»Fällt dir eigentlich gar nichts an mir auf?«, fragt Paola.Da sind so Fragen. Sie kommen aus dem Nichts, aber an der Art, wie sie beantwortet werden, kann sich viel entscheiden. Kann sein, dass einer solchen Frage eine sehr große und ganz und gar grundsätzliche Beziehungsdebatte folgt, wie in Spielbergs Jurassic Park das dumpfe Wummern des Erdbodens und das Kräuseln der Wasseroberfläche im Glas das Nahen eines Sauriers ankündigen.»Hast du eine Gasmaske auf?«, frage ich. Es ist der blödeste und älteste Scherz, der mir einfällt, aber es ist ein Scherz. Wenn sie jetzt sagt »Hahaha!« oder »Was soll das Gewitzele?«, kann ich gleich einpacken. Wenn sie lächelnd antwortet »Nein, mein Lieber«, wird vielleicht noch alles gut.Sie sagt: »Nein, mein Lieber, Gewitzele wird dich nicht retten.«Ich mustere sie. Ihre meergrünen Augen. Ihre schwarzen Locken. Ihr maliziöses Lächeln. Typen wie ich brauchen ja ab und zu einen Peitschenhieb, um aus ihren Grübeleien und ihrer Selbstbeschäftigung geweckt und an die Existenz einer äußeren Welt und deren ganze Herrlichkeit erinnert zu werden. Was ist anders an ihr als gestern? Für einen Moment stell ich mir vor, sie trüge zum Beispiel solche Haftschalen, die Augenfarben verändern – und ich hätte es tagelang nicht bemerkt. Wäre das möglich? Könnte es passieren, dass ich so..?Nein, das ist es nicht. Beim Friseur war sie auch nicht. Und ihr Kleid kenne ich. Ist es was mit Schmuck? Die Kette und den Anhänger daran habe ich ihr selbst geschenkt. Die Schuhe, Mann, die Schuhe!Nein, auch nicht.Sie lächelt.»Es tut mir Leid«, sage ich.»Dir fällt also nichts an mir auf?«»Also…nein.«»Gar nichts?«»Ich…na, nun, nein, was ist es denn?«»Keine Veränderung?«Das gibt’s doch nicht, denke ich. Die Sache wird immer größer und größer…Vielleicht bin ich verrückt. Hatte sie wirklich dunkle Haare? Locken? Oder bin ich seit eh und je mit einer Blonden verheiratet und habe es vergessen?»Vergiss es!«, sagt sie. »Vielleicht fällt es dir irgendwann auf.«Ein guter Trick. Er wird meine Aufmerksamkeit für sie nun für Tage schärfen. Ich werde sie nicht mehr aus den Augen lassen. Die Sache interessiert mich nun.Nichts fällt mir in der folgenden Woche auf. Nichts Verändertes. Was hat sie nur gemeint?»Jetzt kannst du es mir doch sagen«, sage ich nach drei Wochen. »So kommen wir ja nicht weiter. Ich komme von selbst nicht drauf.«Sie zeigt mir ihre linke Hand. Den Ehering. Daneben den kleinen Brillantring, den ich ihr geschenkt habe, als ich ihr einen Heiratsantrag machte. Davor – was ist das davor? Ein kleiner Vorsteckring mit winzigen funkelnden Steinen.»Habe ich mir selbst gekauft«, sagt sie. »Hat mir so gut gefallen. Wollte ich schon immer mal haben.«»Ha – urrr…«, mache ich.»Mir könnte ein anderer Mann Schmuck schenken und du würdest es nicht merken«, sagt sie, wirft den Kopf zurück, lässt ihre Locken fliegen, lacht, ich sehe, was ich immer gesehen habe: die kleine Lachfalte über ihrem Mundwinkel, die Handbewegung, mit der sie ihre Mähne bändigt. Leise sage ich: »Ich würde es aber keinem raten, weißt du, keinem verdammten Typen würde ich raten, dir…«»Was sagst du?«»Das sag ich dir ein anderes Mal.«