Sie lässt die Puppen tanzen. Und zwar alle. Die Regisseurin Melina Matsoukas dreht Musikvideos. Anfangs für Beyoncé, inzwischen auch für Lady Gaga, Rihanna, Jennifer Lopez, Katy Perry, Alicia Keys, Christina Aguilera, Lily Allen – die gesamte erste Liga erfolgreicher Künstlerinnen beauftragt am liebsten Matsoukas. Aber warum?
Melina Matsoukas beantwortet die Frage so: »Ich würde niemals etwas abdrehen, was eine Frau entwürdigen könnte.« Das klingt eigentlich banal, nicht gerade nach einem geheimen Erfolgsrezept, das sonst niemand umsetzen kann. Aber innerhalb der Logik eines Popmusik-Videos ist es dann doch eine Herausforderung. Schließlich konkurrieren die Sängerinnen mit den Clips männlicher Stars, in denen ganze Armeen namenloser Frauen in Bikinis antreten.
Sexy muss also sein, sexistisch soll es nicht werden. Und das geht, die Videos von Melina Matsoukas beweisen es. Im Clip zu Kitty Kat zum Beispiel tut Beyoncé so, als sei sie eine Katze – in einem engen Leoprint-Catsuit kriecht sie auf allen Vieren herum, hebt und senkt ihr Becken, faucht und fährt ihre lackierten Krallen aus. Irgendwann aber – und das ist typisch Melina Matsoukas – bricht das Absurde in den Hochglanz-Zauber. Während Beyoncé gerade beflissen das böse Kätzchen spielt, wird sie von einer überdimensionierten echten Katze überrannt. Rihannas Video zu We Found Love, die ersten vier Minuten lang ein einziger Liebesrausch, endet damit, dass Rihanna Luftschlangen kotzt – weil einem bei so viel inszenierter Romantik eben auch mal speiübel werden kann. Und wenn Leona Lewis mit Leidensmiene in ihrem Video zu Bleeding Love das Klischee vom gefrorenen Herzen besingt, friert Matsoukas einfach für vier Sekunden die Szene ein. So macht Pathos Spaß.
Es ist immer nur ein kleiner Augenblick, in dem die Ernsthaftigkeit ausgesetzt wird, um auf ihre Kosten einen Witz zu machen – aber er ist da, dieser Matsoukas-Moment. Und er ist der Grund, warum alle weiblichen Stars von Katy Perry bis zu Kylie Minogue sich von der 32-Jährigen inszenieren lassen. Die lässt sie zwar genau so anzüglich herumzappeln wie die Tänzerinnen in den Männervideos, aber sie gibt ihnen mit diesen Momenten auch Selbstironie und somit Souveränität zurück. So lässt Matsoukas einmal drei Sekunden von Beyoncés erotischer Tanzeinlage an einer Pole-Dancing-Stange rückwärts ablaufen: Plötzlich wirkt der souveräne Weltstar wie eine zappelige Comicfigur und der Balztanz wie Slapstick. Sehr witzig. Zumal Beyoncé am Ende dieser Sequenz in die Kamera zwinkert und selber lachen muss. Das ist die Pointe, die der Trockensexübung im Nachhinein etwas Selbstbewusstes gibt – und dem
Video eine Haltung.
Das wird nicht nur von den Künstlerinnen gewürdigt und von den Betrachterinnen der Videos, sondern auch in der Branche. Für ihre Inszenierung von Rihannas Hymne We Found Love bekam Melina Matsoukas Mitte Februar einen Grammy verliehen.
Porträt: Lani Trock