"Es ist ein Drahtseilakt"

Halb Europa fiebert der Hochzeit zwischen Kate und William entgegen. Wie wird diese Ehe? Der Diana-Biograf Andrew Morton prophezeit: Die Braut weiß nicht, was da auf sie zukommt.

SZ-Magazin: Herr Morton, glauben Sie, es war eine gute Idee von Prinz William, mit dem Verlobungsring seiner toten Mutter um Kates Hand anzuhalten?
Andrew Morton: Die Frauen, mit denen ich darüber sprach, fanden die Entscheidung alle seltsam. Penny Thornton, Dianas Astrologin, meinte gar, es wäre ein dunkles Omen, diesen Ring zu tragen.

Es war ja nicht nur die Ehe seiner Eltern so unglücklich. Charles hat seiner toten Exfrau den Ring in einer Pariser Leichenhalle vom Finger gezogen, nachdem sie verunglückt war.
Der Ring erinnert an das tragische Schicksal von Lady Diana, und Kate könnte jeden Tag denken: Den trug seine tote Mutter. Aber ich kann sehr gut verstehen, warum William das getan hat. Es ist eben auch sehr romantisch.

Glauben Sie, dass Kate Middleton weiß, worauf sie sich mit dieser Hochzeit einlässt?

Kate ist vielleicht intellektuell darauf vorbereitet, Prinzessin zu werden. Emotional kann sie es nicht sein. Lady Di ist das beste Beispiel dafür. Sie war total überfordert damals. Eben war sie noch Kindergärtnerin und plötzlich »Your Royal Highness«. Sie gehörte nicht mehr zu ihrer alten Welt und fand nicht in die neue.

Obwohl sie vertraut war mit dem Königshaus. Sie war ja adelig.

Eben. Lady Diana Spencer wuchs in Park House auf, auf dem königlichen Gut Sandringham, sie spielte mit Prinz Andrew und Prinz Edward, das waren ihre Nachbarn.

Kate ist ein anderer Mensch als Diana, Kate wirkt stärker.
Das steht außer Frage. Aber erinnern Sie sich an Sarah Ferguson, die ebenfalls ganz anders als Diana war. Sie hielt das Leben im Buckingham Palace auch kaum aus. Sie hatte vorher in einer WG in London gewohnt, konnte ins Auto springen, wenn sie etwas brauchte. Im Palast hatte sie ihren Leibwächter und musste einem Butler sagen, dass sie gern einen Tee hätte, der dann eine Ewigkeit dauerte.

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Wie schätzen Sie Kate ein?
Sie ist eine Bürgerliche. Sie hat sich zwar in den gehobenen Kreisen an der Eliteuniversität St. Andrews bewegt, aber sie ist ganz normal aufgewachsen.

Das könnte ein Vorteil sein.

Nein, könnte es nicht. Denn das Leben in einem Palast ist so unvorstellbar anders. Kate wurde bisher nicht sozial kontrolliert. Jetzt wird sie Mitglied einer Firma. Das englische Königshaus ist eine Firma.

Und die Firma hat eine Stelle zu besetzen. Kate könnte genau die Richtige sein dafür.
Sie ist schlau. Sie hat sich tadellos benommen bisher, war nie betrunken, nie zu laut, hat nie Druck gemacht. Aber es ist ein Drahtseilakt. Wenn Kate den Kopf gesenkt hält und nicht lächelt, denken alle: Oh, sie hält das nicht aus. Wenn sie zu oft lächelt, denken sie: Oh, sie hat zu viel Spaß.

Sie wird es keinem recht machen können.

Dazu kommt die Einsamkeit, die Isolation. Diana hatte das Gefühl, sich niemandem mehr anvertrauen zu können. Also hat sie aufgehört, ihre Freunde und ihre Familie zu sehen.

Das hört sich alles ziemlich pessimistisch an.
Ich bin nur realistisch. Aber wenn Sie etwas Positives hören möchten: Kate kommt aus einer intakten, starken Familie, die sie hundertprozentig unterstützt. Diana kam aus einer kaputten Familie, sie konnte ihren Eltern nie wirklich ihr Herz ausschütten.

Diana war auch noch sehr jung.

Sie war 19, das darf man nicht vergessen. Und wurde völlig vereinnahmt von den königlichen Kreisen. So ist es Kate übrigens auch schon ergangen, sie hatte vor allem mit Williams Freunden zu tun in den letzten Jahren. Das ist eine Gefahr. Es geht darum, sich nicht zu verlieren.

Sie malen schon wieder schwarz. Gibt es nichts Hoffnungsvolles über diese Verbindung zu berichten?
Aber ja: Wenn Kate am 29. April dieses Jahres den Weg zum Altar in Westminster Abbey entlangschreitet, weiß sie, dass der Mann, der dort auf sie wartet, sie liebt. Als Diana den Gang entlangschritt, hoffte sie, dass der Mann, der dort wartete, sie eines Tages lieben würde. Das war der Wurm, der sich in den Apfel fraß.

Kate hat sich nie darüber beklagt, dass für William sein Studium und später seine Militärlaufbahn an erster Stelle standen. Ist sie vielleicht einfach genügsam?
Sie ist ein altmodisches Mädchen: Waity Katie. Und sie weiß, was sie an ihm hat. Charles und Diana haben geheiratet, nachdem sie 28 Tage miteinander verbracht hatten, fast immer in Gesellschaft, häufig übrigens in der von Camilla Parker Bowles. William und Kate haben schon drei Jahre lang zusammengewohnt.

Es gab aber auch schon einen Abschied.

Ja, William dachte, er könnte noch eine bessere finden.

War das wohl seine Idee?
Der Palast hat ihn da sicher beeinflusst. Aber Kate hat das Spiel für sich entschieden, weil sie sich ausgesprochen klug verhalten hat. Sie ging in die Clubs, sie sah blendend aus, sie unterhielt sich mit den Jungs, die William kannte. Das hat ihm gar nicht gefallen. William ist ein Alpha-Mann.

So einfach?
Sie hatte noch eine Trumpfkarte: Michael und Carol Middleton – ihre Eltern. Die öffentliche Scheidung von Williams Eltern war wohl eine der dramatischsten in der Geschichte des Landes, dann der tragische Tod seiner Mutter. Der Junge sehnt sich nach einer heilen Familie. Er hat in den Middletons eine Stabilität und Normalität gefunden, die er nie kennengelernt hat. Eigentlich haben sie ihn an Land gezogen.

»Die Monarchie ist die sexistischste Institution überhaupt«

Kommen daher die Gerüchte, die Middletons hätten auf diese Hochzeit hingearbeitet?
Wie kann man eine Ehe wie diese arrangieren? Die Katze fängt den Kanarienvogel, nicht umgekehrt.

Bei uns in den Zeitungen stand, Carol Middleton sei ziemlich ehrgeizig, was ihre Kinder betrifft.
In unseren Zeitungen stand auch, sie hätte ihre Tochter nach St. Andrews geschickt, damit sie sich einen Prinzen angelt. Und Kate hat sich in einer Gewichtsklasse bewegt, in die sie nicht gehörte, das ist klar. Aber als Plan hört sich das für mich zu verwegen an.

Wie sehen die kommenden Jahre aus für William und Kate?
Seine Flieger-Ausbildung geht noch bis 2013. Ich glaube, dass sie bis dahin zwei Kinder haben werden. Diana war innerhalb von drei Monaten schwanger, Queen Mum war schnell schwanger, Prinzessin Elizabeth, die heutige Königin, auch. Das hat Tradition.

Wird das jetzt erwartet?
Aber sicher. Williams Hauptaufgabe im Leben ist es, einen Erben zu produzieren. Und zwar so schnell wie möglich.

Wie kommt Kate bei den Royals an?

Ich glaube, die jüngeren Leute mögen sie. Aber es ist ein Missverständnis zu glauben, dass die königliche Familie oft zusammenkäme. Die Queen hat Kate ein paar Mal getroffen, Prinz Philip sieht man kaum noch, er ist mittlerweile 90. Und Prinz Charles kennt sie auch nur ein bisschen.

Der Ruf der Monarchie hat gelitten seit Dianas Tod. Könnte Kate dem Königshaus nicht guttun?
Ich finde, das Königshaus steht schon wieder ganz gut da. Die Briten lieben William, der unglaublich mediengewandt ist. Und Prinz Harry bringt etwas Farbe hinein. Aber sicher, die königliche Familie weiß genau: Diese Ehe muss gelingen. Dafür werden sie alles tun.

Wie schätzen Sie die Beziehung der Königin zu Prinz William ein?

Als er in Eaton war, ging er regelmäßig nach Windsor Castle und trank Tee mit ihr. Er versteht sich gut mit Prinz Philip. Vielleicht erinnern Sie sich: Es war Prinz Philip, der William dazu gebracht hat, hinter Dianas Sarg herzugehen. Ich glaube, William und Kate haben mehr mit Elizabeth und Philip gemeinsam als mit Charles und Diana. Als Elizabeth Prinz Philip heiratete, war der auch beim Militär. Es waren die glücklichsten Zeiten der beiden, als er in Malta stationiert war.

Wenn Diana die Prinzessin der Herzen war, welche Rolle könnte Kate dann zufallen?
Ihre Rolle ist die Frau an Prinz Williams Seite. Die Arbeit muss ja er machen: Reden halten, öffentliche Auftritte absolvieren. Sie wird glamourös neben ihm stehen, ihn schmücken. Die Monarchie ist ja eine der sexistischsten Institutionen überhaupt.

Ach ja?

Die Männer der königlichen Familie werden definiert über das, was sie sagen. Und die Frauen über ihr Aussehen. Kate wird also immer lächeln, sie wird cool sein, sie wird süß sein, sie wird elegant sein, aber nicht zu elegant. Sie werden viel Zeit auf ihrem Anwesen in Wales verbringen. Von Zeit zu Zeit werden sie herauskommen für die großen Momente.

Man muss sich also rarmachen?

Sie sind wie Schauspieler. Sie haben eine Rolle: Sie machen ihren Königsjob. Und danach kicken sie ihre Schuhe weg, lümmeln sich aufs Sofa und schauen fern.

Ist das die Zukunft der englischen Monarchie: Theater?

Das war es doch immer schon: Theater. Die Kostüme, Medaillen, Bankette – nichts als Rituale, um England zu repräsentieren.

War die Sache mit dem Verlobungsring von Diana auch nur Theater?
Nein, das war der Ausdruck ihrer Liebe.

Ist William seiner Mutter eigentlich ähnlich?

Es ist mehr Windsor in ihm als Spencer. Die Spencers sind eine draufgängerische Familie, Prinz William ist sehr vorsichtig. Er hat ein Jahr nachgedacht, bevor er Kate den Heiratsantrag machte. William ist auch viel reflektierter, ernster, bodenständiger, ja teutonischer als sein Bruder Harry, der mehr von einem Spencer hat. Die britische Königsfamilie stammt ja von Deutschen ab. William ist eher geradeaus, er hat einen klaren Kopf, im Gegensatz zu seinem Vater, der viele Macken hat und ein Zauderer und Zweifler ist.

Inwiefern?
Prinz Charles ließ sich morgens sechs Eier kochen und wählte dann zwei aus. Wenn er Lust auf Pflaumen hatte, ließ er eine Kiste aus seinem Garten in Highgrove nach Balmoral fliegen. Charles ist maßlos und widersprüchlich. Ein schwieriger Mensch. William ist anders als Charles und er scheint auch nicht viel auf das zu geben, was sein Vater sagt. Er tut, was er für richtig hält.

Nicht wenige in England wünschen sich, dass die Thronfolge Camilla und Charles überspringt.
Das ist unmöglich. Könige sind keine Politiker. Sie können nicht gewählt werden. William ist ganz glücklich darüber. Er will ein normales Leben führen. Er reißt sich nicht darum, König zu werden.

Prinz Edward hat seinerzeit den Thron abgelehnt. Könnte Prinz Charles es ihm gleichtun?

Diana hat mir erzählt, dass sie sich gewünscht hätte, Charles würde auf den Thron verzichten und mit Camilla nach Italien ziehen. Dann hätte sie Prinz William zum nächsten König erziehen können.

Hat Kate das Zeug, eine Stilikone zu werden wie Diana?
Das hat sie. Ihr Stil ist zwar eher »middle of the road«, aber die meisten Engländer leben in der Mitte. Und Kate kleidet sich besser als Diana im gleichen Alter.

War an Diana nicht auch so faszinierend, dass sie eine gebrochene Heldin war?
Diana war eine sehr belastete Persönlichkeit. Sie hat fünf Mal versucht, sich das Leben zu nehmen. Sie war essgestört und zerfressen von Eifersucht auf Camilla. Kate wirkt gefestigt. Sie hat ein Paar Kilo abgenommen in letzter Zeit, aber tun das nicht alle Frauen vor der Hochzeit? Sie ist sportlich. Sie wirkt unkompliziert. Diana war die Prinzessin des Volks – Kate aber ist die Prinzessin aus dem Volk.