Zum Ende dieses global grandios beschissenen Jahres möchte ich den Männern danken. Den schlauen, den charmanten, den witzigen, den sensiblen, den emphatischen, den zweiflerischen. Allen. Ja, aber allen voran den mächtigen. Ich danke euch, ihr mächtigen Männer!
Denn ihr habt's echt nicht leicht. Immer habt ihr die Macht und immer, also eigentlich, müsst ihr die Verantwortung übernehmen. Das ist nicht immer schön und deswegen finde ich das super von euch, dass ihr uns da raus haltet, uns Frauen. Dass ihr stark bleibt. Trotz Drohungen und Betteln und Flehen und diesem doofen neuen Gesetz. Das euch dazu verdonnern will, ab Januar die Aufsichtsräte mit 30 Prozent Frauen zu besetzen. Und auch sonst ein bisschen Platz zu machen. Ist doch scheiße!
Aber ihr seid so... gut. Diese Chuzpe, diese Courage, ja: Camouflage – ich zieh den Hut! Seit Tagen sehe ich euren Trick vor mir, bildlich: Die Erfindung der »Zielgröße Null«. Wow. Zielgröße Null! Erst dachte ich, der Begriff kommt aus dem Management-Wachstums-Sprech, so laberlaber: Unsere Zielgröße in 2016 ist 4,7. Mittlerweile weiß ich, ihr habt euch den ausgedacht. Geil! Schlau! Funktioniert wie geschmiert! Einfach mal frech 'ne »Zielgröße Null« in den Ring werfen und der Gegner ist so overwhelmed, dass er sich am Fehdehandschuh verschluckt, die beißwütige Töle.
Ich lese: »Etliche Unternehmen wie der Energiekonzern Eon, die Commerzbank oder ThyssenKrupp (...) haben sich für Frauen im Vorstand die ›Zielgröße Null‹ gesetzt.« Ich denke: Das klingt professionell, da muss was dahinter stecken, eine Strategie. Ich lese weiter: Bei der Porsche Automobil Holding SE sitzen im Vorstand und im Aufsichtsrat keine Frauen – im Porsche-Vorstand soll das auch bis Mitte 2017 so blieben, man habe sich die »Zielgröße Null« gesetzt. Die Commerzbank hingegen nenne es »ein klares Ziel, die Anzahl der Frauen in Führungspositionen weiter zu steigern« – habe den Frauenanteil im Vorstand aber ebenfalls bei »null« festgelegt. Und: »das gilt auch für Volkswagen«.
Sorry, ich musste das selbst fünf Mal lesen, um zu kapieren: Ihr meint das wirklich so! Ernst! Die »Zielgröße Null« ist kein Joke und kein verquaster Fachbegriff für »0 ist doch irgendwie 1 Frau oder 17 Prozent« oder so. 0 ist 0. Und dabei bleibt’s. 00, hier Mannsbuida, da Dearndl. Bis Mitte 2017 und, ach was, weit darüber hinaus!
Doch schließlich habe ich es verstanden. Und ich finde es ritterlich.
Denn: Da fährt der Vorstandsvorsitzende von Porsche und Volkswagen seinen Konzern an die Wand. Dabei hatte er so eine geile Zielvorgabe: Die Nummer 1 der Welt zu werden. Dafür braucht man Mut, Mann, ja! Und dann soll er plötzlich gehen. Wir hier draußen und drunten – wir können das Ausmaß dieser Katastrophe gar nicht verstehen. Denn jetzt wird es superdupergefährlich. Es könnten jetzt Stühle frei werden. Im Vorstand von Volkswagen, von Porsche und sogar im Aufsichtsrat des FC Bayern. Und entweder der Winterkorn, Martin bleibt da drauf, was viel besser wäre, denn dann muss man ihm keine Abfindung zahlen, die unseren lächerlichen Sozialneid erregen würde und hoffentlich sickert nicht durch, dass er deswegen weiter seine zwei Millionen pro Monat bekommen muss. Aber wenn er doch gehen muss – muss da ein Mann drauf, un-be-dingt!
Weil... nicht nur, weil es dafür gar keine Frauen gibt. Weil die ja schon die falschen Berufe wählen. Und dann hauen sie sich auch noch an der gläsernen Decke die Birne weich. Die Frauen! Sind nicht geschaffen für so krasse Macht, äh, Verantwortung. Die würde da leiden! Da wird mit knallharten Bandagen gekämpft! Es wird über Zahlen und Fußball und Frauen und Nullen geredet. Nee, echt nich. Besser so. Ohne euch.
Sie merken, ich habe das durchgespielt, mit und ohne Zielgröße Null. Und dachte, joah: der FC Bayern. Laut Gesetz... sollte da eine Frau drauf. Die Quote würde von 0 auf 11,11 Prozent nach oben schnellen. DAs wäre ein Mega-Image-Gewinn für Bayern. Aus meiner Sicht. Aber klar, ich bin ja nur... eine Frau. Und. Ich hab’s mir überlegt – es geht leider nicht. Denn meine Männer sind für Werder. Und wenn ich das mache – werden die mir nicht mehr den Rücken frei halten. Die lassen mich nämlich voll arbeiten, gleich viel verdienen und auch noch die Chefin markieren. Hier bei uns zuhaus.
Quod erat demonstrandum: Zwischen unten und oben liegen Welten.
Und an meine Männer zuhaus: Thanx! Das war, unter uns, ein grandioses Jahr. Wartet nur mal ab. Bis wir an der Macht sind. In 2017!
Foto: Tom Kelley/Getty