Illustrationen: Emily Robertson; Fotos: Reinhard Hunger; Styling Volker Hobl
- 31. Mai 2013
- Aus Heft 22/2013
- Stil leben
Zimmer mit Aussicht
Der Balkon ist ein guter Kompromiss zwischen Fensterbank und Schrebergarten: Man muss nicht mal das Haus verlassen, um frisches Gemüse zu ernten.
Für Anfänger: Bloß keine Zeit damit verschwenden, Gemüse selbst aus Samen zu ziehen. Auf dem Wochenmarkt werden im Frühjahr gut vorgezogene Salate, Erdbeeren, Paprika, Chili usw. angeboten. Lassen Sie die Finger von Tomaten, die ständig gegossen, hochgebunden und ausgegeizt werden müssen. (Sie wissen nicht, was Ausgeizen ist? Eben.) Wer selten zu Hause ist, kann die Pflanzen auch in Grow Bags setzen - das sind bessere Blumenerdesäcke mit Dünger und Drainage. Sieht zwar hässlich aus, aber wenn Sie sowieso nie da sind…
Für Anspruchsvolle: Basilikum, Rosmarin und Thymian im Topf bekommt man heute in jedem Supermarkt. Viel spannender zum Anbauen (und erst recht Essen) sind Spezialsorten aus Kräuterversandhandlungen (z. B. kraeuterei.de) - allein vom Salbei gibt es mehrere Hundert Sorten. Im Herbst zurückschneiden und kopfüber zum Trocknen aufhängen oder klein gehackt einfrieren, auch in Form von Kräuterbutter, dann hat man Reserve für den Winter. Schnittlauch ab und zu ganz radikal abschneiden, damit er neu wachsen kann.
Für Angeber: Wer die richtigen Nerven und einen sonnigen, windgeschützten Südwestbalkon hat, kann sich an die Haute Culture der Balkongärtnerei machen: Zwergapfel- und Kumquatbäume, seltene Tomatensorten wie die sibirische »Malakhitovaya Shkatulka«, die zahnradförmige »Zackentomate« oder »Marianna’s Peace« (einst die teuerste Tomate der Welt), die allerdings Zuwendung wie quengelnde Kleinkinder brauchen. Toll: das Private Samenarchiv Gerhard Bohl in Schwanstetten, eine Tauschbörse für Samen-Aficionados.
Für Ästheten: Wer nicht auf Blumen auf dem Balkon verzichten will, aber trotzdem hungrig ist: Viele Blüten sind essbar. Die nussigen Gänseblümchen reißen jeden gemischten Salat raus, die pfeffrige und zudem schnell wachsende Kapuzinerkresse jedes Risotto - verblüffend gut auch im Kartoffelsalat. Für Süßspeisen eignen sich Kornblumen, Lavendel, Veilchen und Rosenblätter (die leckerste Rosensorte: Blanchefleur). Für Fortgeschrittene: Chrysanthemensorbet und Dahliensuppe. Schön und gut.