SZ-Magazin: Sie verwalten die Rechte an Audrey Hepburn. Wie kommt man auf die Idee, mit dem Bild seiner Mutter Geld zu verdienen?
Sean Ferrer: Es war kurz nach ihrem Tod. Ich wusste, dass wir ihre gemeinnützige Arbeit fortführen sollten, das wurde Teil ihres Erbes. Wenn mein Bruder und ich das umsetzen wollten, bräuchten wir auch einen Weg, »die Miete zu zahlen«. Ich spürte, dass das ein Vollzeitjob werden würde. Ich las einen Artikel in einer Wirtschaftszeitung. Ich lag im Bett, es war ein wunderbarer Sommerabend im Jahr 1993. Ich las da, dass Porsche mehr Geld mit Patenten als durch den Autoverkauf verdiente. Da dämmerte es mir: Die Leute könnten Ruhm mieten anstatt ihn zu kaufen. Bis dahin gab es nur Elvis und Marylin, vor allem in den USA.
Sie wollten mit Ihrer Mutter den T-Shirt-Markt erobern?
Nein, nein. Wir produzieren nur wenige Dinge wie T-Shirts. Für Japan, wo sie sehr populär war und immer noch ist. Wir sind nicht auf Merchandising-Artikel spezialisiert. Wir konzentrieren uns auf die Übertragung von Werberechten: Tiffany, zum Beispiel, hat ein Foto von Audrey in jeder seiner 400 weltweiten Filialen hängen, Tiffany und wir haben eine langfristige Verbindung. Um solche Rechte geht es, Lizenzierungsrechte. Aber wir müssen auch die Marke schützen, das bedarf einer Menge juristischer Arbeit und Rechtsstreitigkeiten.
Was ist der Unterschied zwischen einem Geschäft mit der Lizenz und einem mit der Marke?
Chanel hat Lizenzrechte erworben, um mit Marilyn Monroe Chanels N 5 zu bewerben, aber wenn Elizabeth Taylor ihre eigenes Parfum »White Diamonds« auf den Markt bringt, dann ist das ein Markengeschäft. In beiden Fällen ist der Schutz des Namens das wichtigste.
Ist Ihre Mutter denn noch so berühmt?
Audrey ist heute wahrscheinlich berühmter als zu Lebzeiten. Das mag etwas angeberisch klingen, aber mit Kindern spielen wir häufig ein Spiel, das wir Drei-Minuten-Spiel nennen: Wo immer man sich auch befindet, gilt es, Audrey in drei Minuten zu finden, sei es in einer Werbung, in einem Schaufenster, oder auf einem Produkt, meist einem Piratenprodukt. Und wenn es eng wird, sucht man eben einen Friseur in der Nähe, da findet man garantiert ein Foto von ihr aus dem Film »Ein Herz und eine Krone« mit Kurzhaarschnitt. Geht überall auf der Welt.
Gibt es viele Leute, die ein Bild von Audrey Hepburn ohne Erlaubnis benutzen?
Im Schnitt sind jedes Jahr drei bis vier Dutzend Klagen anhängig. 30 Prozent unserer Einnahmen fließen sicherlich in die Rechtsstreitigkeiten. Und 30 Prozent aller Einnahmen gehen an wohltätige Zwecke.
»Ihr ganzes Leben lang war sie damit gesegnet, einfache und gute Entscheidungen zu treffen. Das fasziniert junge Menschen an ihr. Mehr als die Hälfte ihrer Fans sind ja Teenager«
Wieviele Angestellte beschäftigt das Unternehmen Audrey Hepburn?
Ganz wenige. Wir haben ja keine Kosten für Marketing, Produktion oder Lieferung, wir müssen Kommission an Agenten zahlen. Die Prozesskosten sind unsere einzigen größeren Unkosten. Wir unterhalten zwei Lizenzierungsbüros in den USA: Mein Anwalt sitzt in Atlanta, der meines Bruders in LA. Und dann gibt es Agenten weltweit. Die Rechte zu sichern ist ein Vollzeitjob. Ich bekomme oft zu hören, ich reiste nur an schöne Orte und mein Leben sei ein einziger Urlaub. Stimmt nicht. Meine Familie macht Urlaub. Ich bin immer erreichbar. Morgens für Europa, dann den Fernen Osten, bis in den späten Abend für die USA. Ich bekomme im Schnitt 60, 70 Emails jeden Tag und bin zwölf, vierzehn Stunden ansprechbar. Wie sagt man in Hollywood so schön: Man ist nur so gut wie sein letzter Film. Wir sind also nur so gut wie unsere letzte Lizenz oder Kampagne. Wir prüfen jedes einzelne Audrey-Foto, das irgendwo auf der Welt gedruckt wird. Jedes einzelne Foto, Produkt, Paket muss großartig sein.
Haben Sie mal einen ordentlichen Beruf erlernt?
Ich habe ein Semester Internationales Recht in Genf studiert, aber schnell gemerkt, dass der Teil der Jura nichts für mich wäre. Deshalb nahm ich einen Job an, den mir Terence Young anbot – er war der Macher der James-Bond-Filme und drehte einen großen Kriegsfilm in Korea. Das waren eineinhalb Jahre, in denen ich mich vom Produktions-Assistenzen zum Regieassistenten hochgearbeitet habe. Ich war auf dem besten Weg, mir eine Existenz als Filmproduzent aufzubauen, als ich meine Mutter verlor und vor der Entscheidung stand, meinen Weg weiterzugehen, mir mein Leben aufzubauen – was sie wahrscheinlich gewollt hätte. Aber dann hätte ich mich irgendwann gefragt: Jetzt hast du vier schlechte Actionfilme produziert, was hat das für einen Sinn? Und gleichzeitig bot sich da eine Gelegenheit, die wir einfach nicht verpassen durften: die gemeinnützige Arbeit meiner Mutter weiterzuführen. Es ging ja längst nicht nur um Filmrechte, sondern um Audrey als Symbol von Eleganz. So gründeten wir also Stiftungen mit Unicef, und in der Schweiz und in Kalifornien. Schließlich begann ich dann auch, mich um die Bildrechte zu kümmern. Es ist ja sehr schwer, einen intellektuellen Nachlass zu schützen, vor allem, weil die Rechtslage überall eine andere ist. Und nicht jedes Land kennt den Schutz nach dem Tod, da fällt es dann besonders schwer, solche Rechte durchzusetzen. Der Nachlass wurde so ganz schnell zum Vollzeit-Job.
Sie sind in der Schweiz aufgewachsen. Warum ist Ihre Mutter ausgerechnet dahin gezogen?
Nach dem Krieg gingen meine Mutter und meine Großmutter nach London, ohne meinen Großvater, der hatte sie verlassen. Sie kamen mit sprichwörtlich nichts an. Meine Großmutter arbeitete als Concierge in einem großen Gebäude, meine Mutter bekam ein Stipendium für die Ballettschule. Ihre Lehrerin dort war zum Glück so ehrlich mit ihr, um ihr zu sagen: Ballett kannst du unterrichten, aber für eine Primaballerina bist du zu groß und hast dich während des Kriegs zu schlecht ernährt. Aber meine Mutter wollte in etwas richtig gut sein und verlegte sich deshalb aufs Cabaret und spielte kleine Nebenrollen beim Film. Dann bekam sie die Rolle Gigi in New York. Dort entdeckten sie Scouts vom Paramount Studio in Hollywood für Ein Herz und eine Krone mit Gregory Peck. Der zeigte sich ihr gegenüber sehr großzügig und gestand ihr einen Namenscredit vor dem Filmtitel, da wo auch sein Name stand, obwohl sie ja Anfängerin war. Eine solche Geste ist einmalig in unserer Branche. An der Westküste erzählte Greg dann meinem Vater: Du, ich habe gerade mit einer wunderbaren Frau in Rom gearbeitet, die solltest du kennenlernen. Mein Vater traf sie, sie verliebten sich. Aber meine Mutter war müde, erschöpft, fast anämisch, mein Vater sah das, deshalb dachte er daran, sie an einen gesunden Ort zu bringen: nach Bürgenstock am Vierwaldstättersee.
Das legendäre Luxus-Hotel.
Ja. Sie blieben erst eine Weile in St. Moritz – da sind auch die wunderbaren Aufnahmen mit dem weißen Peugeot entstanden, 1954, kurz bevor sie den Oscar bekam -, dann fuhren sie nach Bürgenstock. Die Hotelier-Familie überließ meinen Eltern eine Villa und ein Nebengebäude für das Personal. Mit einem Sohn der Vermieter bin ich noch heute befreundet: Peter Frey, auch mit einem Enkel der Hotelgründer: Roberto Wirth, er leitet und besitzt heute das Hassler-Hotel in Rom. Er ist wirklich außergewöhnlicher Mann: taubstumm und liest fünf Sprachen von den Lippen ab.
Sie verbrachten Ihre gesamte Kindheit auf dem Berg?
Nein. Im September 1954 heirateten meine Eltern in Bürgenstock, ich wurde erst im Juli 1960 geboren. 1963 schauten sie sich nach einem etwas milderen Wohnort um. Sie liebten unser Haus auf dem Berg im Sommer, aber im Winter wurde es sehr kalt. Deswegen zogen sie sich Ende 1963 in die Nähe des Lac Leman, wo alle Berühmtheiten damals wohnten: Charlie Chaplin, Elisabeth Taylor, Yul Brynner.
Können Sie sich an die alle noch erinnern?
Natürlich. Ich bin älter, als ich aussehe.
Hat Ihre Mutter die ganze Zeit über weitergearbeitet?
Bis ich mit fünf in die Schule kam.
Frühstück bei Tiffany muss sie gleich nach Ihrer Geburt gedreht haben.
Drei Monate später. Ich wurde zwei, drei Wochen nach der Geburt abgestillt. Meine Mutter war ja ohnehin sehr dünn. Ab da hatte ich Gina, ein wunderbares Kindermädchen, bis ich fünf war und in die Schule kam. Zuvor hatten Gina und ich oft die Gelegenheit, meine Mutter am Drehort zu besuchen, sie war ja oft acht Wochen weg und wollte nicht so lang von mir getrennt sein. Aber als ich zur Schule kam, ging das nicht mehr, deswegen gab sie das Arbeiten auf. Sie wusste ja, dass man nicht alles gleich gut machen kann und sagte sich: Ich habe genug zum Leben. Ihr ganzes Leben lang war sie damit gesegnet, einfache und gute Entscheidungen zu treffen. Das fasziniert junge Menschen an ihr. Mehr als die Hälfte ihrer Fans sind ja Teenager.
Wie kommt das?
Ich weiß nicht, wie es dazu gekommen ist. Ich säße ja gerne hier und würde mich als genialen und weitsichtigen Manager für intellektuelles Eigentum brüsten, aber ich habe dafür nichts getan, es passierte einfach so. Das ist sehr poetisch, denn genau für diese jungen Menschen hat Audrey sich ja als UNICEF-Botschafterin immer eingesetzt.
Was fällt Ihnen ein, wenn Sie an Ihre Mutter denken? Eine Geste, ein Bild, Wort?
Eine Kombination aus allem. Ich hab eine kleine Biographie meiner Mutter geschrieben, auf Grund einiger Gespräche mit ihr. Die beste im historischen Sinn hat Barry Paris geschrieben.
Was machen Sie am 4. Mai?
Wir feiern Audreys 90. Geburtstag mit einer kleinen Ausstellung in Brüssel, ihrem Geburtsort. Wir gaben ihr den Titel Intime Audrey und es geht um die Frau hinter der Legende.
Sie haben viel aus dem Nachlass für gemeinnützige Zwecke verkauft.
Die Balletschuhe und all das vor zwei Jahren bei Christies. Und trotzdem gibt es noch eine Menge. Ich glaube, meine Mutter ist längst nicht mehr in Memorabilia auffindbar. Da sie zur Legende geworden ist, geht es mehr um ihre Worte, Vorstellungen, Fotos, Videos, Reden, Philosophien etc. Und wie heißt es so schön: Ein weiser Mann verbringt die erste Hälfte seines Lebens damit, Dinge anzuhäufen, und die zweite damit, sie wieder loszuwerden.