Happy Birthday to me!

Schluss mit der Geburtstagsbescheidenheit. Wenigstens an einem Tag im Jahr sollten wir den wichtigsten Menschen in unserem Leben feiern – so wie es Christian Lindner kürzlich vorgemacht hat.

Wie schön, dass ich geboren bin – Lebensfreude im Konfettiregen.

Foto: Asife/photocase.de

Von Christian Lindner lernen, heißt lieben lernen. Und zwar zu allererst sich selbst. Als der FDP-Vorsitzende vor einigen Tagen vierzig Jahre alt wurde, gratulierte er sich auf seinen Social-Media-Kanälen ausgiebig und überschwänglich selbst zum Geburtstag. Gut, das ist nicht ganz korrekt, in Wahrheit war es das »Team Lindner«, also die von Christian Lindner offenbar beschäftigen Social-Media-Beauftragten, die ihrem Chef da gratulierten. Aber eben auf seinem eigenen Account, unter seinem Foto und sicherlich mit seiner Billigung. Und da Christian Lindner sich auch sonst gern als Gottes Geschenk an den Politikbetrieb inszeniert, ihm eine solche Eitelkeit also locker zuzutrauen ist, sah es für die meisten Beobachter so aus wie der Gipfel der Selbstdarstellung – eine Lobeshymne aufs eigene Ich, formuliert in der dritten Person. Unter dem vom »Team Lindner« noch extra erfundenen Hashtag #happybirthdayCL hagelte es jedenfalls deutlich mehr Häme als Glückwünsche. Social-Media-Kompetenz – ein schwieriges Thema.

Dabei könnten wir alle von Christian Linder eine wesentliche Sache lernen: Unsere Geburtstage wieder wichtig zu nehmen. Wie eine Seuche geht mit zunehmendem Alter die Geburtstagsbescheidenheit um. Geburtstage sollen bitte möglichst ignoriert werden, nein, bitte, bloß keine Umstände, es reichen ein paar schnelle Facebook-Glückwünsche und gefeiert wird höchstens bei Kaffee und Kuchen mit dem Teil der Verwandtschaft, dem man sich nicht entziehen kann. Wie eine große Zumutung und Peinlichkeit wird der Umstand behandelt, dass man wieder ein Jahr älter geworden ist. Dabei ist der Geburtstag wirklich ein mehr als würdiger Anlass für ein Fest, und zwar mit den Menschen, die einem am liebsten sind. Dass man älter wird, ist schließlich ein Privileg, das nicht jedem gegeben ist.

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Die meisten von uns neigen – anders als Christian Lindner – nicht dazu, sich 365 Tage im Jahr besonders toll zu finden, da sollte es erste Bürger*innenpflicht sein, sich wenigstens am eigenen Geburtstag schamlos hochleben zu lassen. Für einen Tag muss das allgemeine Zurückhaltungsgebot aufgehoben werden, es sollte üblich sein, auch als erwachsener Mensch diesem Ereignis mit kindlicher Vorfreude und Aufregung entgegenzusehen und sich dann wie eine Königin oder ein König zu fühlen. Und auch so behandelt zu werden. An diesem Tag sollte jedem Menschen, egal welchen Alters, ein vielstimmiges »Wie schön, dass Du geboren bist!« entgegenschallen.

Auch für alle, die nicht Geburtstag haben, ist es toll, wenn jemand anderes sich dazu durchringt, eine Party zu schmeißen. Erstens, weil spätestens mit der Familiengründung die Gelegenheiten radikal abnehmen, sich bei schummrigem Licht und vor Mitternacht zu guter Musik zu bewegen. Zweitens, weil es schön ist, seinen Freunden zeigen zu können, wie gern man sie hat. Gerade denen, die sonst lieber nicht im Mittelpunkt stehen. Klar, man könnte seinen Liebsten natürlich auch an jedem anderen Tag Geschenke besorgen, sie mit Konfetti beregnen und in Klappkarten schreiben, wie lieb man sie hat. Aber es ist doch für alle einfacher, wenn es dafür einen Rahmen gibt, der genau so etwas vorsieht. Und wer hat als Erwachsener schon jemals ernsthaft bereut, seinen Geburtstag gefeiert zu haben? Vorher hat kaum jemand so richtig Lust auf den ganzen Aufwand, aber hinterher zehrt man doch noch lang davon, wie toll es war. Und alles was schief gelaufen ist – Abstürze, Exzesse, Prügeleien mit dem DJ, fremdknutschende Nachbarn – bilden ein schönes Repertoire an Anekdoten, das im besten Fall bis zum nächsten Geburtstagsfest reicht.

Aber auch Menschen, die nun so gar nicht in Feierlaune sind oder grundsätzlich keine Leute um sich haben mögen, können sich an ihrem Ehrentag an Christian Lindner orientieren. Und sich dann einfach selbst beschenken, vielleicht mit einem tollen Fotoshooting. Ein paar Schwarz-weiß-Porträts, die einen jung und visionär erscheinen lassen und auf denen man sich selbst mal wieder richtig sexy findet. Oder sie bezahlen ein paar Social-Media-Profis für die ultimative Lobhudelei auf Facebook, Twitter und Instagram, inklusive Geburtstagshashtag #happybirthdaytome.