Wenn mir vor 17 Jahren jemand gesagt hätte, dass ich mit 34 als Single-Mum zusammen mit meinem vierjährigen Sohn in New York leben würde, ich hätte diesen Leuten nur leicht an die Stirn getippt. Nun ist es so, und ich würde es nicht ändern wollen. Ich wollte in meinem Leben oft von A nach B und bin bei C gelandet. Gab es in meinem Leben Zäsuren oder Neuanfänge? Nein! Ich bin in der Lüneburger Heide groß geworden, idyllisch, das hat mich sehr geprägt.
Ich muss auch heute noch regelmäßig Bäume sehen und fahre alle paar Wochen mit meinem Sohn August Richtung Upstate New York und gehe im Wald spazieren. Wenn ich zu Hause bei meinen Eltern bin, gehe ich immer zu Fuß ins Heidedorf Wilsede, esse ein Käsebrot und trinke eine Tasse Kaffee, das ist ein Ritual. Richtig prägend waren eigentlich nur zwei Ereignisse: Als ich mit 16 auf der Straße fürs Modeln entdeckt wurde – das hat meinem Leben eine komplett andere Richtung gegeben –, und die Geburt von August im Oktober 2005. Seitdem bin ich nicht mehr das Kind meiner Eltern, sondern die Mutter meines Sohnes, mein Leben hat einen soliden Rahmen, eine »Mussstruktur«. Inzwischen verbringe ich die meiste Zeit in meinem Fotostudio in Brooklyn. Dort arbeite ich an Ausstellungen, Auftragsarbeiten und Illustrationen. Die Jobs, die ich als Model mache, werden sorgfältig von meiner Agentur ausgewählt und ich schätze mich als sehr lucky, diese Jobs noch machen zu können. Mein Modestil hat sich kaum verändert: immer noch die guten alten Klassiker, eventuell neu gestaltet oder leicht umgearbeitet, wie von Margiela, aber immer einfach und ruhig. Viele Pullover mit V-Ausschnitt in Grau, Dunkelblau, Schwarz, weiße T-Shirts und Jeans.
---
Christina Kruse, 34, deutsches Model und Fotografin, veröffentlichte gerade »Reisebuch«, ein künstlerisches Tagebuch, das während ihrer Reisen der letzten zwei Jahre entstand.
Fotos: Christina Kruse; privat