel-CD der Liebe zusammen.

jetzt.de: Dirk, wie suchst du die Songs für Kuschelrock aus? Nach der Chartplatzierung?
Dirk Hachmann:
Die ist wichtig. Aber wir haben nicht nur aktuelle Songs drauf. Du kannst auf auf kuschelrock.de deinen Wunschtitel eingeben – der landet auf meinem PC und ich analysiere alle drei Monate, was am meisten gewünscht wird. Ich achte aber auch darauf, dass Evergreens dabei sind, weil wir zwar 14-jährige Kuschelrock-Käufer haben, aber auch 45-Jährige.

jetzt.de: Compilations werden ja nicht nur mit den Songs von nur einem Label zusammengestellt. Zaudern die anderen Plattenfirmen, wenn es darum geht, auf euren Sampler zu kommen?
Dirk:
Schauen wir mal auf die aktuelle Kuschelrock-CD. James Blunt: Warner. Nelly Furtado: Universal. Leona Lewis: Sony. Seal: Warner. Linkin Park: Warner. – Die meisten machen schon ganz gerne mit. Und viele Künstler freuen sich natürlich, weil sie Geld verdienen.

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jetzt.de: Tantiemen . . .
Dirk:
Genau. Und die deutschen Künstler freuen sich noch mehr, weil die CD im Marketing ja eine eher internationale Ausrichtung hat. Aber viele amerikanische Bands gelten als harte Nüsse, was das Freigeben für eine Kuschelrock oder eine „Bravo Hits“ angeht. Die wollen das einfach nicht.

jetzt.de: Welche Songs bekommst du nicht, obwohl du sie gern hättest?
Dirk:
Ich habe zwei Songs, an denen arbeite ich schon seit ich hier bin. Wenn sie drauf sind, sage ich es euch.

jetzt.de: Dann gib uns ein Beispiel für ein Lied, das nach viel Mühe doch drauf gekommen ist?
Dirk:
Ozzy Ozbourne und „Dreamer“. An dem haben schon meine Vorgänger gearbeitet und ich habe auch jedes Jahr angeklingelt. Aber das geht über viele Leute: Ich frage hier meinen Anfragemann, so kommt es in die USA, dort wird es zum Submanagement geleitet und kommt irgendwann zu Ozzy.

jetzt.de: Es hat aber noch funktioniert.
Dirk:
Ja. Vielleicht hatte Ozzy einfach gute Laune. Oder guten Sex? Ich weiß es wirklich nicht. Vielleicht denken sie auch nur: „Der Sonymann hat so lange gezappelt . . .“

jetzt.de: Die Kuschelrock erscheint immer im September – was passiert vorher?
Dirk:
Im März schreibe ich die erste Trackliste, Ende April starten wir die Titelanfrage bei den Labels und dann beginnt die Modelauswahl und die Drehvorbereitung für den berühmten Spot mit dem „Pärchen am Strand“. Es ist immer dieselbe Story: Ein Paar an einem schönen Tag am See, im Boot oder im Leuchtturm . . . Wenn man mal die alten Cover anschaut (nimmt CDs aus einem Schuber auf dem Tisch und sieht sich die Vorderseiten durch) – die haben früher ja alle Jeansjacken angehabt. Und alle trugen Levis 501 und keine andere Marke. Ach, hier das Cover von Folge 19: Wir wollten den Sonnenuntergang eigentlich reinmontieren, aber da ging die Sonne tatsächlich in dem Moment unter, als das Foto geschossen wurde!

jetzt.de: Wo ist das Bild entstanden?
Dirk:
In St. Peter-Ording. Früher sind wir für Drehs auch drei Wochen in Südafrika gewesen, ich habe aber beschlossen, dass das keinen Sinn ergibt, weil es unglaublich viel Geld kostet. Wir hatten auch Karibikdrehs, aber die sehen immer leicht süßlich aus – weiches Licht, türkises Wasser. Zu Kuschelrock passt eher: Es wird September, es muss Brandung zu sehen sein.

jetzt.de: Eine leichte Melancholie gehört dazu?
Dirk:
Ja, glaube schon.

jetzt.de: Und welche Rolle spielt der Erotikfaktor? Die Bilder zeigen eher so ein asexuelles Kuscheln.
Dirk:
Früher schwang die Legende mit, dass Männer, wenn sie Kuschelrock im Haus haben, jede Frau flach gelegt kriegen. Das ist heute, glaube ich, anders – die Bilder sollen einfach romantische Gefühle auslösen.

jetzt.de: Die Reihe scheint sich auch mehr an Heterosexuelle zu richten, oder?
Dirk:
Wir wenden uns an alle, die einen gewissen Sinn für Romantik und diese Art von Musik haben. Es gibt auch viele Schwule, die Kuschelrock kaufen. Aber wir würden sicher 95 Prozent der Käufer verwirren, wenn wir zwei Männer auf das Cover nehmen würden.
jetzt.de: Ist diese Liebe zum Kuschligen etwas typisch Deutsches?
Dirk:
Naja, es gibt die Serie ja überall, sie wird nur lokal adaptiert. Die Franzosen haben viele französische Songs. Bei den Holländern heisst es dann: „Knüffelrock“. Bei den Belgiern: „Rockmantique“. In Südamerika haben wir ähnliche Kopplungen. Dort heisst sie: „Best of Love“. Aber: Das Kuscheln ist schon sehr deutsch, ja.

jetzt.de: Ist Kuschelrock nicht eigentlich eine Antithese?
Dirk:
Natürlich.

(Lesen Sie den zweiten Teil des Interviews auf hier)

Katharina Bitzl (Collage)