Blödes Gefühl

Der Mensch erschuf einen Roboter, der alle Vorteile eines Hundes besitzt, dabei aber keinen Dreck macht. Die Besitzer entwickelten echte Gefühle für ihn. Was das für die Zukunft bedeutet, erklärt unser Kolumnist. 

In der Frankfurter Allgemeinen las ich ein Gespräch mit Jürgen Schmidhuber, einem der führenden Fachleute für die Entwicklung Künstlicher Intelligenz. Schmidhuber sagte, schon in wenigen Jahren werde man eine Maschine mit den »mentalen Denk- und Abstraktionsfähigkeiten eines Kapuzineräffchens« bauen können. »Es wird ganz harmlos losgehen, vielleicht mit einem liebenswürdigen künstlichen Lebewesen mit Pelz, die Kinder werden entzückt sein.« Der gute alte Teddybär, ist das seine Zukunft?

Nun können zwar viele Menschen ohne Kapuzineräffchen leben, nicht jedoch ohne Hunde. Sie brauchen jemand, der sie zum Spazierengehen zwingt, abends ihr Gesicht mit feuchter Zunge von den Spuren des Tages befreit und bei Mahlzeiten unterm Tisch behaglich vor sich hinfurzt.
Andererseits hat der Hund spezifische Nachteile, er beißt ungefragt Postboten, bekommt unkontrollierbaren Durchfall und vergnügt sich, wenn ihm danach ist, an den Knien fremder Spaziergänger. Er ist eben ein Naturprodukt.

Diesbezüglich kam nun vor einiger Zeit der Firma Sony die Idee, einen Roboterhund zu entwickeln, der 1999 Marktreife erlangte und alle Vorteile klassischer Hunde (schiere Anwesenheit, Gehorsam, Vierbeinigkeit) besitzt, ja, dieses Wesen kann urinieren, ohne Wasser zu lassen: Es hebt ein Bein und lässt ein allerliebstes Pinkelgeräusch hören, verzichtet aber auf Pfützenbildung – eine Erfindung, zu der die Schöpfung in Milliarden von Jahren nicht fähig war! Ein solcher Hund frisst weder Chappi noch Pal, und fährt man in Urlaub, knipst man ihn aus wie eine Lampe.

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150 000 Roboterhunde wurden verkauft, aber 2006 stellte Firma die Produktion ein, obwohl es logischer gewesen wäre, nun, da man Kunsthunde erzeugen konnte, auf echte Doggen, Pinscher und Spitze zu verzichten.

Indes, man kennt das: strategische Überlegungen, Marktfokussierung, Portfolio-Bereinigung, blablabla … Keine neuen Robo-Hunde mehr. Aber es gibt noch die alten, an deren Vorhandensein sich ihre Besitzer so gewöhnt haben, dass Verzicht nicht infrage kommt. Firmen für Hundeinstandsetzung entstanden, bis 2014 reparierte auch Sony sein Produkt, doch niemand konnte verhindern, dass heute etlichen Robotertieren Ersatzteile fehlen.

Auf der Newsweek-Internetseite: ein Foto 19 toter Roboter. Menschen beklagen den Verlust, betrauern Maschinentod. Der Mensch verfügt also über das Genie, einen hundeförmigen Apparat zu erdenken, zu entwickeln, zu bauen, er ist aber wiederum auch blöd genug, Gefühle für dieses Gerät zu entwickeln. »Wir denken irgendwie, sie haben tatsächlich Seelen«, sagt Herr Nobuyuki Narimatsu, Chef einer Firma, die kaputten Kunsthunden wieder auf die Beine hilft. Der Mensch kann etwas konstruieren, das dem Leben ähnlich ist, ja, es ist tatsächlich so lebendig, dass es am Ende stirbt – und darunter leidet wieder der Mensch. Könnten wir nicht mal irgendwas erfinden, das nicht am Ende doch wieder ein Problem für uns ist?

Übrigens glaubt Jürgen Schmidhuber, der weitere Weg vom Kapuzineräffchen zur hoch intelligenten, lernenden, sich eigenständig entwickelnden und am Ende dem Menschen weit überlegenen Maschine werde nicht sehr lang sein. Wird diese Künstliche Intelligenz (KI), die das All kolonisieren könnte, uns bedrohen?

Nein, sagt Schmidhuber, »superkluge KIs werden sich vor allem für andere superkluge KIs interessieren. Wir Menschen sind doch auch viel klüger als Ameisen. Trotzdem haben wir kein Interesse, sie zu vernichten.« Der Unterschied ist: Die Ameisen haben nicht den Menschen erfunden. Nur der Mensch ist fähig, sein Dasein in ein Ameisenleben zu verwandeln, das zoologisch interessierte Superintelligenzen, unsere eigenen Geschöpfe, durch Superlupen fasziniert studieren werden: seltsame Humankrabbler, die um tote Maschinenhunde trauern, ihren Nachwuchs in geländegängigen Kinderwagen durch Cafés schieben, selbst gebackenen Kuchen essen und auf den nächsten Frühling hoffen.

Illustration: Dirk Schmidt