Ich saß früher mal einem Kollegen gegenüber, den ich jeden Tag gegen 17 Uhr erwürgen wollte. Er war ein netter Kerl, aber er hieß Schächtele und buchstabierte seinen Namen am Telefon immer mit den Worten »Schächtele, wie die Schachtel, nur kleiner«. Wenn man das jeden Tag 50-mal hintereinander hört, ist man reif für einen Mord. Aber es hilft ja nichts, vor dem Problem von Herrn Schächtele stehen die meisten von uns, Tag für Tag: Wer nicht gerade Schneider oder Müller heißt, muss anderen am Telefon die Schreibweise seines Namens klarmachen. Und denkt sich dafür kleine Merksätze aus. Wenn alles gut geht, helfen sie.
Mein Exkollege Gerald Selch sagt: »Großes S, kleiner Elch.« Herr Langmann versucht es mit »Lang wie kurz, Mann wie Frau«. Der Mitschüler eines Kollegen kassierte mal einen Verweis für »Ströhle – wie Stroh mit kleinem ö« (der Lehrer dachte, er wolle ihn provozieren). Der Autor Peter Wenig beschreibt seinen ungewöhnlichen Nachnamen mit »Wenig wie viel«. Die Kollegin Ariane Stürmer sagt: »Wie die Rakete und der Fußballer.«
Rakete und Fußballer, da wird das Problem schon klar: Je elaborierter die Merksätze, desto schwieriger das Merken. Die Frau, die den Namen Wannenmacher als »Wannenmacher wie Beckenbauer« erläuterte, erntete regelmäßig Ratlosigkeit. Der Lehrer Engelhart, der stets dazusagte »wie teufelsweich«, wurde von seinen Schülern natürlich einfach nur doof gefunden. Und wenn man es zu anspruchsvoll versucht, ist sowieso alles vorbei. Eine Bekannte von mir versucht es manchmal mit »Werther – wie die Leiden des jungen …«. Funktioniert selten. Und manche setzen auf einen Herrenwitz als Zugabe – wie der Firmenchef Meier: »Großes M, kleine Eier, aber die hart wie Kruppstahl!« Nun ja.
Der Namens-Merksatz ist mehr als nur eine Eselsbrücke, er ist eine gesprochene Visitenkarte. Wer einen smarten oder charmanten oder derben Satz parat hat, macht gleich klar, was er für ein Mensch ist, er setzt ein Zeichen, er bleibt in Erinnerung. Ein Name allein verrät mir ja erst mal rein gar nichts über seinen Träger. Meier heißt jeder Zweite. Aber wenn ich am Telefon was von »Eiern« und »Kruppstahl« höre, weiß ich mehr als genug.
Arm dran sind nur die, deren Namen ihnen keine Chance lässt. Meiner alten Freundin Frau Sulejmanpasic bleibt nichts übrig als zu buchstabieren. Immerhin, dann weiß ihr Gegenüber die Schreibweise – schließlich muss man dankbar sein, wenn man mit seinem Namen überhaupt durchkommt. Mein Bekannter Claudio Casanova buchstabiert nie und sagt auch keine Merksätze auf, er hat bei der Kinokarten-Reservierung zu oft zu hören gekriegt »Ha ha, sehr witzig, Casanova« – klick. Er reserviert seit Jahren auf »Heinz Müller«.
Video: Wir haben für diesen Film die SZ-Magazin-Redaktion gefragt: Wie buchstabiert die Moderedakteurin ihren arabischen Namen? Welche Hänseleien musste der Chefredakteur als Kind aushalten?
Illustration: Rami Niemi