Jetzt hat das Smartphone schon wieder jemanden auf dem Gewissen: die gute, alte Taschenlampe. Bald wird sie in Schubladen verstauben, neben Fotoapparat, Videokamera, Gameboy, MP3-Player und Armbanduhr, die kein Mensch mehr braucht, der ein modernes Handy hat. Für die schnelle Suche unterm Sofa reicht das Licht des Handybildschirms, für dunkle Dachböden gibt es die Taschenlampen-App. Das Smartphone ist zum Schweizer Taschenmesser der digitalen Welt geworden. Schon gibt es Telefone mit 3-D-Bildschirm und Kreditkartenlesegerät. Das alles muss man nicht mehr verstehen, aber man ahnt, dass bald noch mehr Menschen noch viel länger in das blaue Licht des Smartphone-Displays starren werden.
Nach dem Fernseher und dem Büro-PC ist ein neuer Bildschirm in unser Leben eingezogen: klein genug für die Hosentasche, groß genug, um ein ganzes Arbeitszimmer zu ersetzen. Der Apparat taugt sogar für echte Gefühle: Frisch gebackene Eltern benutzen ihr iPhone als Nachtlicht für einen letzten fürsorglichen Blick ins Kinderbett vorm Schlafengehen, Jugendliche weinen vor ihrem Samsung-LCD-Display, weil mit ihnen gerade per SMS Schluss gemacht wurde, sogar Babys zieht das blaue Licht schon in seinen Bann. Es soll Männer geben, die ihren BlackBerry auf die Toilette mitnehmen, als unverzichtbare Klolektüre, und kürzlich wurde eine Frau in Houston, Texas, aus dem Kino geworfen, weil sie nicht aufhörte, SMS zu schreiben, und ihr leuchtendes Handy die Zuschauer in der Reihe hinter ihr störte. Geht es uns mit dem Smartphone wie dem Nachtfalter mit der Straßenlaterne – gebannt vom unwiderstehlich anziehenden Licht? Wie die Sitznachbarin heute früh im Zugabteil, die regungslos in das kleine Handydisplay blickte – ein Finger lebendig, der Rest des Körpers degradiert zur Haltevorrichtung. Doch dann: Ein kurzer Piepton, das Empfangssignal einer Kurznachricht, und das Gesicht der Frau erwachte zum schönsten Lächeln. Den Liebesbrief hat das Smartphone auch ersetzt. Aber während früher das Gesicht der Frau in warme Rottöne gewechselt hätte, leuchtet es jetzt bläulich, angestrahlt vom Displaylicht.
Fotos: Ulrike Myrzik & Manfred Jarisch