Die Maulwurfsstadt

In der Wüste von Australien liegt der bizarre Ort Coober Pedy. Unzählige Hügel, in denen Menschen wohnen – und Hunderte von Kilometer drum herum: nichts.

Ort Coober Pedy ist einer der lustigsten Orte der Welt, vielleicht sogar der allerkomischste von allen. Man muss ihn auf jeden Fall gesehen haben, um zu glauben, dass es ihn wirklich gibt: Vom Flugzeug nähert man sich einer Landschaft, die aussieht wie die mit Seepocken übersäte Haut eines Buckelwals. Aus der Nähe erkennt man mitten in der Wüste Südaustraliens Hunderte von Sandhaufen, ach was, Tausende! Neben jedem Sandhaufen ist ein Loch; in jedem Loch sitzt oder saß ein Mensch und buddelte sich dreißig, vierzig Meter in die Erde, in der Hoffnung, auf Opale zu stoßen.

Das ganze Erdreich ist durchtunnelt wie ein Hamsterheim. Unter der Erde liegt eines der größten Opalfelder der Welt. Jeder kann hier Opalsucher werden, und weil schon so viele hierher gekommen sind, ist ein kleiner Ort entstanden, »Coober Pedy«, abgeleitet von der Sprache der Aborigines, was so viel bedeutet wie »Weißer Mann im Loch«. In Coober Pedy wohnen etwa 2500 Menschen, es gibt ein paar Tankstellen, viele Pubs, Bars und Gästehäuser mit Namen wie »Digger’s Dream« oder »Opal Inn«, den Frisör »Mandy’s Hair Design« und einen Supermarkt, wobei für alles ziemlich viel Wellblech verbaut wurde. Die meisten Menschen in Coober Pedy aber wohnen gar nicht dort.

Wegen der extremen Wüstenhitze sind sie unter – genauer: in die Erde gezogen, in der sie ja eh die meiste Zeit ihres Lebens verbringen. Das funktioniert so: Man sucht sich einen freien Hügel, schneidet den vorderen Teil ab und bohrt sich dann mit Tunnelmaschinen waagrecht in den Hügel eine schöne Wohnung zurecht. Das sieht am Ende exakt so aus wie bei Fred Feuerstein zu Hause: Küchen, Wohnzimmer, Flatscreen-TV, Kuckucksuhren, Vorhänge – alles da, nur sind Wände, Decken, Böden aus rötlich schimmerndem Sandstein. Man muss diese Erdhäuser nicht heizen, nicht kühlen, sie haben immer eine angenehme Temperatur. Die Menschen leben hier genau so wie in anderen Kleinstädten dieser Welt, grillen abends auf ihrer Terrasse oder gehen sonntags zur Kirche (besonders schön: die serbisch-orthodoxe, ebenfalls unterirdisch).

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Ihre Erdhäuser sind sogar viel wert: Weil in der Gegend so ziemlich alles abgebaut werden kann, was die Erde hergibt (Gold, Uran), suchen viele Menschen ein komfortables Zuhause in der Wüste – denn Pendeln funktioniert in Coober Pedy nicht: Fährt man in die eine Richtung, dauert es 700 Kilometer, bis man die nächste Zivilisation, Alice Springs, findet, in der anderen Richtung sind es 540 Kilometer bis Port Augusta.

Umgebung Viele der Bewohner Coober Pedys zeigen ihre Erdhäuser gern her. Am besten, man macht eine der Touren mit, die von den Hotels angeboten werden und bei denen man Erdhäuser, Minen und Opalfelder besucht. Während aber das Städtchen Coober Pedy mit seinen vielen rostigen Minenmaschinen und Autowracks etwa so hübsch aussieht wie ein offener Knochenbruch, zeigt sich die Umgebung dafür umso prächtiger: eine Wüstenschönheit! Auf keinen Fall den Sonnenuntergang auf den Breakaways verpassen, einer Hügelkette nahe Coober Pedy. Und unbedingt das etwas außerhalb von Coober Pedy liegende Erdhaus von Crocodile Harry besuchen, jenem sagenumwobenen Krokodiljäger, der später Opalsucher wurde, angeblich das lebende Vorbild für Crocodile Dundee. Bis zu seinem Tod vor vier Jahren war er ein so großer Charmeur, dass bis heute Frauen aus der ganzen Welt zu seinem Erdhaus fahren und ihre BHs dort hinterlassen.

Gefahr Auf keinen Fall allein auf die Opalfelder gehen: Einsturzgefahr! Nur mit einem erfahrenen Minenarbeiter. Am besten mit Günther Wagner, 66, der schon seit 1969 hier lebt, heute Touristen führt und die lustigsten Geschichte über diesen Ort erzählen kann. Zum Beispiel, dass die längste Silvesterparty in Coober Pedy (hier werden viele Partys gefeiert!) bis zum 7. Januar dauerte. Beim »Desert Cave Hotel« anfragen.

Touristen Viele kommen mit dem Wohnmobil oder Auto, fahren 3000 Kilometer von Adelaide nach Darwin – etwa nach einem Viertel kommt Coober Pedy. Jeder Tourist kann in Coober Pedy selbst versuchen, einen Opal zu finden, unter Anleitung eines Opalsuchers. Viele sind schon für immer hier hängen geblieben, nachdem sie gleich am ersten Tag einen wertvollen Stein fanden. So wie Günther, der eigentlich nur zwei Tage bleiben wollte.

Beste Zeit
Zwischen April und Oktober, wenn die Tagestemperaturen nicht ganz so hoch sind. In der übrigen Zeit kann es schon mal bis zu 45 Grad haben. Regen fällt so gut wie nie.

Geschichte 1915 fand ein Junge zufällig den ersten Opal in dem Gebiet um Coober Pedy. Bald kamen Glückssucher aus der ganzen Welt, in den Sechziger- und Siebzigerjahren besonders Europäer, die einen Neuanfang in Australien suchten. Die Idee unterirdischer Häuser, »Dugouts« genannt, brachten ehemalige Soldaten mit, die im Ersten Weltkrieg gelernt hatten, Gräben und unterirdische Unterstände an der Front zu bauen. Heute leben in Coober Pedy Menschen aus 45 Ländern. Der Ort steht für Freiheit und Abenteuer. Viele Besucher sagen, dass der wahre Schatz Coober Pedys nicht unter der Erde liegt, sondern darüber: diese seltsame Gemeinschaft, Menschen aus vielen Nationen und ihre Träume.

Übernachten Das schönste Hotel ist das »Desert Cave Hotel«, das natürlich auch unterirdische Zimmer bietet. Darin schläft es sich wie in einem Schrank. Sehr gemütlich; www.desertcave.com.au, DZ etwa 160 Euro.

Essen Im Restaurant des »Desert Cave Hotel« kann man die »Outback Experience« bestellen, mit Känguru, Kamel, Emu. Am besten davon schmeckt Kamel.

Anreise Flug mit Thai Airways über Bangkok. TravelEssence stellt Australienreisen zusammen, etwa 10 Tage Südaustralien mit Coober Pedy ab 1950 Euro pro Person im DZ mit Mietwagen; travelessence.de; Tel. 09351/30 83 31; southaustralia.com/de

Unbedingt den Friedhof mit seinen berühmten Grabsteinen besuchen, zum Beispiel in Form eines Bierfasses (mit Inschrift »Have a drink on me«). Abends stoßen dort viele Bewohner Coober Pedys auf ihre alten Kumpels an.

Bloß nicht auf eine Redback-Spinne treten. Nach ihrem Biss muss man einige Tage sehr viel schlafen. Man trifft aber selten auf sie, höchstens mal in alten Minenschächten. Also nicht allein da hinunter!

Fotos: Florian Büttner