Die Illustratorin Tara Booth lässt es lustig aussehen und meint es bitterernst. Erbarmungslos treffend zeichnet sie Missgeschicke aus ihrem Alltag nach und zeigt, wie scheinbar routinierte Abläufe in Nullkommanix im Desaster enden können. Dieses kleine Scheitern zu zeichnen helfe ihr, all ihre großen Versagensängste auszuhalten, erzählt die 35-Jährige im Interview. »Meine Eltern haben mir oft das Gefühl gegeben, nicht so richtig passend zu sein, zu laut, zu hungrig, zu viel. Ich erinnere mich, mit großem Schamgefühl aufgewachsen zu sein.«
Ihre Illustrationen spüren diesem Gefühl nach, oder besser: diesem Gefühlsknäuel. Denn in Booths Zeichnungen mischen sich Peinlichkeit und Ausgeliefertsein mit dem ungläubigen Staunen über die eigene Doofheit. Komisch ist das, bunt und ausgelassen, trotzdem macht es seltsam beklommen.
Scheitern gilt als Tabu der Moderne. Schon klar, warum. Im Westen zumindest lebt man eingehüllt in dem Versprechen, alles haben zu können: den sozialen Aufstieg, das gesunde Baby, die faltenfreie Stirn, den dünnen Körper, das eigene Haus. Schließlich wird zum Mars geflogen, für alle Träume gibt es Kredite, »alle 11 Minuten verliebt sich ein Single über Parship«, es gibt Ozempic, Botox und künstliche Befruchtung. Wer in dieser Welt kein Glück hat, hat sich wohl dagegen entschieden. Misserfolg ist peinlich geworden, wird längst mehr als ein persönliches Versagen wahrgenommen denn als eine Folge von Ungerechtigkeit.
Verteidiger des Fehlschlags feiern ihn als Chance. Faktisch stimmt das: Wer scheitert, fügt der Welt eine neue Option hinzu. Außerdem, so analysierte es der deutsch-schweizerische Philosoph Karl Jaspers, sei es eine Daseinserdung mit Reifungsmöglichkeit. Nur: Was, wenn man auch das nicht hinkriegt? Schon gescheitert und dann noch nicht mal draus gelernt. Es bleibt ein ärgerliches Themenfeld. Zumal das Falschmachen ja auch noch dreischrittig daherkommt. Die kleinste Einheit ist der Fehler. Mehrere zusammenhängende Fehler werden zum Misserfolg. Und ein Misserfolg, der permanent und abgeschlossen ist – das ist ein Scheitern.
Tara Booth hat das Gefühl, auch schon an diesem Endpunkt der Schritte gewesen zu sein. In ihren Zwanzigern habe sie viel gefeiert, viel getrunken. »Irgendwann habe ich gemerkt, dass die anderen mit dem Alkohol aufhören können und ich nicht.« Inzwischen ist Booth seit sechs Jahren trocken. »Ich hatte absolut nichts zu verlieren, als ich anfing, ich selbst zu sein. Und mich so zu zeichnen, wie ich mich fühle.« Aus ihrem Scheitern wird ein aktives Resignieren, ein Umdeuten der Misserfolge in eine neue Lebensidee: ihr Leiden zeigen, Antihelden zeichnen, Unbeholfenheit und Fehler sichtbar machen. Ihre Comics sind ein großer Erfolg geworden.
Vielleicht ist es so: Wenn es ohnehin kein Dasein ohne Scheitern gibt, sollte man dann nicht wenigstens an dem Leben scheitern, das man sich wünscht?