Unterirdisch

Am Mittwoch wird das Haus der Kunst in München siebzig Jahre alt. Ein Raum wird hier zum ersten Mal gezeigt: der Keller.

Von Zeit zu Zeit benimmt sich die veraltete Technik im Keller des Hauses der Kunst so, als wohne hier ein böser Geist. Das wurde in diesem Frühjahr bei der Eröffnung der Ausstellung des Fotografen Andreas Gursky spürbar, als das gesamte Gebäude plötzlich in Dunkel getaucht war, metallene Schranken herunterrasselten und niemand mehr hinein- oder hinauskonnte: Im Heizungskeller war ein Kabel durchgeschmort.

Foto: Auf dem Tisch im historischen Archiv liegen Plakate von den Faschingsfesten im Haus der Kunst von 1949 bis 1974. Über dem Regal hängt ein Emblem aus Kupferblech, das 1938 für den Sitzungssaal (heute: Kuratorenbüro) erworben wurde. Unterhalb lehnt eine Skizze für den Festzug »2000 Jahre deutsche Kultur« von Hermann Kaspar aus dem Jahr 1940. Das Bild links davon zeigt ein Foto des Modells des »Hauses der Deutschen Kunst«, vermutlich aus dem Jahr 1933/34.

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Das Untergeschoss ist das heimliche Herz des Bauwerks, in dem bis heute viele Geheimnisse seiner wechselvollen Geschichte schlummern. Von außen sieht das Münchner Haus der Kunst aus wie für die Ewigkeit gebaut: am 18. Juli 1937 mit der »Großen Deutschen Kunstausstellung« eröffnet, ein monumentaler steinerner Tempel. Kaum jemand weiß, dass Paul Ludwig Troost, der von Hitler beauftragte Architekt des 175 Meter langen trutzigen Riegels am Englischen Garten, eigentlich nicht auf antikische Pracht, sondern auf moderne, gleißend weiße, schnittige Ozeandampfer spezialisiert war: Er galt als führender Schiffsausstatter der Zwanzigerjahre. Foto: In den Pappkartons stecken Pläne, die vom Atelier Troost zwischen 1934 und 1942 erstellt wurden. Im Regal Abzeichen der Einheiten der US Army.

Der riesige Heizungskeller sieht aus wie ein Maschinenraum, der jedem Steamliner zur Ehre gereichen würde: mit seinen in strenger Ordnung aufgereihten, wie am ersten Tag blinkenden Schalttafeln, Messinstrumenten und Kurbeln.

Foto: Das linke Gemälde »Sinkende Nacht« von Rudolf Hermann Eisenmenger wurde 1937 vom »Haus der Deutschen Kunst« zum Preis von 24000 RM für die Dekora-tion der Verwaltungsräume erworben. Großes Bild: »Entflammter Aufstieg« von Kurt Buder; das kleine Bild von Franzl Weiß zeigt den Aufbau der »Großen Deutschen Kunstausstellung« von 1939.

In den Depots des Tempel-Kellers lagern immer noch, übereinandergestapelt, Möbel der Gründungszeit des Hauses, entworfen vom Atelier Troost; Lampenschirme mit eingebauten Lautsprechern, damit die Reden, in denen Hitler regelmäßig seine Ansichten über moderne Kunst kundtat, auch überall im Haus zu hören waren. Im Archiv, das die Historikerin Sabine Brantl betreut, werden Hitlers Shopping-Listen verwahrt: Der Führer kaufte höchstpersönlich Kunst für sein Museum ein, jedes Jahr gab er eine Million Reichsmark aus, meist für kitschige Landschaftsbilder.

Foto: Schaltapparaturen für die kombinierte Heiz- und Klimaanlage im Heizungskeller.

Durch die Kellerverliese führen breite, schier endlose Gänge, die nur mit spärlichen Funzeln beleuchtet sind. So manche Marmorfliese ist zerbrochen: Die amerikanischen Besatzer sollen hier nach dem Krieg mit ihren Jeeps durchgefahren sein. In der ehemaligen Hausmeisterwohnung hinter dicken Steinmauern sind heute immer wieder Künstler zu Gast, kürzlich erst Christoph Schlingensief. Der verwandelte mit wenigen Handgriffen die traurige Düsternis des Ortes in ein Camper-Idyll: Er stellte seinen alten Volvo-Kombi vor der Tür ab und nahm erst mal einen Grill in Betrieb.
Vom Untergeschoss des Hauses geht es noch weiter hinab: in den Luftschutzkeller. Einst geplant als Zuflucht für 300 Menschen, erfährt das kühle, trockene Verlies heute eine eher pragmatische Nutzung: In dem bombensicheren Depot lagern heute prähistorische Knochen und antike Amphoren aus Münchner Museen. Und zwar nicht etwa in dafür vorgesehenen Behältern, sondern ganz profan in Obstkisten, von Dole oder Sunrise.

Foto: Rohrsystem für die kombinierte Heiz- und Klimaanlage im Heizungskeller.