Was für eine wunderbare Antwort, wenn sie von staatlicher Stelle kommt: »Das Ministerium hat keine Sachkenntnis hinsichtlich Ufos, fliegender Untertassen oder der Existenz außerirdischer Lebensformen, steht all dem jedoch völlig aufgeschlossen gegenüber.« Und was für eine Grazie man aufbringen muss, um das in einem Satz zu vereinen: die Bürokratie eines ministerialen Büros und die Möglichkeit eines Aliens-Besuchs. Den man qua Jobbeschreibung nicht ausschließen darf – zumindest nicht, wenn man das Ufo-Büro des britischen Verteidigungsministeriums ist und auf Anfragen zu reagieren hat, etwa von interessierten Bürgern oder Reportern.
Die Gründung dieses Büros geht auf Winston Churchill zurück, der 1952 von seinen Leuten eine plausible Antwort auf die vielen gemeldeten Himmelsphänomene erwartete, die in der amerikanischen Öffentlichkeit diskutiert wurden: seltsame Lichter und unbekannte Objekte über der Stadt Washington. Präsident Truman und die CIA waren alarmiert, und Churchill fuhr nun auf der anderen Seite des Atlantiks seine Leute an: »Was heißt das jetzt? Was ist die Wahrheit?« So bekam Großbritannien 1953 ein Ufo-Büro.
In London lief fortan zusammen, was britische Bürger nachts so am Himmel beobachteten und dann dem Staat zur Verfügung stellten, indem sie Berichte und Skizzen davon an die Royal Air Force schickten, in der örtlichen Polizeistation abgaben oder ihrem Klassenlehrer hinlegten. Mehr als 11 000 gemeldete Sichtungen, und jedes Mal die gleiche Frage, die es von den Mitarbeitern des Ufo-Büros zu beantworten galt: Kann es sich hier um außerirdisches Leben handeln, das der Menschheit einen Besuch abstattet, oder eher nicht?
Im Ufo-Büro selbst ging es zu wie überall, wo Papier aufläuft. Man trägt den Inhalt des Posteingangs zum Schreibtisch, breitet ihn aus, kontrolliert alles und belehrt dann jemanden über das Ergebnis. Im Fall des Ufo-Büros wurden Ort und Zeitpunkt der angeblichen Sichtung geprüft, um den engagierten Zeichnern dann freundlich zurückzuschreiben, was sich wirklich an dem Abend in ihrer Nähe abgespielt hatte: Meteoritenregen, bestenfalls. Meistens: Stromausfall.
Danach wanderten die Papiere ins Archiv. Erst nach der Schließung der Einheit 2009 – das Ufo-Büro existierte tatsächlich fast sechzig Jahre lang – wurden die Akten nach und nach veröffentlicht.
Zu bedauern ist die Schließung des Ufo-Büros vor allem, weil man auch ganz ohne Verschwörungstheorien davon ausgehen kann, dass dort eine besondere Sorte Mensch tätig war. Die Mitarbeiter müssen ja, obwohl sehr sachlich, auch in gleicher Weise vorurteilslos gewesen sein. Akribisch und streng wie Behörden, schließlich ging es um Steuergelder, die die Einheit S6, später auch S4 des Verteidigungsministeriums da ausgaben. Ein bisschen missmutig, denn die Tage waren lang und die Bürger aufgedreht und ängstlich wegen ihrer Sichtung. Da musste man streng bleiben. So schrieb eine Ufo-Büro-Mitarbeiterin einem Augenzeugen, der eine aufwändig kolorierte Zeichnung eingesandt hatte, seine Erkenntnisse seien für das Ministerium der Verteidigung leider nicht von Belang. Besten Dank, aber Tschüss. Das ist der Ton, in dem man auch von der Stadtbücherei erfährt, dass man noch seine DVDs zurückbringen muss.
Diesen Ton hatte schon 1958 der erste Leiter des Ufo-Büros etabliert, David West. Vor allem auf Fragen, was denn da genau passiere in ihren Räumen an der Ecke Northumberland Avenue und Whitehall, sollten seine Angestellten »politely unhelpful« – ausgesprochen höflich, aber möglichst »unbehilflich« –, antworten.
Und trotzdem: Gleichzeitig musste es ja in dem bürokratischen Ufo-Büro-Mitarbeiter-Kopf eine Art Einschlagskrater geben. Denn sie mussten das Unglaubliche, das Aberwitzige immer für möglich halten – von Amts wegen.