Am vergangenen Sonntag habe ich nichts gemacht. So gut wie gar nichts, nämlich fast nichts. Ich habe zum Beispiel – und damit fängt die Sache schon an – einen Beitrag über das Freizeitverhalten der Deutschen im Radio gehört. Grundaussage: Wenn die Bundesbürger mal nicht Arbeiten müssen, um sich selbst, Griechenland und den Rest der Welt zu retten, wenn sie also einfach mal Zeit für sich haben, dann Glotzen sie. So richtig klassisch mit Fernseher, Satellit oder Kabel und Fernbedienung, nicht etwa mit einem Streaming-Dienst, der tolle Serien einfach aus der Luft saugt. Und auch, wenn man sich fragen mag, was die Menschen da bitteschön anschauen: Für 97 Prozent der Deutschen ist das Fernsehen immer noch die Freizeitbeschäftigung Nummer Eins, wie in einer breit angelegten Studie herausgearbeitet wurde.
Viel interessanter fand ich jedoch, was die Bundesbürger heute gar nicht mehr gern in ihrer Freizeit tun. Nämlich: nichts. Also Faulenzen, Löcher in die Luft starren und sinnlos den Sauerstoff aus ihr wegatmen. Das hat mich dann doch ein bisschen erstaunt. Ich mache nämlich sehr gerne nichts. Dachte ich zumindest bis zum vergangenen Sonntagabend. An diesem Sonntag nämlich hatte ich, da war ich mir ganz sicher, sehr gewissenhaft gar nichts gemacht. Nada, rien, niente. Wenn man mich am Abend gefragt hätte, wie ich den Tag ohne Frau, Kind und Pflichten verbracht habe, hätte ich erst einmal lange grübeln müssen. Dann hätte ich das vielleicht so zusammengefasst: Ich habe gefaulenzt, Löcher in die Luft gestarrt und sinnlos den Sauerstoff aus ihr weggeatmet.
Und nebenbei, naja, natürlich auch ab und zu ein paar Löcher in den Bildschirm meines Smartphones gestarrt. Und ein bisschen habe ich auch durch die Programme gezappt. Also, genau genommen habe ich gezappt, während ich Löcher in mein Smartphone gestarrt oder telefoniert habe. Das kann man mit meinem Smartphone nämlich auch noch, was mich immer wieder aufs Neue überrascht. Und während ich mit Mutti telefonierte, habe ich – ich bin nicht stolz darauf – mit dem letzten Funken Rest-Aufmerksamkeit nebenbei noch einen Artikel aus der dicken Wochenendzeitung durchgescannt. Viel Arbeitsspeicher war für das Multitasking nicht mehr übrig, ich glaube, es ging um die Polen und Müller/Götze/Götze. Später habe ich – weil am späten Nachmittag noch immer ungewaschen und im Schlaf-T-Shirt – in der Badewanne Radio gehört. Auch dabei habe ich Löcher ins Smartphone gestarrt, sehr vorsichtig diesmal, damit nicht ein paar Hundert Euro einfach im Badeschaum abtauchen.
Als ich das Telefon endlich aus der Hand legte, bin ich selbst im Badeschaum abgetaucht. Habe für ein paar Momente die Luft angehalten und mich unter Wasser darüber gefreut, wie schön und erfolgreich ich den ganzen Tag gar nichts getan habe. Als ich wieder auftauchte, wurde im Radio gerade dieser Beitrag zum Freizeitverhalten der Deutschen anmoderiert: Fernsehen, Radio hören, von daheim aus telefonieren, im Internet surfen und Zeitung lesen, das seien die Top-Five der Freizeitaktivitäten der Deutschen, verkündete die Sprecherin.
»Moment mal!«, wollte ich rufen, schaffte das aber nicht, weil ich mir nun um halb fünf endlich die Zahnbürste in den Mund gesteckt hatte – „das habe ich ja heute alles abgehakt! Und zwar während ich gar nichts getan habe!“ Als die Sprecherin dann noch erzählte, dass kaum einer mehr nichts macht, 58 Prozent der Deutschen das aber gerne mal wieder tun würden, habe ich verstanden: Das Faulenzen ist gar nicht aus der Mode gekommen, viel schlimmer: Wir haben es verlernt.
Nichts tun, Löcher in die Luft starren und sinnlos den Sauerstoff aus ihr weg atmen – das zu schaffen, ohne auf das Smartphone zu gucken, dabei zu zappen, zu lesen und zu telefonieren, das ist in der Gleichzeitigkeitszeit von heute verdammt schwer geworden. Ich glaube, ich versuche es nächsten Samstag mal – dann habe ich noch einen Tag, mich von diesem Akt der Willenskraft zu erholen, bevor die Zeit des Nichtstuns aufs erste wieder vorbei ist.
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