Ich mach dann mal blau

»Wir schicken dich ins Blaue«, sagten die Chefs, »mach ein paar Tage blau.« Der Witz war, dass es in die Blaue Stadt gehen sollte, nach Jodhpur in Indien. Im Land des Yogas und der Meditation versucht unser Autor verzweifelt, sich mal so richtig zu entspannen. Ein Reisebericht.


Jodhpur ist eine Kleinstadt, gemessen an indischen Maßstäben. Die Einheimischen sprechen von 2,8 Millionen Einwohnern, im eigentlichen Stadtgebiet sind es wohl gut eine Million. Im Verhältnis könnte man sagen, Jodhpur ist ein indisches Castrop-Rauxel. Jodhpur erschlägt dich: Mit Hitze und Lärm. Mit den schönsten Farben und den tollsten Gerüchen von Curry und Safran, Zimt und Kardamom. Mit einem Verkehrschaos, das wirkt, als würden sich alle gleichzeitig auf dich stürzen, auf zwei, drei und vier Rädern. Auf zwei, drei und vier Beinen auch.

Ich werde einfach versuchen, mich zu entspannen, denke ich. Trotz der Motorräder, die eine halbe Armlänge an meiner linken Schulter vorbeifahren. Ich versuche, das Hupen auszublenden, dieses ständige Hupen, das sich mit dem Knattern der Rikschamotoren und dem Gesang der Muezzin mischt. Ich muss an Meditation denken, von der ich wusste, dass sie in Indien sehr wichtig ist.

Es war mir nur nicht bewusst, dass sie als Selbstverteidigung betrieben wird, als Schutz gegen den ständigen Schall. Wenn Blaumachen bedeutet, den Tag langsamer zu machen, sollte man es nicht hier tun. Wenn es bedeutet, sich den Tag zu stehlen und die Zeit abzustellen, dann genau hier. Denn es brechen alle Sinne zusammen. Es ist von allem zu viel. Zu viel Gelb, zu viel Rot, viel zu viel Blau. Ich bin sechs Mal in einer Auto-Rikscha gefahren worden in Jodhpur, und zweimal haben wir jemanden erwischt, einmal ein Motorrad mit einem lauten metallischen Ping, einmal einen Fußgänger mit erzürntem Geschrei. Auch das ist immer zu viel: die Regeln, das Heilige, das Unreine, die Götter, die Symbole, die Gesänge.

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Mach einfach blau, haben sie mir gesagt, und ich sah mich herumsitzen und irgendwem zugucken, am liebsten dem Meer, wie es lange, sanfte Wellen schlägt. Aber Meer ist wirklich das Einzige, was es nicht gibt in der Wüstenstadt Jodhpur in Rajasthan. Ich habe es ausprobiert, das Blaumachen, an einem Vormittag auf der Dachterrasse eines jener Haveli, der ehemaligen Aristokratenhäuser, in denen heute Hotels sind. Einfach dasitzen und in den blauen Himmel starren. Auf den Nachbardächern saßen tiefenentspannte Affen und lausten einander. Einer hielt so lässig bei hochgerecktem Bein seinen Fuß fest, das alle Yogis neidisch werden mussten. Ich war neidisch.

Der Tag war vormittags schon alt. Ich war sehr früh unterwegs gewesen, um den Sonnenaufgang am Hügel zu erleben. Allein auf den Straßen, nur ein paar Hunde, der Staub und ich. Ich betrat einen Tempel, kaum größer als ein Bauwagen. Drinnen bereitete ein kleiner Mann mit bambusfeinen Gliedmaßen alles für den Tag vor. Er kniete auf dem Boden berührte der Reihe nach mit schnellen Bewegungen Bilder und Statuen des Gottes Rama, verbeugte sich vor ihnen oder berührte sie mit der Stirn. Würde er mir helfen können?

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Affen beim Yoga

Einfach mal losfahren, alles hinter sich lassen, nichts tun: Wir haben unseren Autor zum Blaumachen geschickt - nach Jodhpur, die Blaue Stadt Indiens.

Fotos: Mahesh Shantaram