Als ich noch jung war und knackig und die Welt halbwegs in Ordnung, hat man sich zur Nacht hart gebettet. Hart, flach und kühl. In alternativen Trend-Läden waren nämlich »Futons« aufgetaucht. Steinharte, unkuschlige, sachliche Baumwollplatten. Die man abends auf den Boden legte und tagsüber wieder zusammenrollte. Damit nur ja nicht der Eindruck von Gemütlichkeit entstand. Ich fand das etwas übertrieben und ließ mein Futon tagsüber liegen - auf einem Gestell aus Pappe, cool. Manche meiner Freunde fanden schon das spießig, bourgeois und supernestig. Aber es war billig und knarzte frech.
Es hat sich viel geändert. Wir sind bald alt. Die Welt ist gerade überhaupt nicht in Ordnung. Und man schläft jetzt in Boxspringbetten. Vor einiger Zeit ist dieses Wort aufgetaucht. Und in aller Munde. Als hätte es »Boxspringbetten« schon immer gegeben. Als wären »Boxspringbetten« ein Naturgesetz. Ich hab mal nachrecherchiert und heraus gefunden, dass das nichts mit Boxen und nichts mit Springen zu tun hat. Sondern mit einer amerikanischen Betten-Marke.
So sehen die Betten auch aus. Wie in Hollywood-Filmen mit einem Schuss Rosamunde-Pilcher-Style. Betten in Hollywood-Filmen haben mich schon immer irritiert. Im Film stehen sie immer mit dem Kopfende vor einem Fenster. Ich kenne keinen Menschen, der sich so bettet. Es ist instinktiv falsch. »Da rennen nämlich«, das hat mir mal eine Feng-Shui-Weise erklärt, »permanent die Geister durch dich durch.« Die springen zum Fenster rein, boxen sich durch mein Bett durch und rasen dann durch die Türe wieder raus.
Manchen Menschen scheint das zu gefallen. Zumindest Kameraleuten – das Licht fällt einfach schön durchs Fenster, wenn der Protagonist gerade im Boxspringbett liegt. Und vielen Schläfern von heute offenbar auch. Boxspringbetten, auch Kontinentalbetten genannt, sind angesagt. Übern Teich und über Skandinavien und die Beneluxen sie sie zu uns gesprungen. Ein Boxspring-Fabrikant aus Coburg schichtet die Matratzen erst seit drei Jahren kontinental – und ratzfatz lag der Marktanteil bei 30 Prozent.
Boxspringbett bedeutet nämlich: Du schichtest mehrere Matratzen übereinander, bis sie so hoch sind, dass man um rauf zu kommen beinahe eine Leiter oder eine Liane bräuchte. Obendrauf ist dann noch eine Auflage aus »viscoelastischem« Mineralschaum. Die passt sich den Körperformen an und ist pudelwarm. Keine Prinzessin der Welt würde auf so einer Bettenburg noch eine Erbse erspüren können.
Außerdem, das ist mir auch in amerikanischen Filmen zuerst aufgefallen, wird das Bett noch bis zur Hälfte mit Kissenbergen zudekoriert. Ich frage mich schon lange, ob die Leute heute wieder im Sitzen schlafen, so wie Louis Quatorze. Der das tun musste, damit seine gepuderte Perücke nicht verrutschte. Dann habe ich beobachtet, wie meine Tante vor dem Zubettgehen ihre 17 Kissen vom Boxspringbett pfefferte. Am nächsten Morgen waren sie wieder alle akkurat angeordnet, sogar mit Handkantenschlagknick in der Mitte.
Neuerdings schraubt man ans Kopfende auch noch Polsterwände, wahlweise mit satinbezogenen Louis-Quinze-Knöpfen drin. Die aussehen, als sollte man da auch noch vertikal drauf springboxen. »Ein Shaggy-Teppich in Kontrastfarbe fügt den letzten Touch hinzu«, lese ich bei Schlafzimmerideen 2015. »Shaggy-Teppiche« haben so hochflorige Monsterfasern, dass man das Gefühl kriegen muss, auch vom Boden her sei man nun gegen alle Härten des Lebens abgeflufft.
Leute! Was ist los? Wozu das Monster-Cocooning?
Bis ich kürzlich zum ersten mal selbst in einem schalldichten Bettenbunker mit Taftkissen und Heizdecke lag. Kein Laut drang an mich ran. Ich versank in komatösem Tiefstschlaf. Und erschrak, als ich am nächsten Tag in der Zeitung lesen musste, dass es in der Welt da draußen immer noch knallt. Hart, kalt und nicht aus Pappe. Und da habe ich begriffen, warum wir uns in Boxspring betten. Zum Komaschlafen.
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