Durchs Leben getragen

Jeder Mann hat ein Kleidungsstück, mit dem sich für ihn besondere Momente verbinden. Sieben liebevolle Erinnerungen.

    Leder
    von Andreas Bernard

    Punk sein, das hieß zuallererst: die richtige Lederjacke tragen, übersät mit Nieten und Bandnamen, die mit weißer Farbe auf den Rücken gesprüht wurden. »Discharge«, »Dead Kennedys«, »Hüsker Dü«: Ohne diese Schriftzüge, ohne diese schwarze Jacke fühlte sich ein Punk Mitte der Achtzigerjahre unvollständig, wie ein Soldat in Hemdsärmeln. Und deshalb war mein Entschluss, ein Punk zu werden, gleichbedeutend mit der Suche nach diesem Kleidungsstück. Kaum ein Exemplar kam in Frage in den Militär-läden und Secondhand-Geschäften der Stadt: Die Motorrad-jacken waren an Schultern und Bünden zu stark gerippt, die Lederblousons zu bieder. Wo hatten die Münchner Punks, die ich Abend für Abend im »Café Normal« sah, nur ihre Jacken her? Ich traute mich diese Autoritäten, die »Lepra«, »Torkel« oder »Wix« hießen, nicht zu fragen. Endlich, nach einem langen Winter in unbotmäßigem Zivil, fand auch ich eine Jacke, auf einem großen Flohmarkt. Sie war schmucklos und neutral genug, um sich durch Spraydosen, Tipp-Ex und Schablonen ganz in meine eigene zu verwandeln. »Zyklome A« stand quer über dem Rücken, der Name einer obskuren belgischen Hardcore-Band. Von nun an waren mir die Blicke der Passanten gleichgültig, wenn ich durch die Innenstadt ging. Die Lederjacke wurde mein Panzer.
    (Lederjacke von Belstaff)
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    Meistgelesen diese Woche:

    Das Hemd
    von Alexander Runte

    Ich war Mitte 20, als ich T-Shirts (Nirvana) gegen die Kleidung erwachsener Männer eintauschte - Hemden. Leider hieß das aber auch jede Woche zwei Abende Hemden bügeln - Kragen, Manschetten, Ärmel, hinten, vorne. Was ich mir anfangs noch als meditative Übung schönzu-reden versuchte, hakte ich bald als weitere Lebenslüge im Erwachsenendasein ab. Bis ich auf einer Party einen Bekannten traf, der das gleiche Hemd trug wie ich, nur ungebügelt - und darin viel besser aussah. Den Rest gab mir der Designer Thom Browne bei einem Interview. Ein perfekt angezogener Mann, der die ganze Zeit betonte, wie sehr Perfektion ihn langweile. Wo genau er denn nachlässig wäre, fragte ich ihn. »Ich trage nur Oxford-Hemden«, sagte er, lasse dabei aber etwas immer weg: Das Bügeln, denn ein »ungebügeltes Hemd ist ein dezenter Mittelfinger ins Gesicht des Bürgertums«. Wo mein Bügeleisen ist, habe ich inzwischen vergessen.
    (Blau-weiß gestreiftes Hemd mit Two-Tone-Kragen von Hackett London)
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    Der Cardigan
    von Thomas Bärnthaler

    Gäbe es keine Cardigans, ich würde sie erfinden. Meine ersten kaufte ich vor vielleicht 15 Jahren in einem US Thrift Store: Schalkragen, grober Strick, geknöpft, auberginefarben. So was würde Gary Cooper anhaben, wenn er zu Hause in Montana Holz hackt, dachte ich. Oder Alain Delon beim Picknick. Gemütlich und doch extrem lässig. Die Ellenbogen waren durchgewetzt, also ließ ich mir Lederflicken draufnähen. Ich trug ihn oft und gern. Dann passierte etwas Unerwartetes: Aus dem Nichts wurde der Cardigan plötzlich Mode. Zusammen mit Vollbart, Holzfällerhemd, engen Jeans, Arbeiterstiefeln. Die Neo-Hipster trugen ihn bis in die letzten Winkel von Berlin Mitte. Es gab ihn jetzt überall, auch bei Zara und H&M, inklusive Lederflicken. Ich war gekränkt, wer will schon einer von vielen sein? Bis ich meinen alten Cardigan mal genauer inspizierte. Auf dem kleinen Etikett innen stand: Top Shop.
    (Cardigan mit Seidenfron von Brioni)
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    Die Jeans
    von Marc Baumann

    Denim und ich: eine traurige Liebesgeschichte. Denn: Ich kann mir keine schönere Hose an meiner Seite vorstellen. Aber leider: Sie hängt zu sehr an mir. Nicht nur früher, als ich mit 15 die Jeans als »Baggy Pant« trug, mit Bundgrößen wie Reiner Calmund. Die »Baggy Jeans« wurde mit dem Gürtel so festgeschnürt, dass sie gerade noch am Hintern hängenblieb. Der Trend verging, ich wurde älter, die Hosen enger, meine Jeans hing trotzdem. »Zieh die mal hoch«, sagten Mütter, Großmütter, Freundinnen. »Geht nicht!«, sagte ich, zu schlanker Po. Achten Sie mal drauf: Bei kaum einem Mann sitzt die Jeans richtig gut, also Levis-Werbung-gut. Wohl ein Grund, warum es jetzt hautenge »Skinny Jeans« gibt. Meine erste war so eng, dass ich nicht mehr aufs Rad kam, ich musste ins Büro laufen, in Trippelschritten. Ich empfehle »Skinny Jeans« von Skateboardfirmen wie Element oder DC mit höherem Elastan-Anteil, die dehnbarer sind. Oder man kauft gleich eine »Loose Fit Jeans« (Tipp: Kordel statt Gürtel) und hält es mit dem Surfer-Motto: »Hang loose.«
    (Jeans mit Tunnelzug von Levi´s Made & Crafted)

    Die Handtasche

    Die Handtasche
    von Mark van Huisseling

    Es war in einem dieser hippen, überteuerten Läden in Paris. Dort gab es Taschen für Männer, die man als »Shopper« oder »Holdall« bezeichnet, Handtaschen für Männer also. Und solche trägt man nicht als Mann. Ich kaufte trotzdem eine. Aus einer Laune heraus. Zehn Jahre und viele tausend Stunden später, in denen ich mit meiner Tasche in der (fast) ganzen Welt unterwegs war, überlege ich, wie ich früher durch die Welt und mein Leben kam. Wie trägt man einen tragbaren Rechner mit sich? Ein iPad? Stecker, Adapter und Kabel, die man braucht. Nagelfeile und so weiter (weil -Nägel, meine jedenfalls, immer am Anfang einer Reise einreißen)? Das Tuch aus Kaschmir für den Hals, weil es immer zieht im Flieger. Ich weiß es nicht. Was ich weiß: Ich habe nie für ein Accessoire mehr Komplimente bekommen als für meine Tasche, von Frauen. Mit anderen Worten: Falls ein Stück, das man zur Männergarderobe im weiteren Sinn zählen darf, mein Leben verändert hat, dann meine Männerhandtasche.
    (Kleine Männerhandtasche von Bottega Veneta) 
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    Der Anzug
    von Michael Ebert 

    Die britische Tageszeitung The Daily Telegraph zeigte dieser Tage sieben aktuelle Schnappschüsse von Prince Charles. Auf den Fotos trägt Charles stets denselben Anzug, einen grauen Zweireiher, bei dem ein Loch in der linken Jackett-Tasche recht notdürftig geflickt wurde.  Nicht ohne Häme fragt die Zeitung, was da los sei: Kann der Prinz sich keinen neuen Anzug leisten? Könnte er wohl - auch wenn die abstrusen Preise für maßgefertigte Ware aus der Londoner Savile Row, wo Charles schneidern lässt, die Frage rechtfertigen. Will er aber offensichtlich nicht. Und damit hat er natürlich recht. Während Unterwäsche und T-Shirts nichts anderes sein wollen als flüchtige Bekannte, kann Männern ein gut geschnittener Anzug ein langjähriger Freund sein - noch dazu einer, der uns immer besser aussehen lässt, als wir wirklich aussehen. Und so einen Freund sortiert man nicht einfach aus.
    (Anzug von Boss)
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    Die Sandale
    von Paul-Philipp Hanske

    Es gibt viele No-Gos für Männer, das schlimmste: nackter Männerfuß - in Sandale. Doch dann entdeckte ich sie, auf einem Wochenmarkt in Amalfi: Ledersandalen, flach, schmal, filigran geflochten, mit Ledersohle: irgendwo zwischen Fellinis Hausschuhen und dem Schuhwerk römischer Legionäre. Ich kaufte sie erst einmal »nur für den Urlaub«, als Strandschuh. Es war herrlich: als liefe man barfuß auf einem Lederparkett. Als ich zurückkehrte und es auch in Deutschland noch heiß war, fühlten sich meine Füße vom geschlossenen Schuhwerk maßlos beleidigt. Vorsichtig präsentierte ich mein Mitbringsel: erst beim Baden, dann am Wochenende, dann Abends - irgendwann immer, wenn es heiß war. Den Hütern der Modeordnung entgegnete ich, sie seien elende Sexisten, da sie Frauenfüße in Sandalen auch nicht störten! Es ist ein Kampf. Aber ich fechte ihn gern: für meine Sandalen, meine Füße, für die Männer!
    (Sandale von Calvin Klein Collection)

    Fotos: Jonas Unger; Styling: Eve Sand