Claesson Koivisto Rune: »Paper Pulp Chair« für Kleinkinder, 2009
»Papier ist im Waldland Schweden ein Big Business. Und ein Papierhersteller hatte zusammen mit einem angeschlossenen Forschungsinstitut ein fantastisches neues Material erfunden, das sie ›DuraPulp‹ nannten: einen haltbaren, festen Verbundstoff aus Holzfasern und Polylactid. Letzteres ist ein Kunststoff auf Basis von Maisstärke statt von Erdöl. Uns bat man, ein Produkt zu entwickeln, das sich vermarkten lässt. Geld war genug da. Wir kamen auf einen Stuhl für Kleinkinder, leicht, stapelbar, robust und extrem preiswert, sodass man ihn ruhigen Gewissens nach einem Einsatz von ein bis drei Jahren entsorgen konnte, wenn die Kinder zu groß für ihn werden. Der Stuhl war sogar kompostierbar. Wir präsentierten ihn 2009 mit großem Erfolg auf der Möbelmesse in Mailand. Jeder wollte sofort einen haben, wir waren voller Aufbruchstimmung. Bei der Suche nach einem geeigneten Hersteller braute sich jedoch ein regelrechter Sturm aus Problemen zusammen. Es ging um fehlende Erfahrungen in der Verarbeitung mit dem neuen Stoff, fehlende Langzeittests, kurz: Plötzlich fing das Zögern an, die Risikobereitschaft schwand, und das Projekt starb. Irgendwann hieß es, warum Mais anbauen für ÖkoPlastik, wenn man damit auch Menschen ernähren kann? Das war der letzte Sargnagel. Heute weiß ich: Es ist schwer, eine existierende Infrastruktur zu ändern. Eine Erfindung ist noch lange nicht alles. Es gibt entscheidende Parameter, die sich erst später zeigen. Für mich war das ernüchternd, ich bin ein Stück weit Realist geworden, was das Thema Nachhaltigkeit betrifft.«
Cecilie Manz: »Tøjtræ« (Kleiderbaum), 2000
»Als ich den Kleiderbaum entwarf, war ich eine junge, aufstrebende Designerin, die althergebrachte Muster aufbrechen wollte. Ich traf auf eine Möbelindustrie in Dänemark, die traditionsreich, aber auch etwas träge war. Eine schlechte Kombination. PP Møbler, Hersteller der berühmten Wegner Stühle, übernahm die Fertigung des Prototyps. Der Kleiderbaum sollte eine Garderobe für die Kleider des Tages sein, eine räumliche Struktur. Ich entwarf ihn wie eine hölzerne Skulptur, Strebe für Strebe, bis ich bei 22 unterschiedlichen Verbindungen angelangt war. Ein Albtraum für jeden Tischler. Die Leute der Verkaufsabteilung haben dieses komische Möbelstück nie ganz verstanden. Diverse Versuche wurden unternommen, den Kleiderbaum industriell zu produzieren. Aber niemand nahm ihn ernst genug, um in ihn zu investieren. Und wer weiß, vielleicht war die krumme Konstruktion auch zu schräg und kam einfach zur falschen Zeit. Ich liebe sie jedenfalls noch immer.«
Philippe Starck: Motorrad »MOTO 6.5« für Aprilia, 1994
»Seit ich denken kann, faszinieren mich Motorräder. Mit 14 bekam ich ein Mofa namens Vélosolex, danach fuhr ich eine Mobylette von Motobécane, schließlich richtige Motorräder, aber immer sehr einfache, leichte Maschinen. Als mich Aprilia Anfang der Neunzigerjahre beauftragte, ein Motorrad zu entwerfen, war ich sehr stolz und aufgeregt. Meine Vision: zwei Räder, ein Motor, ein Tank, ein Sitz – ein sogenanntes Naked Bike ohne Verkleidung. Leider war meine Maschine völlig gegen den Markttrend. Jedes Motorrad sollte damals geländetauglich und hochgezüchtet sein, die Rallye Paris–Dakar war das große Thema. Ich konnte damit nichts anfangen, da kannte ich mich nicht aus. Meine 6.5er wurde von den Aprilia-Marketingleuten kaum beworben. Sie floppte grandios, die Fachpresse und die Käufer lehnten sie ab. Man warf mir vor, ein Motorrad für Mädchen gemacht zu haben, nicht für Männer. Oder höchstens für schwule Männer. So reaktionär war die Szene damals. Heute gilt sie als Kultmaschine, für die Enthusiasten das Dreifache des Neupreises hinlegen. Ich besitze sechs 6.5er und fahre sie bis heute. Es gibt sogar »MOTO 6.5«-Motorrad-Clubs. Was ich daraus lernte? Manchmal macht man einfach das Richtige zur falschen Zeit. Mein Auftraggeber stand nicht hinter mir. Wenn du dann gegen den Trend entwirfst, fehlt dir der Rückenwind.«
Ron Arad: »Villa Marrakech«, 2009
»Ich erinnere mich gern an dieses Projekt, eine Villa am Stadtrand von Marrakesch mit wunderbarem Blick auf das Atlasgebirge, die mich ab 2007 zwei Jahre lang beschäftigte und aus persönlichen Gründen des Auftraggebers nie zu Ende gebaut wurde. Über die Gründe kann ich nur spekulieren, aber ich vermute, es hatte mit der Finanzkrise zu tun. Der Bau ist eine Konstruktion aus flachen Betonplatten und sollte letztendlich über 1000 Quadratmeter Wohnfläche verfügen, einen Gästebereich, einen Tennisplatz sowie diverse Innenhöfe, Atrien und Terrassen. Unsere Idee war, ausschließlich Handwerker vor Ort zu engagieren. Mit einer Ausnahme: Das Hightech-Glas sollte aus Deutschland kommen. Das Muster in den Fenstern sind Negativabdrücke der Risse, die wir vom ausgedörrten Boden des Grundstücks abgenommen haben. Es tut mir weh, die Bauruine heute zu sehen. Zum Glück haben wir ein paar Ideen daraus woanders untergebracht. Dank Computertechnik existiert das Haus aber digital, als Rendering, durch das man spazieren kann. Rem Koolhaas sagte einmal, eins von zehn Projekten wird realisiert, das trifft es ganz gut.«
Alfredo Häberli: Seifenkiste »Pelle«, 2005
»Volvo suchte nach neuen Ideen für Merchandising-Produkte. Ich schlug einen Baukasten für eine Seifenkiste vor. Angeregt wurde ich von einem Foto von Pelle Petterson in einer Seifenkiste, die sein Vater 1943 gebaut hatte. Pelle Petterson war der Konstrukteur des legendären Volvo P1800, auch Schneewittchensarg genannt, und so taufte ich das Projekt ›Pelle‹. Natürlich haben wir großen Wert auf Sicherheit und Montagefreundlichkeit gelegt. Der Baukasten war für 8- bis 16-Jährige gedacht, und wie die Testfahrten zeigten, waren nicht nur die Kinder davon begeistert. ›Pelle‹ passte in alle Volvo-Automodelle. Leider erwies sich das Projekt als viermal so teuer als geplant und kam nie in die Serienproduktion. Ich trauere immer noch um ›Pelle‹, denn unser Sohn war damals genau im richtigen Alter dafür.«
Marc Thorpe: »Lyons Tower«, 2018
»Über Freunde in Phoenix, Arizona, lernte ich Kent Lyons kennen, einen dort ansässigen Stadtentwickler. Mit ihm erarbeitete ich die Idee eines Towers als Erweiterung der Universität. Er sollte im Vorort Mesa stehen und war als Gemeinde-Center für die junge Studentenszene konzipiert, mit einem Park sowie Wohnungen, Künstlerateliers, Kinos und Cafés. Er sollte dem etwas verschlafenen Areal Leben einhauchen. Man darf nicht vergessen: In den Städten Amerikas regieren die großen Ketten wie McDonald’s, Walmart, Starbucks das urbane Erscheinungsbild, vor allem aber schlechter Geschmack. Wir arbeiteten zwei Jahre lang an unserem Konzept, zusammen mit den örtlichen Offiziellen. Die Stadt stellte uns ein Grundstück zur Verfügung. Als es dann an die Umsetzung ging, starb Kent Lyons bei einem Verkehrsunfall. Und mit ihm starb das Projekt. Manchmal ist es so: Man nimmt eine Person aus dem Spiel, und das Spiel ist aus. Unsere Vision für Mesa war definiert durch die Überzeugungskraft und Leidenschaft dieser einen Person. Er wollte nicht nur ein Objekt in die Stadtlandschaft setzen, sein Ansatz war systemisch, er wollte eine Stadt transformieren. Jetzt ist dort, wo der Tower hätte stehen sollen, ein Parkplatz.«
Ross Lovegrove Stuhl »Mulan«, 2018
»Ich habe diesen Stuhl vor zwei Jahren als Antwort auf einen Stuhl entworfen, der von Kartell mit dem Namen ›Piuma‹ produziert wurde. Der ›Piuma‹ wurde aus einem neuen Material hergestellt, das Karbonfasern mit Polymeren kombinierte, um zu einer leichteren Struktur zu gelangen. Leider war das Design des Stuhls banal, da es das Potenzial dieses neuen Materials nicht ausschöpfte. Für meinen ›Mulan‹ schien mir der Freischwinger ›Panton Chair‹, den mein Freund Verner Panton für Vitra entworfen hat, der relevantere Ansatz zu sein, um die Verschmelzung von Design, Technik und Materialentwicklung zu demonstrieren. Die Struktur des ›Mulan‹ ließ ich von einer Software berechnen, die Verstärkungen nur dort vorsah, wo die Belastungen am größten sein würden. So entstand in meinen Augen eine neue Designsprache, die eine Form komplexer Schönheit mit einer biotechnischen Logik vermittelt. Ich flog nach Mailand, um den Entwurf Claudio Luti vorzustellen, dem Inhaber von Kartell, aber er war gerade mit Jetlag aus Shanghai zurückgekehrt und konnte sich nicht wirklich auf meine Idee fokussieren. Meine höflichen Nachfragen später blieben ohne Reaktion. Ich fühlte mich wie ein Student, der sein Bestes gibt, dem aber niemand zuhört. In meinen Augen sagt das Erlebnis viel über eine Branche aus, die keinen Mut und keinen Ehrgeiz hat, das 21. Jahrhundert mit zeitgemäßem Design voranzutreiben.«
Matali Crasset: »Maison-serre«, 2019
»Das Haus war ursprünglich eine Designstudie, die ich 2019 für das französische Magazin Stratégies entworfen habe, um zu zeigen, wie man nachhaltig und naturgerecht bauen kann. Ich finde, wir haben uns von der Natur entfremdet, wir haben verlernt, Nutzpflanzen anzubauen und uns selbst zu versorgen. Mein Einfamilienhaus macht das möglich, auch wenn man keinen Garten besitzt: Die Holzkonstruktion besteht aus einem Gewächshaus im Erdgeschoss, einem Wohnraum im ersten und zweiten Stock sowie einer Photovoltaikanlage auf dem Dach. Es verfügt über Kompostiermöglichkeiten, Regenwassernutzung und eine nach Süden ausgerichtete Betonwand zur Wärmespeicherung. Die Reaktionen auf die Studie waren sehr positiv, doch leider meldete sich bislang noch kein Interessent, der es bauen will. Auch wenn es nur eine Studie ist, ließe es sich ohne Probleme realisieren. Bis es so weit ist, werde ich Elemente davon in andere Bauprojekte einfließen lassen.«
Stefan Sagmeister: »Darwin Chair«, 2010
»Der Stuhl besteht aus einer freischwingenden Kunststoff-Struktur, an die 200 Prints befestigt sind. Sobald das oberste Blatt abgesessen ist, reißt man es ab und verwandelt so die Erscheinung des ganzen Stuhls. Mit fortlaufendem Abreißen der Lagen bilden die Perforationsreste eine bequeme Kopfablage. Das Problem: Alle Versuche, den Stuhl zu einem vernünftigen Preis herzustellen, schlugen fehl. Ich wollte auch nie ein Designer eines Stuhls werden, der 20 000 Dollar kostet. Es gibt zwei Prototypen, einer befindet sich im Philadelphia Museum of Art, der andere in der Sammlung des Museum of the Image in Breda, Niederlande. So gesehen war es kein totaler Flop.«
Jean-Marie Massaud Konzertflügel für Pleyel, 2007
»2007 beauftragte mich Pleyel, ein französischer Traditionshersteller von Flügeln und Klavieren, mit einem Projekt. Der Firma, auf deren Klaviere unter anderem Chopin schwor, machte die Konkurrenz aus Asien zu schaffen. Mit einem neuen Produkt wollte Pleyel sich für die Zukunft wappnen. Ich schlug einen innovativen Konzertflügel vor, leichter transportierbar, eine auf- und abbaubare Alternative zur traditionellen Holzkonstruktion. Es war ein leichter und harmonisch geschwungener Flügel, der für den Hersteller neue Entwicklungschancen bot, ein Archetypus, der sowohl auf der Bühne als auch im Inneren eines Hauses elegant wirkt. Basis wäre eine Verbundwerkstoff-Technik aus dem Segelbootbau gewesen. Leider fehlte dem Unternehmen eine visionäre Investitionskultur. Es folgten zwei Jahre des Zögerns. Danach war das Projekt tot. Und Pleyel meldete Konkurs an.«