Als ganz unwahrscheinlich galt es unter Popkritikern, dass Tina Turner, heute 66, jemals von ihrem Reifefrauensexthron runterfliegen würde. Zur Sicherheit veröffentlichte Tina klug alle paar Jahre eine Platte, auf deren Umschlaghülle sie sich ungeachtet ihres Alters immer wieder in Posen aufnehmen ließ, die mit etwas Fantasie von Rolling-Stones-Fans für sexy gehalten werden konnten. Aber jetzt kommt Tina dieses durchtrainierte Yoga-Hähnchen in die Quere, Madonna. Die hatte, das wusste sicher auch Tina, in den letzten zwanzig Jahren das Hüpfen in neue Rollen zum Prinzip erhoben, sie war eine Schwulen-, Hipster- und Intellektuellen-Ikone, ein Kunstwerk, sie war »camp«, wie die Denkerin Susan Sontag es einmal nannte: Ach herrlich, dachte Tina, das ist mir alles sauber egal. Nicht egal plötzlich: Madonnas neue Rolle. Spinnt die oder hat die sich jetzt echt entschlossen, Tina Turner zu sein? Sicher, sexy war Madonna schon immer, damit hatte Tina kein Problem, aber eben als »material girl«, als Fantasie, Konzept, nicht als ganz reale 47-Jährige. Jetzt auf den Bildern der aktuellen Madonna-Platte, oh Schreck: Das sind ja exakt die Posen, in denen sich Tina 1984, damals auch Mitte vierzig, auf der Hülle von Private Dancer räkelte. Nur dass Madonnas Hotpants pink sind (Tinas waren schwarz). Doch dann, zum Glück: Was ist mit der Frisur? Tina Turner kann sich entspannen. Auf dem Reifefrauensexthron sitzt jetzt Madonna. Auf dem Poplöwinnenmähnenthron darf Tina sitzen bleiben.
Foto: dpa, ap
Madonna & Tina Turner
Zwei, die nicht miteinander können.