"Mit Schönheit hat die Gesellschaft immer Probleme"

Wer die Schauspielerin Kate Winslet immer noch als das biedere Mädchen aus "Titanic" sieht, hat auch nicht mitbekommen, dass die Polkappen schmelzen. Die Frau kann mehr Glamour auf eine Zeitschriftenseite zaubern als ein ganzes Sonnendeck voller Supermodels - und sie weiß das. Ein Gespräch über Grenzen der Inszenierung und den Druck der Medien.

SZ-Magazin: Frau Winslet, Sie sorgen immer wieder für Diskussionen, weil Sie sich dagegen aussprechen, dass Fotos von Ihnen nachträglich am Computer bearbeitet werden. Wären Sie so nett und fassen noch mal zusammen, was genau eigentlich das Problem ist?
Kate Winslet:
In einfachen Worten – Schauspielerinnen sind nicht perfekt. Sie sind ganz normale Menschen. In Filmen versuche ich, genau das zu spielen, normale Frauen mit Falten, mit Rundungen. Also verstehe ich nicht, warum irgendwelche Grafiker in Zeitschriftenredaktionen nachträglich noch an Fotos von mir rumretuschieren müssen – das stellt doch letztlich meine Arbeit in Frage.

Es gab da diesen viel diskutierten Fall. …in England, genau. Da hatten sie bei einer Zeitschrift auf den Fotos meine Beine verlängert, mein Dekolleté verändert. Was soll das? Die Frage ist: Wo ziehen Sie die Grenze? Gerade haben Sie für ein amerikanisches Magazin Fotos gemacht, auf denen Sie aussehen wie Catherine Deneuve… Das war eine Rolle! Verstehen Sie? Ich habe sozusagen die Deneuve gespielt – nur eben nicht vor einer Filmkamera, sondern für einen Fotografen.

…und prompt gab es wieder Diskussionen: ob da nachträglich was bearbeitet wurde. Mein Hautton wurde korrigiert, ja. Aber nicht meine Figur. Ich würde sagen, das ist normale Fotobearbeitung.

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Jetzt haben wir hier Bilder, die der Fotograf James White von Ihnen gemacht hat, und die sind auch nicht gerade Schnappschüsse. Mal ehrlich: Sie sehen doch auf diesen Bildern nicht aus wie jede »normale Frau«. Natürlich nicht, das ist ja Inszenierung. Aber da versuchen Fotograf und Darsteller eben, gemeinsam das Beste rauszuholen. Und ich glaube fest daran, dass das genügen muss. Wozu dann noch am Computer eine andere Realität erschaffen?


Lassen Sie sich gern fotografieren? Na ja, ich laufe nicht singend und klatschend durch die Gegend, wenn ein Fototermin ansteht. Es gehört nun mal dazu. Das ist mein Job.

Fotomodel? Sie sind doch Schauspielerin. Ich bitte Sie, der Zusammenhang ist ganz simpel: Wenn ich einen Film gedreht habe, muss ich irgendwie zusehen, dass die Menschen das mitkriegen. Einerseits ist das Teil der Verträge mit den Filmstudios. Andererseits habe ich ja auch ein persönliches Interesse, Werbung zu machen. Gäbe es den Film nicht, würde ich nie im Leben solche Fotos machen.

Oder mit uns reden.
Der Witz ist: Ich halte meinen Kopf und meinen Körper für Bilder hin, die den Verkauf einer Zeitschrift ankurbeln, damit wiederum die Zeitschrift die Besucherzahlen des Films steigert. Ein komisches Geschäft. Aber so ist es nun mal.

Sie sehen das völlig pragmatisch. Klar! Muss ich. Sonst würde ich in diesem Job durchdrehen. Sehen Sie sich bitte die Fotos an, die Sie jetzt drucken – und dann überlegen Sie, wie ich aussehe, wenn ich mich morgens um sieben, verschlafen und unfrisiert, um meine zwei Kinder kümmere, die gerade aufgewacht sind und Hunger haben. Das sind zwei völlig unvereinbare Welten! Das Einzige, was einem hilft, da nicht schizophren zu werden, ist Pragmatismus.

Simone de Beauvoir hat mal geschrieben: »Frauen sind nur deshalb als Hexen verbrannt worden, weil sie schön waren.« Kann Schönheit auch Angst machen? Da ist was dran, ja. Mit der Inszenierung von starker Schönheit – oder starker Weiblichkeit – hat die Gesellschaft immer wieder ihre Probleme. Nehmen Sie Marilyn Monroe…

Die hat sich doch eher als schwaches Weibchen inszeniert. Nein, das war die Rolle, die man ihr zugeschrieben hat. Sie wurde von den Medien als hübsches Dummchen verkauft. Aber was sie – zumindest aus heutiger Sicht – so spannend macht, ist doch ihre Gebrochenheit! Diese Melancholie, der Schmerz. Eigentlich hat erst dieser Bruch sie schön gemacht. Aber damit sind die Medien ihrer Zeit nicht zurechtgekommen, die wollten lieber nur die Hochglanzseite.

Hätte sie es heute leichter? Nein. Sogar noch schwerer. Schließlich hatte sie – wie die meisten Frauen – keinen perfekten Körper. Sie hatte meistens ein paar Pfund zu viel. So etwas zeigt heute keine Zeitschrift. Die Medien erzeugen einen absurden Druck.

…unter anderem, indem sie Fotos drucken, auf denen Sie atemberaubend gut aussehen. Nein, das Problem ist ein ganz anderes. Passen Sie auf: Ich habe gestern im Flugzeug eine Frauen-Zeitschrift in die Hände bekommen – und von den sechs Themen, die auf der Titelseite angekündigt wurden, ging es bei vieren um irgendwelche Diätpläne! Das ist krank!

Kate Winslet ist ab 15. Januar nach 11 Jahren zum ersten Mal wieder gemeinsam mit Leonardo DiCaprio in einem Film zu sehen: dem ergreifenden Drama »Zeiten des Aufruhrs«.

Fotos: Reuters