Wie seltsam: Man betritt einen fremden Raum, lässt sich in einen Sessel fallen oder auf eine Liege, vertraut einem Menschen, den man kaum kennt, Dinge an, über die man nicht mit seinen engsten Freunden spräche, und hofft, durch die Kraft der Worte geheilt zu werden. Was ist das für ein Raum?
Der Fotograf Moritz Schorpp hat die Orte porträtiert, an denen dieses Wunder geschehen soll. Die auf den Bildern menschenleeren Therapiezimmer wirken unbestimmt, ohne klare Funktion, fast unheimlich: Was geschieht hier eigentlich?
An der Wende zum 20. Jahrhundert machte Sigmund Freud eine der folgenreichsten Entdeckungen unserer Zeit populär: das Unbewusste. Das Ich, befand Freud, ist nicht Herr im eigenen Haus: Ängste, Begierden, Quälgeister und Dämonen der Vergangenheit treiben ihr Unwesen. Unter fachkundiger Anleitung könne man die verschlossenen Türen zum Verdrängten öffnen und lernen, mit den ungebetenen Gästen besser auszukommen. Dieses Denken hat die Welt erobert. Es hat uns zu geschulten Beobachtern gemacht, die wissen, was jemanden »triggert« oder »blockiert« und woran man selbst »arbeiten« muss. Längst sprechen wir die vermeintliche Sprache der Therapie auch in der Kaffeeküche und in Instagram-Stories. Und doch bleibt der ursprüngliche Ort, das Sprechzimmer, unverzichtbar. Die Zahl der Therapeutinnen und Coaches steigt und steigt – und trotzdem wartet man in Deutschland oft Monate auf einen Therapieplatz.
Sigmund Freud hatte sein Sprechzimmer schwelgerisch dekoriert: mit Teppichen, Büchern, Bildern, Skulpturen. Auf der berühmten Couch stapelten sich die Kissen. Sein Sohn Ernst, ein Architekt, entwarf später karge, nüchterne Therapieräume. Nichts sollte wohl den Patienten ablenken. Die Zimmer, die Moritz Schorpp auf seiner Deutschlandreise gefunden hat, scheinen zwischen diesen Polen zu liegen. Sie wirken nicht wie private Räume, haben aber auch nichts von der kalten Standardästhetik etwa einer Orthopädie- oder Zahnarztpraxis. Es sind diffuse Zwischenorte. Und das passt gut zur Psychotherapie, die sich mit eher vagen Gefühlen und Gedanken beschäftigt.
Die Therapeutinnen und Therapeuten, die Schorpp eingelassen haben, waren offenbar bemüht, ihren Zimmern eine persönliche Note zu geben. Vielleicht, um sich selbst als geschmackvoll oder interessant zu inszenieren. Vermutlich aber auch, um einen Rückzugsraum für ihre Patienten zu schaffen, in dem diese sich beschützt fühlen – und vielleicht auch inspiriert. So bauen sie mal mit sicherer, mal mit ungeschickterer Hand die Bühne, auf der sich das Drama und die Komödie unserer Seelenerkundung abspielt. Jakob Schrenk









