Folge 9: Der Handtuchponcho
Gekauft habe ich den Handtuchponcho, einen Überwurf aus Frotteestoff mit Kapuze und zwei Löchern für die Arme, auf meiner ersten großen Backpackerreise in Marokko. Am Strand von Taghazout hatten ihn alle Surferinnen und Surfer, um nach dem Wellenreiten im Atlantik ihren Neoprenanzug darunter auszuziehen und sich dann eingemummelt an den Strand zu setzen.
Dass der Poncho nicht nur fürs Surfen großartig ist, merkte ich später im Gemeinschaftsbad im Hostel. Viel Privatsphäre gibt es dort eigentlich nicht – aber jetzt hatte ich meine eigene, gemütliche Umkleidekabine zum Mit-mir-herumtragen. Schluss mit den unangenehmen Momenten nach dem Baden, in denen man sich mit der einen Hand das Handtuch um die Hüfte schlingt und mit der anderen versucht, das Bikiniunterteil gegen die Unterhose zu tauschen – in ständiger Angst, dass etwas verrutscht oder durch den Schlitz an der Seite blitzt. Seitdem verreise ich grundsätzlich nicht mehr ohne mein Lieblingshandtuch. Auch, wenn ich mit Freundinnen und Freunden am See schwimmen gehe, packe ich es ein. Nicht selten stibitzen sich die anderen den Poncho dann zum Umziehen.
Gelegentlich werde ich von fremden Leuten gefragt, ob ich surfe, wenn ich den Poncho trage. Eigentlich ein netter Nebeneffekt. Teil der Wahrheit ist aber auch, dass meine ersten Surfversuche eher kläglich scheiterten und ich verfroren, frustriert und von den Wellen durchgespült an den Strand kroch. War aber nicht so schlimm – schließlich konnte ich mich danach in meinen Handtuchponcho kuscheln und, vor Wind und Blicken geschützt, mit der Kapuze schief im Gesicht, den Wellen zuschauen. Merle Hubert
Folge 8: Der Toaster
Als Kind hatte ich eine ausgeprägte Vorliebe für ungetoastetes Toastbrot. Mit Brotscheiben, die beim Reinbeißen auch nur im Ansatz knusperten, konnte ich nichts anfangen. Ich liebte das Geschmacklose: Je labbriger, desto besser. Meine Geschwister machten sich deswegen oft über mich lustig, mir war das egal, ich konnte mir auf dieser Welt nichts Besseres vorstellen als Brot, das im Mund sofort zerfällt und das jeden Tag. Mit dem Toaster hatte ich zu diesem Zeitpunkt kaum Berührungspunkte, das Gerät blieb in meiner Anwesenheit meistens kalt.
Das änderte sich, als ich für mein Studium in eine WG zog: Ein Schalter wurde umgelegt. Es ratterte. Und machte dann mit einem Mal Klick. Auch in meinem Kopf.
Dass ich dem von mir lange unterschätzten Toaster nun einen Toast aussprechen möchte, hat viel mit meiner damaligen Wohnsituation zu tun. Mit zwei Freundinnen teilte ich mir eine Wohnung, die sich direkt gegenüber von einem Supermarkt befand. Statt Wocheneinkäufen gab es bei uns Tageseinkäufe; wer für das Abendessen etwas brauchte, ging eben schnell runter und holte es. Mit anderen Worten: Wir wurden bequem.
So kam es nicht selten vor, dass wir am Sonntag vor dem geöffneten Kühlschrank standen und erst einmal peinlich berührt überlegen mussten, was wir aus den Lebensmitteln, die wir aus unseren Tageseinkäufen noch hatten, kochen konnten. Meistens lautete die Antwort »nichts«, und so wurde das durch unseren Gemeinschaftstoaster geröstete Brot mit der Zeit zu so etwas wie unserem klassischen Sonntagsbraten.
Unsere Einkäufe sind mittlerweile geplanter geworden, das Essen gesünder und wir ein Stück weit erwachsener. Getoastetes Brot gehört für mich dennoch bis heute zum Sonntag dazu – aus aromatischen Gründen, nicht mehr aus Mangel an Alternativen, zumindest in den allermeisten Fällen nicht. Der Toaster hat genau eine Aufgabe und die machte er gut: Er gibt jeder halbtrockenen Scheibe Brot eine zweite Chance und uns damit irgendwie auch. Marei Vittinghoff
Folge 7: Die Swatch-Armbanduhr
Dass Handys zum Telefonieren und Uhren zum Kontrollieren der Uhrzeit benutzt werden können, gerät mitunter in Vergessenheit. Wer will schon in ein Telefon sprechen, wenn er in der gleichen Zeit darauf ein paar Nachrichten schreiben, Youtube-Videos und Instagram-Fotos anschauen kann. Und wer braucht die Uhrzeit, wenn er stattdessen die Qualität des eigenen Schlafes, die Anzahl der getätigten Schritte und den Wetterbericht sehen kann. Tja. Ich. Ich möchte auf meiner Uhr ausschließlich die Zeit sehen – Ablenkung habe ich durch das Handy genug. Seit ich die Uhr lesen kann, besitze ich eine Armbanduhr von Swatch. Anfangs eines der kleinen Kindermodelle. Später eine mit kleinem Ziffernblatt, dafür aber doppelt langem neonpinken Armband. Eine der extra-dünnen hatte ich auch mal. Und zuletzt ein simples blaues Modell mit großen weißen Zahlen, Stunden-, Minuten- und Sekundenzeiger. Schritte zählen? Blutdruck messen? Nachrichten empfangen? Kann meine Armbanduhr alles nicht. Sie kann viel mehr.
Sie springt mit mir in den Pool, ohne kaputt zu gehen. Sie nimmt es mir nicht übel, wenn ich sie auch mal wochenlang im Eckl liegen lasse. Ein paar Kratzer, weil meine Kinder sie einen Nachmittag lang trugen und damit die Wände entlangschleiften? Kann sie ab. Wenn das Armband anfängt, sich aufzulösen, bestelle ich ein neues und bin selbst in der Lage, es innerhalb weniger Minuten auszutauschen. Selbst die Batterie lässt sich ohne größere Schwierigkeiten wechseln. Kurz: Meine Swatch verleiht meinem Leben einen Hauch Unkompliziertheit, die es sonst manchmal vermissen lässt. Sie benötigt keine große Sorgfalt oder Fürsorge, kein Ladekabel und keine Schutzfolie. Sie tickt einfach weiter. Unbeirrbar. Sogar ziemlich laut. Wie viele Schritte ich gemacht habe, ist ihr egal. Und dafür bin ich ihr sehr dankbar. Vor allem, wenn ich abends auf dem Sofa sitze und mein Mann gerad seine sechste Runde um den Esstisch dreht, weil ihm seine Smart Watch gerade mitgeteilt hat, dass ihm noch 400 Schritte bis zum Tagesziel fehlen. Maria Sprenger
Folge 6: Das große Wasserglas
Irgendwann fing es an. Die ausgespülten Senf- oder Nussnougat-Gläser meiner Kindheit wurden abgelöst. Von kleinen chicen Wassergläsern. Ich glaube, der Trend ging von diesen teuren, skandinavisch eingerichteten Restaurants mit den hellen Holztischen und den graublauen Filzkissen auf den hölzernen Sitzbänken aus. Sie stellten als Erste die flachen Schälchen zum Trinken auf den Tisch. Sowas wie eine Petrischale mit hochgezogenen Seitenwänden. Nur eben nicht besonders hochgezogen. Plötzlich gab es diese Gläser überall zu kaufen, plötzlich standen sie oft bei Freunden auf den Tischen. Gläser, aus denen man keine vier vollen Schlucke machen kann, weil sie bei Schluck drei schon wieder leer sind. Fühlt sich an wie Schwimmbewegungen abbrechen, weil der Pool zu klein ist.
Nun könnte man vom Glas gleich auf die Flasche ausweichen, wenn man gerne Wasser trinkt. Aber für einen gedeckten Tisch sind sie nichts. Und selbst auf dem Schreibtisch sehen sie immer so nach Aufbruch aus, nicht gemütlich. Außerdem riechen Plastikflaschen oft nach dem Vorgängergetränk oder dem Spültab. Glasflaschen sind besser, aber zwingen zum gespitzten Trinkmund. Tassen sind so wuchtig an den Lippen. Bierkrüge aus Glas sind zu schwer. Das dünne Glas ist einfach das beste Trinkgefäß; es riecht neutral, bleibt kühl, lässt Mund und Nase Platz.
Und das einzige, was einen davon abhält, das Problem zu lösen, ist diese merkwürdige Nahraum-Ergebenheit. Während Spezialausrüstung wie die perfekten Schwimmflossen für vier Einsätze im Jahr ständig auf dem Prüfstand stehen, lebt man jahrelang mit zu kleinen Gläsern, zu brüchigen Gardinenstangen, zu kurzen Ladekabeln oder halbkaputten Fernbedienungen. Die Lösung liegt unsagbar nahe: Wassergläser, die einen halben Liter fassen und trotzdem keine Humpen mit Halter sind – gibt es inzwischen wieder von Kik bis HAY. Manchmal sind es eben die großen Dinge. Lara Fritzsche
Folge 5: Der Tangle Teezer
In der Grundschule wollte ich Sandy von den No Angels sein. Sandy hatte blaue Augen und platinblonde, glatte Haare. Ich hatte seit jeher einen praktischen Kurzhaarschnitt, den ich langsam rauswachsen ließ. Was da entstand, hatte aber mit Sandys Haar so gar nichts zu tun. In den folgenden Jahren beschäftigten mich abgebrochene Spitzen, verknotete Haarenden, ungewollte Dreadlocks und entsetzte Friseurinnen. Ein Zitat ist mir besonders im Kopf geblieben: »Meine (Pause) liebe (Pause) Kundin. Wie siehts bei (übertriebene Betonung) Ihnen denn mit der Pflege aus?«. Mein sowieso fragiles siebzehnjähriges Selbstbewusstsein traf das hart.
Anfang 20 ließ ich mir die Haare also wieder abschneiden und die eine Seite gleich abrasieren. Mittlerweile wusste ich, welche Spülungen alle nichts gebracht hatten, und hatte als Sozialwissenschafts-Studentin kapiert, dass ich meinen Traum von Sandys Haar und mein Leiden an meinem eigenen auch der Gesellschaft zu verdanken hatte, in der ich aufgewachsen war. Sandy stand auf fast allen Fotos in der Mitte. Auch meine Grundschulfreundinnen fanden von den fünf No Angels ausnahmslos sie am Tollsten. Dass es gleich mehrere Bandmitgliederinnen mit Locken gab, war im Deutschland der frühen 2000er ungewöhnlich. Über Menschen mit Haaren wie meinen wurden in meiner Kindheit und Pubertät vor allem Debatten geführt, ob sie zu Deutschland gehören könnten und überhaupt integrationsfähig seien, wenn sie nicht gleich wie in Mölln 1992 oder Solingen 1993 Opfer rechtsextremer Anschläge wurden.
Mit meinen kurzen Locken handelte ich mir Momo als neuen Spitznamen ein. Ansonsten war diese Frisur jahrelang eine Erfolgsgeschichte, bis ich Paterson von Jim Jarmush im Kino sah. Golshifteh Farahani, sowieso wunderschön, in der Hauptrolle mit langen, lockigen, glänzenden, schwarzen Haaren. Könnten meine Haare so aussehen? Ich ließ sie wieder wachsen, die Spitzen brachen wieder ab, die Enden verknoteten sich, sogar die Blicke der Friseure in Hamburg ähnelten denen in der schwäbischen Kleinstadt. Aber mittlerweile gab es Youtube.
Ich schaute viele Minuten Videos von Lockeninfluencerinnen und lernte: Niemals trocken kämmen. Selten waschen. Jede Woche Haarkur. Mit zusammengebundenen Haaren oder noch besser einer Satinmütze schlafen. Manche Maßnahmen kosteten zu viel Geld oder Zeit oder beides, aber eine war preiswert und effektiv: In einem Video lernte ich den Tangle Teezer kennen, eine Bürste mit langen, dünnen, weichen Plastikspitzen, die es in den meisten Drogerien gibt. Unauflösbare Knoten und abbrechende Spitzen beschäftigen mich beim Kämmen seither nicht mehr. Wie die von Golshifteh Farahani sehen meine Haare immer noch nicht aus. Aber mit Sandy würde ich um keinen Preis der Welt mehr tauschen. Susan Djahangard
Folge 4: Die Taschenlampe
Drei gute Gründe für den Kauf einer hochwertigen Taschenlampe: Ich gehe mit meinem Hund oft abends im Dunkeln spazieren, ich schaue zu viel »Aktenzeichen XY… ungelöst« und ich hatte 2021 eine unheimliche Begegnung mit einem Phantom. Zusammengefasst habe ich mir eine ordentliche Taschenlampe gekauft, weil ich im Dunkeln ein kleiner Schisser bin.
Die LED-Lampe leuchtet mit bis zu 700 Lumen jede düstere Ecke taghell aus, aus bis zu 300 Meter Entfernung. Die 42 Zentimeter lange Taschenlampe liegt dank Alugehäuse recht massiv in der Hand, notfalls könnte man Verbrecher damit verkloppen, hoffe ich. Zudem hat meine Lampe eine Art Selbstverteidigungsfunktion, im aktivierbaren Stroboskop-Modus blendet sie andere mit Lichtblitzen.
Ob die Lampe gegen Phantome hilft, weiß ich nicht. Und damit zur Grusel-Anekdote: Ich lief eines Abends Ende November 2021 mit einem Freund und dessen Hund am See-Ufer entlang, es war neblig, die Wege unbeleuchtet. Wir bemerkten eine Gestalt, die uns in Schwarz gekleidet in einigem Abstand folgte. Immer wenn wir uns umdrehten, stand sie regungslos da. Man konnte seltsamerweise nie ein Gesicht erkennen. »Creepy Typ«, meinte mein Freund. Als wir bei seinem Haus ankamen und uns noch mal umdrehten, stand die dunkle Gestalt wieder so seltsam reglos in der Ferne. Wir blickten uns an, blickten wieder zur Gestalt – die urplötzlich verschwunden war. Ich verabschiedete mich scherzend (»Du erbst meinen Hund, wenn ich gleich ermordet werde.«) und lief alleine weiter – auf dem Heimweg kam bei mir der große Wunsch auf, sehr bald eine gute Taschenlampe zu besitzen.
Der Akku hält übrigens bis zu 24 Stunden, ich lade sie gerne auf, wenn ich »Aktenzeichen XY… ungelöst« sehe, fürs Gassigehen danach. Die Lampe ist zugleich eine Powerbank, an der man ein Handy zwar nicht groß aufladen kann, aber es reicht, dass der Akku nicht leerer wird. Fürs Sicherer Fühlen ist also einiges getan. Marc Baumann
Folge 3: Der aufblasbare Pilatesball
Um die Liebe zu meinem aufblasbaren Pilatesball zu erklären, muss ich kurz ausholen: Wir sind eine vierköpfige Familie, zwei Erwachsene, zwei Kinder, und aus pragmatischen Gründen (ein Aufgabegepäck kostet oft fast so viel wie ein ganzer Flug) haben wir beschlossen, dass wir nur noch mit einem großen Koffer reisen, egal, ob wir drei Tage oder drei Wochen unterwegs sind. Jedes Familienmitglied bekommt ein Viertel Kofferinhalt Platz für Klamotten und Kulturbeutel, dazu nehmen wir einen Rucksack für Bücher und Spielzeug und einen für wichtige Dinge wie Medikamente, Reisepässe und Ladekabel mit.
Warum das Reisen mit kleinem Gepäck sehr zu empfehlen ist, gehört in einen eigenen Text, doch diese Platzbeschränkung hängt eng mit meiner Pilatesball-Liebe zusammen. Weil wir selten in Hotels mit Fitnessbereich einchecken, ich aber schlechte Laune und Rückenschmerzen bekomme, wenn ich mich zu wenig bewege, nehme ich meinen kleinen blauen Ball überall mit hin. Lässt man die Luft raus, ist er so kompakt wie ein Sockenbündel. Aufgeblasen so groß wie ein Volleyball, ersetzt er für mich ein Fitnessstudio: Ich benutze ihn als eine Art Wackelboard für Füße, Hände oder Knie, um das Gleichgewicht zu schulen und die tieferliegenden Muskelgruppen zu erreichen, klemme ihn zwischen die Oberschenkel oder Handflächen, um gegen seinen Widerstand zu arbeiten, lehne mich für spezielle Sit-ups an ihn an, oder kreise damit um meinen Rumpf für mehr Beweglichkeit.
Um das Unterwegs-Workout zu komplettieren, braucht es dann eigentlich nur noch zwei Wasserflaschen als Kurzhanteln und eine Feinstrumpfhose als Gummibandersatz (falls Sie das alles verwirrend oder schwer vorstellbar finden, schreiben Sie mir gern, dann verrate ich Details). Und wenn ich dann noch ein bisschen Ausdauertraining machen möchte, spiele ich eine Runde Fuß- oder Wasserball mit meinen Kindern.
Der Haken an dem Konzept ist allerdings auch schnell erklärt: Weil wir nur diesen einen Ball für alle dabeihaben, kommt es immer wieder vor, dass er gerade anderweitig belegt ist. Und nachdem mit ihm neulich auf einem Platz mitten in Genua ein deutsch-italienisches Nachwuchs-Fußballturnier ausgetragen worden war, musste ich ihn erstmal mit unter die Dusche nehmen. Sara Peschke
Folge 2: Das Taschenmesser
Ich wollte nie Superman sein. Ständig in irgendwelchen Telefonzellen die Klamotten wechseln, jessas! Zum Glück muss ich das in meinem Beruf nie. Aber wenn ich mein kleines Taschenmesser dabei habe, fühle ich mich immerhin ein bisschen, als hätte ich geheime Superkräfte. Es ist so ein Mini-Modell, hat gar nicht so viele Funktionen – aber mit ein paar Tricks auf Superman-Niveau. Ich weiß nicht mehr, wie lang ich es schon besitze, zehn Jahre, fünfzehn Jahre vielleicht. Da ist erstmal, ganz klassisch, die kleine Klinge, die reicht, um Obststücke zu schneiden. Eine Nagelfeile, an der ich vor allem das Schraubenzieher-Ende Gold wert finde, für Lampen, Batteriefächer, Regalbretter, alles, was so anfällt. Im Griff steckt eine herausnehmbare Pinzette – die schon oft Kinderhände von fiesen Splittern und Stacheln befreit hat. Und ab da gehts in die Superman-Liga: ebenfalls im Griff, ausfahrbar, eine winzige Kugelschreibermiene. Wenn man am anderen Ende die Feile ausklappt, hat man insgesamt einen erstaunlich griffigen Stift in der Hand. Wie oft der mich schon gerettet hat, wenn ich unterwegs was notieren musste! Schon bis hierhin würde ich sagen, Supermesser. Aber dann klappe ich noch den USB-Stick aus, 32 Gigabyte. Welche Unmengen von Daten dieser Stick schon transportiert hat! Unterlagen, Fotos, Recherchematerial, Musik, Filme, im Grunde alles, was sich irgendwie digital speichern lässt. Dank meinem Supermanmesser herrlich unabhängig von allen Clouds und WeTransfers und ihren Datenklau-Gefahren. Ich will nicht übertreiben, aber: Wenn ich mein Taschenmesser dabei habe, fühle ich mich für alles gewappnet. Ist es fürchterlich nerdig, sich über ein Multifunktions-Taschenmesser mit USB-Stick zu freuen? Absolut. Aber hey, es gibt sogar Nerds, die ziehen sich in Telefonzellen um und retten die Welt. Max Fellmann
Folge 1: Die Macchinetta
Die Leute meinen ja, es braucht eine Siebträgermaschine für einen richtig guten Cappuccino, für einen Espresso natürlich erst recht, ohne goldbraune Crema geht es nicht. Was früher Cafés von Wohnküchen unterschied, war die Kaffeemaschine. Heute steht bei vielen Zuhause ebenfalls ein silber-metallic glänzendes Familienmitglied. Es geht nur damit, oder?
Ich habe eine kleine Anekdote aus dem Land des guten Espresso: Italien. Ich kenne dort ein Café, da bekomme ich verlässlich einen richtig guten Cappuccino, die Milch ist cremig, das Verhältnis Milch zu Kaffee perfekt, der Kaffee nicht zu heiß, aber eben auch nicht lauwarm. In dem Café steht eine sehr große, sehr beeindruckende Siebträgermaschine, denn es werden dort jeden Tag sehr viele Kaffees getrunken, und der Mann, der den Kaffee dort macht, tut das seit 30 Jahren. Es kann aber passieren, dass er mal auf Toilette muss und sein Bruder den Kaffee macht, und dann kommt aus demselben Gerät, aus den gleichen Kaffeebohnen und aus der gleichen Milch eine fast ungenießbare Plörre heraus. Das erzähle ich, weil ein guter Cappuccino von vielen Faktoren abhängt, und eine Siebträgermaschine noch lange keine Garantie für einen guten Cappuccino ist.
Das ist die Vorrede zu meiner Langzeitliebe: es ist eine Macchinetta. Eine kleine Espressomaschine, die aufgeschraubt wird, mit Kaffeepulver befüllt und dann auf der Herdplatte Kaffee kocht. Sie kostet 10 bis 30 Euro und wird mit den Jahren immer besser. Nämlich dann, wenn Sieb, Dichtungsgummi, und jede Stelle Edelstahl vom Kaffee durchdrungen wurde und längst selbst nach Kaffee riecht und schmeckt.
Klar, auch meine kleine Espressomaschine kann zicken, dann habe ich sie vielleicht nicht fest genug zugeschraubt oder das Wasser war nicht ganz kalt oder sie hat einfach so einen schlechten Tag. Aber meistens schmeckt er so gut, dass ich innerlich kurz seufze vor Glück, die kleine Maschine anschaue und denke, Du hast mir den Tagesbeginn gerettet, you made my day, wieder einmal. Gabriela Herpell