Luftfahrzeug

Warum hängen sich Hotels neuerdings Retro-Rennräder an die Decken?

Die Art, wie wir uns fortbewegen, erzählt ja eine Menge über uns. Wer ein Hybridauto fährt wie den Toyota Prius, sagt: Ich kümmere mich um die Umwelt. Wer ein Fahrrad fährt, sagt: Ich kümmere mich wirklich um die Umwelt. Wer auf ein Retro-Rennrad steigt, sagt: Ich bin kümmere mich wirklich um die Umwelt und bin obendrein hip. Was aber will man uns sagen, wenn neuerdings in Hotellobbys Retro-Rennräder von den Decken hängen?

Natürlich nicht in den Lobbys von Traditionshäusern wie dem »Vier Jahreszeiten« in Hamburg oder dem »Adlon« in Berlin, sondern in jenen, die ihren Gästen zeigen wollen: Wir sind jung, locker, urban und anders; bei uns sieht es im Prinzip aus wie bei dir zu Hause, nur hatte unser Interior-Designer mehr Geld. Außerdem haben wir eine Lobby, die ist wild und bunt eingerichtet, und einen Treffpunkt, zugleich Bar, Restaurant und Aufenthaltsraum mit WLAN-Netz, in dem man auch Bücher, Tassen, Thermosflaschen oder originelles Kinderspielzeug kaufen kann. Manchmal lehnt da ein Surfbrett an der Wand – und immer hängt ein Retro-Rad von der Decke.

Im »Hotel Daniel« in Wien zum Beispiel oder in allen Hotels der 25hours-Kette, also in Zürich, Wien, Frankfurt, Hamburg, Berlin. Auf Rennräder setzen auch viele der 150 »Moxy«-Hotels, die Ikea zusammen mit der Marriott-Kette in den kommenden zehn Jahren in Europa eröffnen will. In einem Video bei Youtube sieht man, wie dort nicht nur Rennräder hängen, sondern auch Poster mit Rennrädern. Diese Hotels wenden sich offiziell an »die nächste Generation von Reisenden – nicht nur die Generation X und Y«, erklärt Arne Sorenson, CEO der Marriott-Kette, »sondern auch Junggebliebene mit junger Einstellung, für die moderner Schick absolutes Muss ist«. Wer jung sein will, muss also auf alt machen.

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Sonst könnten ja auch fabrikneue Apple-Computer in den Hotels hängen. Andererseits: Die wären nicht so groß und auffällig wie Rennräder, außerdem bringen die Gäste ja genau diese Rechner ohnehin mit. Aber wer kommt schon mit dem Rad ins Hotel? Das steht ja in der Regel zu Hause herum: Seit den Neunzigerjahren sind wir Räder in Wohnungen gewohnt. Damals kauften viele Leute plötzlich sehr teure Räder, und weil in der Großstadt kaum einer eine Garage hat, die Räder aber nicht gestohlen werden sollten, wurden sie in die Wohnungen getragen. Und wer Räder in der Wohnung hat, findet es nicht nur normal, wenn sie jetzt im Hotel baumeln – er erwartet es sogar. Dass die nicht fahren, macht nichts. Inzwischen gibt es auch Fahrräder, die können gar nicht fahren, die sind Objekte, die man sich in die Wohnung stellt wie andere eine Skulptur. Die werden auch nicht mehr verkauft, die werden kuratiert.

Illustration: Rami Niemi