Neuerdings hört man viel von einer Helmpflicht für Radfahrer. Ich bin dagegen. Ich trage keinen Helm, wenn ich mit dem Radl in die Stadt fahre, ich finde das albern. Natürlich ist das unvernünftig, aber ich bin auch dagegen, immer vernünftig zu sein. Wenn man mir vorschriebe, beim Radfahren einen Helm zu tragen, würde ich zu Fuß in die Stadt gehen. Ich vermute nur, dass es dann nicht mehr lange dauerte, bis es auch eine Helmpflicht für Fußgänger gäbe. Denn alle Argumente, die für eine Radfahrer-Helmpflicht sprechen (dass nämlich die Zahl schwerer Kopfverletzungen bei Unfällen zurückginge), gelten auch für Fußgänger, zumal wenn sie von immer mehr durch Helme und Rechthaberei schwer gepanzerten Radfahrern umgeben sind.
Ich finde es nicht gut, wenn man den Menschen zu viele Vorschriften macht; sie verlernen dann, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Sie erwarten, dass man überall für sie sorgt. Beim Skifahren zum Beispiel habe ich vor Jahren nie einen Helm gehabt, heute trage ich ihn immer. Ich habe das selbst beschlossen. Soll doch die Helm-Industrie große Kampagnen machen, sollen sie Prominenten Geld dafür bezahlen, dass sie mit Helm durch die Gegend fahren, sollen sie die Leute überzeugen. Aber keine verdammten Vorschriften mehr, wir haben genug davon.
Hier nun die Geschichte von Larry Walters, der Lastwagenfahrer von Beruf war und vor knapp dreißig Jahren 45 mit Helium gefüllte Ballons an einem Gartenstuhl befestigte, einen Fallschirm, ein Luftgewehr, kaltes Bier, belegte Brote, ein Sprechfunkgerät und eine Kamera einpackte, sich auf den Stuhl setzte und die Leinen kappte. Er flog von San Pedro in Kalifornien aus Richtung Los Angeles, auf 4900 Meter Höhe. Nach einer Dreiviertelstunde nahm er sein Gewehr, zerschoss ein paar Ballons und verlor an Höhe. Leider fiel ihm dann versehentlich das Schießgerät hinunter, er blieb in einer Stromleitung hängen und verursachte einen kleinen Blackout in der Umgebung.
Am Boden wurde er verhaftet. Auf die Frage, warum er losgeflogen sei, sagte er: »Ein Mann kann nicht nur herumsitzen.« Großartig, oder? Die ganze Tat eine Feier der Unvernunft. Ich liebe es. Nächstes Jahr wollen zwei Männer zum Gedenken an Walters mit 300 Ballons an zwei Gartenstühlen von Bagdad aus 24 Stunden lang den Irak überfliegen und so Geld für irakische Kinder sammeln. Auch gut. Das mit dem Geldsammeln hat schon wieder so was Rationales, aber es ist okay. Bloß richtig irre ist es eben nicht mehr.
Übrigens ist es jetzt im November fünfzig Jahre her, dass sich zum ersten Mal ein Mensch mit reiner Muskelkraft in die Lüfte erhob. Derek Piggott war das, er saß auf einer Fahrrad-Flugzeug-Kombination und flog in knapp zwei Metern Höhe 64 Meter weit, auf dem kleinen britischen Flughafen Lasham in Hampshire. Inzwischen hat man mit solchen Geräten den Ärmelkanal überquert, und einer namens Kanellos Kanellopoulos (verachtet mir die Griechen nicht!) ist sogar von Kreta nach Santorin geradelflogen, 115 Kilometer weit. Das hatte Ikarus seinerzeit auch schon geschafft, aber danach packte ihn der Übermut, er flog zu hoch, den Warnungen Dädalus’, seines Vaters, zum Trotz. Das Wachs, mit dem die Flügel an seinem Körper befestigt waren, schmolz in der Sonnenhitze, und er stürzte ins Meer, nahe der später nach ihm benannten Insel Ikaria, wo Dädalus ihn beerdigte. Vielleicht sollte man eine Helmpflicht nur für Minderjährige doch in Erwägung ziehen?
Jedenfalls fällt einem bei dieser Geschichte auf, dass der Luftraum über unseren Städten noch zu wenig genutzt ist. Am Boden drängeln sich Fußgänger, Radler, Autos, aber oben ist niemand. Wie lange wird es noch dauern, bis man sich mit fliegenden Fahrrädern oder in Sesseln, die an Heliumballons hängen, von hier nach dort bewegt? Warum geschieht das nicht schon längst? Dann könnte es auch keine Diskussion über Helmpflichten mehr geben, dann müssten wir alle immerzu außer Haus Helme tragen, für den Fall, dass einem ein Mitbürgerauf den Kopf fällt.
Illustration: Dirk Schmidt