Zum Wohle der Gesellschaft

Beruf Spaßbremse: Damir Fister hat als Türsteher des Münchner "P1" zehn Jahre lang bestimmt, wer reinkommt. Jetzt erzählt er von seiner Zeit in Deutschlands ehemals bekanntester Diskothek.

Du musst draußen bleiben

Zwei heiße Hasen durften immer ins »P1«, einen scheiß Typ mit zwei heißen Hasen ließ ich auch noch rein, aber zwei scheiß Typen mit einem heißen Hasen, das ging nicht. + + + + Erstaunlich, wie viele Frauen einfach ohne ihren Freund ins »P1« gingen, wenn der Mann nicht reinkam. Ein Abschiedskuss, und Tschüss. + + + + Auch beste Freunde, Geschäftspartner und sogar Zwillinge haben sich am Eingang getrennt – einer rein, der andere heim. + + + + Nur schlechte Türsteher lassen alle ihre Freunde in den Club. Wenn sie nicht zur Türpolitik (berühmt, ausgeflippt und/oder reich) passten, hab ich auch früheren Mitschülern, Nachbarn, Jungs aus dem Fußballverein und Freundinnen meiner Frau den Zutritt ins »P1« verwehrt. Männer mit Geld

Ein arabischer Scheich im Club war besser als Weihnachten: Da bekam jeder Türsteher zur Begrüßung 500 Mark, der Barmann ebenso, und als der DJ einmal eine Platte der Sängerin Ofra Haza auflegte, erhielt er vom Zahlmeister des Scheichs 2000 Dollar zum Dank. + + + + Die bestellten Magnum-Champagnerflaschen und die Partymädchen wurden von den Arabern nie angefasst, die waren nur Dekoration. + + + + Als Türsteher wirst du jeden Abend fünfzig Mal entlassen. Von Männern, deren Ego es nicht erträgt, dass sie nicht hineindürfen. Standardsatz: »Weißt du nicht, wer ich bin? Ich bin der Geschäftsführer/ Sohn/Freund von… das kostet dich deinen Job«. + + + + Trotzdem sollte man als Türsteher nicht die Visitenkarte des Managers eines internationalen Großkonzerns zerreißen und »Heul doch, du Wurst« sagen. Die Folge: eine dreiwöchige Suspendierung.

Meistgelesen diese Woche:

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Stammgäste

Es gab eine Liste von etwa 6000 Personen, den erweiterten Kreis der Stammgäste, die ich kennen musste: Aussehen, Beruf, Vermögen, Freundeskreis. + + + + Die Spieler vom FC Bayern durften immer rein, vom TSV 1860 nur Stars wie Thomas Häßler, Profis der Spielvereinigung Unterhaching mussten draußen bleiben. + + + + Den Bayern-Verteidiger Bixente Lizarazu habe ich beim ersten Mal nicht erkannt, der stand brav eine halbe Stunde draußen in der Warteschlange, bis ihn ein Mitspieler entdeckt und lachend reingeholt hat. + + + + Bis auf Stefan Effenberg haben sich die Bayern-Spieler immer gut benommen. Sehr zugänglich zum »P1«-Personal war auch die ein oder andere einsame Spielerfrau.

Bestechungsversuche

Manche Frauen haben uns Türstehern Sex angeboten, einfach schnell um die Ecke, um ins »P1« zu dürfen. Die Männer haben es mit Geld probiert: Drei russische Geschäftsmänner wollten mir 5000 Mark zustecken. Geld wurde einem eigentlich dauernd angeboten. Man sagt nicht immer nein.

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Prominente zu Besuch

Die ganz Großen, Madonna oder Robert De Niro, wurden groß angekündigt – und sind dann nie gekommen. + + + + Die C-Klasse-Promis, Baulöwen und Bratwurstkönige haben sich am schlimmsten benommen: Da wurde wahllos gekokst und sich vor Frauen entblößt. + + + + Echte Stars haben sich in ihren abgesperrten VIP-Bereich zurückge-zogen und dort verhalten gefeiert. + + + + Die Geschäftsleitung hat leider immer öfter prominenten Eltern Membership-Karten für deren Kinder ausgestellt. Die standen dann mit ihrer Minderjährigen-Clique vor der Tür. Ganz schlimm: der Sohn von Uschi Glas.

Gewalt

In zehn Jahren als Türsteher habe ich mich laut meinem Tagebuch etwa fünfzig Mal prügeln müssen und an die hundert Schlägereien mitbekommen. Das ist wenig, verglichen zu anderen Clubs. + + + + Wirklich Sorgen um mein Leben habe ich mir nur zweimal gemacht: Ein berüchtigter Wiener Zuhälter, den ich rauswerfen sollte, hat mir seine Pistole vors Gesicht gehalten. Und ein abgewiesener albanischer Drogenhändler stellte mir wochenlang nach und drohte meiner Familie mit dem Tod. + + + + Mein Türsteherkollege war ein zwei Meter großer schwarzer Ex-Footballprofi – darum sind aggressive Gäste immer auf mich (1,80 Meter) losgegangen. Gegen einen Ringer habe ich einmal nur gewonnen, weil ich ihm kräftig in den Arm gebissen habe. + + + + Vor dem Eingang des »P1« stand immer eine Traube von Menschen, die gar nicht reinwollten, sondern nur amüsiert zugesehen haben, wie sich andere mit dem Türsteher streiten.

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Ausreden

Eine Ausrede, die bei Ausweiskontrollen nie funktioniert: »Ich hab keinen Personalausweis dabei, aber hier ist mein Autoschlüssel, der beweist doch, dass ich 18 Jahre alt bin.« + + + + Nicht einmal ein guter Versuch: Handschriftlich ausgefüllte Schülerausweise, Monatskarten oder Reisepassanträge. + + + + Unvergesslich ist der etwa 13-jährige, strohblonde, höchstens 1,70 Meter kleine Junge, der laut Personalausweis 1,82 Meter groß war, dunkle Locken hatte, dazu einen Bart und sehr türkisch aussah. Seine Erklärung: »Das ist ein altes Foto, ich habe meine Haare gefärbt und mich rasiert.« + + + + Journalisten, die vergeblich versucht haben eine Akkreditierung vorzutäuschen: SZ-Volontäre, Stadtteilzeitungspraktikanten, Schülerzeitungsredakteure, Piratenradio-angestellte. Ihre Reaktion auf eine Abfuhr: »Ich schreibe euern Laden kaputt.« + + + + Ein ganz dummer Trick: Behaupten, dass man den Türsteher Damir gut kennt – aber nicht merken, dass man vor ihm steht. Ich wusste gar nicht, wie viele Cousins und beste Freunde ich angeblich habe. + + + + Eine Frau behauptete, sie sei die Mutter meiner Kinder, ein Mann flüsterte mir vertraulich zu: »Ich saß im Knast mit Damir.« + + + + Seinen Doktortitel im Ausweis vorzuzeigen hilft einem an der »P1«-Tür auch nicht. + + + + Ganz Hartnäckige, die von mir abgewiesen wurden, standen später noch einmal vor der Tür: getarnt mit einem Hut, falschen Bärten, Brillen oder anderer Kleidung.

Touristen

Die Italiener waren immer gut gekleidet und selbst während des Oktoberfestes friedlich, aber dreißig Männer mit Maßkrughüten kann ich einfach nicht hineinlassen. + + + + Briten und Osteuropäer verstehen ein Nein als Aufforderung zum Kampf. + + + + Lässt man einen Franzosen nicht herein, ist man ein Nazi. Passt ein Afrikaner nicht zur Türpolitik, ist man ein Rassist.

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Fürs Leben dazugelernt

Es war keine gute Idee damals, für eine Fred-Feuerstein-Mottoparty 200 Kilo Fleisch-stücke per Post zu verschicken – die Einladungen kamen erst nach vier Tagen an. + + + + Die angenehme Seite des Berufs: Restaurantchefs, Modegeschäftsinhaber, Reisebürobesitzer und viele, viele andere wollen um jeden Preis dein Freund sein. + + + + Die unangenehme Seite des Berufs: wenn dir in der Fußgängerzone Fremde hinterherrufen: »Schau mal, das ist der Türsteher vom ›P1‹, dieses arrogante Schwein.« + + + + Menschen, die in Diskos tanzen, sehen dabei nie gut aus. Drogenkonsum macht das nicht besser.

Persönliches

Stammgäste wurden auf dem Rechnungsblock als »Kotzbrocken Klaus« oder »Jochen mit Mundgeruch« geführt. + + + + Auch wenn ich einer der meistgehassten Typen der Stadt war: Wer freundlich war, humorvoll oder flirten konnte, hatte immer eine Chance hineinzudürfen. + + + + Bei meinem ersten Besuch als Gast im »P1« stand ich ewig vor der Eingangstür, ich habe geklopft und gerufen, aber niemand hat geöffnet. Ich stand vor dem falschen Eingang.

Mythos »P1«

Das »P1« war nie ein schöner Club und die Musik zu kommerziell. + + + + Den Ruf des »P1« hat seine strenge Tür begründet. Jetzt darf fast jeder rein. Das »P1« lebt nur noch von seinem Ruhm vergangener Tage.

»Members only – Enthüllungen eines P1-Türstehers« von Damir Fister ist ab heute im Buchhandel zu bestellen.