Kurz nachdem Susanne Schaper ihr Wahlkreisbüro in Chemnitz-Sonnenberg eröffnete, begannen die Angriffe. Steinwürfe gegen das Schaufenster. Gesprühte Hakenkreuze. Tierkadaver vor der Tür. All dies geschah nachts.
Tagsüber liefen junge Männer am Büro vorbei, rissen die Tür auf, schrien »Scheiß Zecken!« hinein. Was unseren Autor Raphael Thelen stutzig machte: Statt dann schnell wegzulaufen, schlenderten die Angreifer einfach weiter. Rechte Gewalt, so schien es, kann man machen in Chemnitz.
Unser Autor traf Schaper auf einer Veranstaltung mit Sarah Wagenknecht, im Rathaus und während der Bürosuche. Er erlebte eine Frau, die in der Öffentlichkeit nur zwei Lautstärken kennt: laut und laut. Stürmisch umarmt sie ihre Mitarbeiter zur Begrüßung, nennt sie »Herz« und »Schatzi«. Rechte Facebook-Hetzer beschimpft sie als »krank«. Nur ein mal geriet sie während der Recherche aus dem Konzept. Unser Autor fragte: »Was müssten die Angreifer tun, damit Sie mit der Politik aufhören?« Sie sagte: »Ich habe Angst, wenn das in der Zeitung steht, dass die das dann machen.«
Die 39-Jährige zweifache Mutter sitzt für die Linke im Stadtrat und im sächsischen Landtag. Zwar wurde sie als Jugendliche mal von Nazis durch die Straßen gehetzt, weil sie ein Palästinensertuch trug, aber in ihrer politischen Arbeit schenkt sie dem Thema kaum Aufmerksamkeit. Antibaby-Pille für sozialschwache Frauen, der Kampf gegen Kinderarmut, Impfkampagnen - das sind ihre Herzensangelegenheiten. Aber sie ist auch nicht die Person, die einer Auseinandersetzung mit Nazis ausweichen würde. »Ich stehe morgens auf, um mich zu streiten«, sagt sie.
Doch als die Attacken nicht abreißen, wird ihr Mietvertrag gekündigt. Die Nazis verdrängen Schaper erfolgreich aus dem Viertel, kommen ihrem Ziel einen »Nazi Kiez« zu etablieren, einen Schritt näher. Doch Schaper lässt sich nicht beirren: »Ich habe die Schlacht verloren, aber nicht den Krieg«, sagt sie. Ihre Mission: die Stadt nicht den Nazis zu überlassen. Auf der Suche nach einem neuen Büro hat Raphael Thelen sie begleitet.
Foto: Thomas Victor