Seltsame Masche

Panzer als Hausschuhe und als Motiv auf Strickpullovern – unsere Kolumnistin fragt sich: Ist Handarbeit mit Kriegsmotiven nun subversiv oder einfach nur befremdlich?

Handarbeit kann man ja so und so finden. Ich habe es gehasst, als Mädchen. Als ich in der zweiten Klasse einen Schal stricken sollte, war ich so verzweifelt, dass meine Mutter übernahm und mich anschließend in den Werkunterricht brachte. Als einziges Mädchen unter Jungs, da haben wir ein Krokodil gesägt. Das war auch nicht der Bringer. Aber Handarbeiten ganz klar: eine Disziplinarmaßnahme.

Später mochte ich es mal kurz, Anfang der Achtziger, als alle für den Frieden strickten und gegen Pershing II.

Als ihre Mutter starb, hat meine Mutter einen Schal für meinen Vater gestrickt. Der nahm kein Ende. Handarbeit kann auch Therapie sein. Vor einigen Jahren gab es ein Projekt für Flüchtlingskinder. Die stickten ihre Traumata in feinen Zwirn: Zeltlager, Bomben aus der Luft, Boote voller Menschen. Daraus machten sie ein Bilderbuch. Und Kissen, in die man weint.

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Diese Woche kursierte im Netz ein Foto, das einer vor einem Schaufenster des Moskauer Nobel-Kaufhaueses GUM gemacht hatte. Da hängt ein Norweger-Pullunder. Nur dass da keine Hirsche eingestrickt sind, sondern Panzer, Maschinengewehre, Soldaten im Laufschritt und Kampfhubschrauber. Die heißen im Militär-Sprech: Hind, auf deutsch Hirschkuh, haha.

Und dann bin ich auf die gehäkelten Panzer-Pantoffeln gestoßen. Auf einem Strickblog einer Frau namens Bärbel. Warum häkelt Bärbel diese Dinger? Ist das Therapie? Oder militant? Ich frage mich: Stehen kriegerische Zeiten in einem direkten Verhältnis zu handarbeitlichen Tätigkeiten? So wie die Saumlänge angeblich in Zusammenhang steht zur Finanzmarktlage: Je mehr Wohlstand, desto kürzer der Rock. Also: Je mehr Stahl, Waffen, Kälte und Zerstörung – desto größer das Bedürfnis, in aller Langsamkeit, Stille und Feinarbeit weiche, warme, flauschige Handarbeiten zu vollführen? Ist Stricken subversiv?

Bei dem russischen Kampfhubschrauber-Pulli und den Panzerpantoffeln von Bärbel habe ich so meine Zweifel. Bärbel ist, wie sie selbst sagt, süchtig nach Stricken und Häkeln. Die Panzerpantoffeln rollen ihr seit ein paar Jahren nur so von der Nadel. Sie verkauft sie nicht, eine Anleitung zum Nachhäkeln gibt es auch nicht. Aber viele ihrer Strickblog-Leser möchten auch unbedingt Panzerpantoffeln haben. Frauen schreiben: für meinen Mann, auch gern in Größe 47.

Ich stelle mir vor, ich klingele an einer Haustür und dann macht ein Mann auf, in Panzerpantoffeln Größe 47, die dunkelgraue Wollkanone auf mich gerichtet. Was geht in dem vor? Einsteigen, wohlfühlen, drauf los knattern? Was sind das für Männer, die Panzerpantoffeln tragen?

Wie man dem Blog entnehmen kann, spendet Bärbel auch selbstgemachte Strickwaren an Bedürftige, Schals, Mützen, Handschuhe. Es kommen gerade viele Menschen ins Land, die dringend warme Schuhe brauchen. Was, wenn sie als erstes Panzerpantoffeln sehen? Ein merkwürdiges Phänomen: Stricken für den Krieg. Und ich habe nicht mal eine Antwort auf die Fragen. Nur kalte Füße.

Foto: wenn.com