An diesem Freitag haben wir den »Tag des Butterbrotes«. Seltsamerweise erinnert das an Kurt Beck, dessen Niedergang als SPD-Vorsitzender Anfang Juli begann, als er Angela Merkel aufforderte, »auch dem Partner seine Erfolge zu gönnen und nicht ständig zu versuchen, ihm auch noch die letzte Butter vom Brot zu kratzen«. Könnte jemand, der sich beklagt, dass ihm die Butter, »die letzte Butter«, vom Brot genommen, ja, »gekratzt« werde, könnte jemand von solcher Weinerlichkeit das Land der Bemmen, Knifften, Stullen führen? Oder auch nur die SPD, Partei des kleinen Mannes, der, wie Franz Biberkopf in Döblins Berlin Alexanderplatz sagt, »vom Leben mehr verlangt als das Butterbrot«? Wie interessant, dass wieder Franz Müntefering das Amt übernehmen soll, von dem es heißt, er entnehme mittags seiner Tupperware ein Brot, während andere Olivenöl auf Ciabatta träufeln, Oskar Lafontaine vielleicht, der nie mit Butterbroten gesehen wurde.
In weltweiter Hinsicht fällt auf, dass der Typus des bewaffneten Politikers im Kommen ist. Erstens Putin. Kürzlich soll er einem Fernsehteam das Leben gerettet haben, indem er in Sibirien einen Tiger mit einem Betäubungsgewehr in Schlaf versetzte. Wobei die Neuigkeit weniger in Putins Treffsicherheit zu liegen scheint als darin, dass er Journalisten beschützte. Aber es waren Leute vom Fernsehen, nicht solche wie Anna Politkowskaja. Zweitens Palin. Man sieht die Dame an jeder Ecke mit Waffen hantieren, gleich bei ihrem ersten Auslandsaufenthalt letztes Jahr in Kuwait lichtete man sie mit einem Lasergewehr ab. Immerzu erzählt sie, wie gern sie Elche schießt. Jedenfalls scheint Frau Palin im Umgang mit Waffen sicherer zu sein als Vizepräsident Cheney, der vor Jahren einem 78 Jahre alten Jagdfreund 200 Schrotpartikel in den Leib pumpte, was der Gute nur mit Mühe überstand. David Letterman sah sich zu dem Scherz veranlasst, man habe endlich Massenvernichtungswaffen entdeckt: Dick Cheney.
Übrigens gehörte zu den größten Jägern im Amt des US-Präsidenten Theodore Roosevelt, der 1902 einmal Bären schießen wollte, aber keine fand. Schließlich entdeckte ein Helfer einen sehr kleinen Bären, band ihn an einen Baum und bot ihn dem Präsidenten zum Schuss an. Der verzichtete, eine Szene, die in einer berühmten Karikatur für die Washington Post festgehalten wurde und dazu führte, dass man den gerade erfundenen Plüschbären nach »Teddy« Roosevelt benannte. (Das war die gute Nachricht für den Bären. Die schlechte: Der Gouverneur von Louisiana, ein Herr Parker, tötete das Tier mit dem Messer.)
Der letzte schießende Politiker in Deutschland: Franz Josef Strauß. Er starb bei der Jagd, am kommenden Freitag ist das genau zwanzig Jahre her, und in Werner Biermanns Buch Strauß liest man, er habe als Verteidigungsminister auf der Hutablage seines Wagens immer eine Maschinenpistole liegen gehabt, unter einer Wolldecke. Im Falle eines Terrorangriffs habe er damit aus dem Heckfenster heraus feuern wollen. Wäre in Strauß’ Amtszeit als Ministerpräsident Bär Bruno durch Bayern gestreunt, hätte sich wohl der Chef selbst der Sache angenommen. Heute lässt man sich als Politiker vorsichtshalber lieber mit kleinen Eisbären fotografieren. Ist sicherer, in jeder Hinsicht.
Frau Palin rühmt sich, einen frisch geschossenen Elch zerlegen zu können. Eine solche Szene hat Henry David Tho-reau vor mehr als 150 Jahren beschrieben: »Joe fuhr jetzt fort, den Elch mit einem Messer zu zerlegen, während ich ihm zusah, und es war eine tragische Angelegenheit; diesen immer noch warmen und pochenden Körper zu sehen, den warmen Milchstrom aus dem zerschnittenen Euter zu sehen und den grässlich nackten roten Rumpf…«
Na ja, ist eine Sache, das zu tun, eine andere, damit Wählerstimmen zu jagen. Und es hat wohl auch seine guten Seiten, dort zu leben, wo Politiker nur mit dem Saufen prahlen oder anderen Politikern Butter vom Brot kratzen, um Wähler zu gewinnen.
Illustration: Dirk Schmidt