Mit der Männerunterhose ist es wie mit einer guten Frau: Oft versteckt sie sich hinter Äußerlichkeiten, und meistens muss man jahrelang rumprobieren, bis man die gefunden hat, die zu einem passt. Bei mir hat es – in beiden Fällen – 35 Jahre gedauert.
Wer diesen Vergleich übertrieben findet und meint, dass eine Unterhose warm halten und einigermaßen sauber sein soll, kann weiterblättern. Denn natürlich bin ich als toleranter Mensch der Meinung, dass jeder die Unterhose anhaben kann, die er möchte: mit oder ohne Eingriff, Baumwolle oder Latex, String, Slip, Shorts – Hauptsache, man fühlt sich wohl. Aber erstens bin ich nicht immer tolerant, schon gar nicht in Fragen der Mode, und zweitens kann ich nicht anders, als in einer Unterhose immer auch Hinweise auf die Persönlichkeit ihres Trägers zu sehen. Die Unterhose eines Mannes verrät nämlich nicht, wie der Mann ist, sondern wie er gern wäre.
Neulich beobachtete ich mehrere Typen in der Umkleide eines Fitnessstudios. Einer trug hauteng anliegende Shorts, auf denen in großen Buchstaben Abercrombie & Fitch stand. Natürlich war er tätowiert, natürlich hatte er den neuesten Mini-iPod mit Klettverschluss am Oberarm befestigt. Ein anderer trug einen roten String. Ich erschrak – vor allem darüber, dass die anderen es völlig normal fanden, dass da ein sechzigjähriger Typ im roten String steht. Auch bei ihm hat es mich nicht überrascht, dass seine Haare lang, grau und voller Gel waren – die am Kopf meine ich, woanders hatte er keine. Für mich war die Sache klar: Der eine hat vergessen, dass er nicht Ronaldo heißt und bei Real Madrid Fußball spielt, der andere hat verdrängt, dass sowohl er als auch seine Pobacken in den letzten vierzig Jahren älter geworden sind. Ein Mann ist aber erst dann ein Mann, wenn er weiß, wer er ist. Ein erwachsener Mann hat sich mit sich selbst abgefunden. Er will sich durch seine Kleidung nicht zu einem anderen machen. Und deswegen finde ich, eine Männerunterhose muss neutral und klassisch sein, Shorts, am besten weiß, vielleicht noch hellblau, nicht zu eng, nicht zu weit, Streifen sind okay – im Gegensatz zu Buchstaben oder Markennamen. Sie sollte aussehen wie eine Unterhose und sonst nichts; eine Unterhose, wie Cary Grant oder James Dean sie angezogen hätten.
Also ich sehe nur zwei Gründe, Shorts mit Hugo-Boss- oder Was-auch-immer-Aufdruck anzuziehen. Entweder man will die Tatsache kompensieren, dass man sich die Anzüge nicht leisten kann. Oder man kauft grundsätzlich alles in überteuerten Boutiquen, also auch die Socken und den Gürtel – lächerlich ist beides. Trotzdem bleibt das Problem, dass man zu Beginn des 21. Jahrhunderts kaum noch klassische Unterhosen findet. Ich habe das überprüft. Irgendwas stört immer, die Farbe, ein Tarnmuster, bunte Kringel oder aufgedruckte Botschaften wie »Don’t let me down«.
Erlöst hat mich vor einem Jahr meine kleine Cousine, indem sie mich in eine H & M-Filiale schleppte. Die Luft war stickig, die Musik nervte, aber dann sah ich diese Unterhosen: weiß, schlicht, hundert Prozent Baumwolle, 9,90 Euro das Stück. Ich kaufte zehn Stück, will nie wieder andere anziehen und frage mich bis heute, was es bedeutet, dass ein erwachsener Mann in einen H & M-Laden geraten muss, um die perfekte Unterhose zu finden.
Illustration: Richard Haines; Foto: Svea Anais Perrine/photocase.com