Es war Nacht, ich saß in der Küche, trank noch ein Bier und versuchte, mich bei der Bahn-Auskunft und ihrem Sprach-Dialogsystem nach einer Verbindung von Prien nach München zu erkundigen, am nächs-ten Tag. Ich erinnere mich nicht mehr an jedes Wort, ich verbürge mich auch nicht für jeden Satz, aber so ähnlich, wie ich es hier wiedergebe, lief es.Das Sprach-Dialogsystem fragte mich, von welchem Bahnhof ich abzufahren gedächte.Ich sagte: »Prien.«Das Sprach-Dialogsystem sagte: »Möchten Sie von Wiek abfahren?«»Wie kommen Sie darauf? Wo ist Wiek?«, fragte ich. Ich kenne einen kleinen Ort namens Wiek, das ist auf Rügen, aber gibt es da einen Bahnhof?»Ich habe Sie leider nicht verstanden«, sagte das Sprach-Dialogsystem. »Bitte versuchen Sie es noch einmal. Von wo möchten Sie abfahren?«»Prien«, sagte ich.Das System sagte, ich solle entweder »Neueingabe« sagen oder einen der folgenden Bahnhofsnamen: »Düren, Viersen mit V, Wien in Österreich, Kirn an der Nahe.«»Wo denken Sie hin?«, sagte ich. »Prien!«»Möchten Sie von Wyk auf Föhr abfahren?«»Auf keinen Fall!«, sagte ich. »Das ist am anderen Ende Deutschlands. Ich möchte von Prien abfahren.«Wieder bedauerte das Sprach-Dialogsys-tem in vollendet höflichen Wendungen, mich nicht verstanden zu haben.Ich sagte »Neueingabe« und überlegte eine Weile, ob es irgendwo in Deutschland vielleicht einen Ort namens »Neu Eingabe« gäbe, so wie es ja auch Neumünster gibt oder Neu-Ulm. Dann trank ich einen Schluck von meinem sehr kalten Bier und machte ein Geräusch, das ungefähr klang wie »Hulp«.»Möchten Sie von Ulm abfahren?«, fragte das Sprach-Dialogsystem.»Hulp«, machte ich noch einmal.»Möchten Sie von Ulm Hauptbahnhof abfahren?«»Prien!«, schrie ich. Das Gespräch begann, mich an gewisse Telefonate mit meiner Frau zu erinnern. Manchmal ruft Paola mich von ihrem Handy aus an, und die Verbindung ist schlecht, sie versteht mich nicht und ruft: »Hallo, hörst du mich?«»Ja, ich höre dich.«»Hallo?»»Ja, ich bin hier, ich höre dich.«»Hallo? Hörst du mich denn nicht?«»Doch, ich höre dich gut! Hörst du mich denn nicht?«»Hallooooooo! Halloooooo!«Das ist immer der Punkt, an dem ich wütend werde. »Jetzt schrei mich doch nicht so an!«, schreie ich. »Was kann ich denn für die schlechte Verbindung, es ist doch nicht meine Schuld, dass die Verbindung so schlecht ist!«»Halloooo!«, schreit sie. »Halliiiihalloooo!«Sie schreit ja gar nicht mich an, sie schreit die Telefonverbindung an. Überhaupt schreit sie gern Dinge an, wenn sie nicht funktionieren, neulich hat sie unsere neue Freisprechanlage im Auto angeschrien, weil ich aus dem Lautsprecher nur ganz leise zu hören war. Sie nannte die Freisprechanlage ein »solches Scheißteil«, das »auf den Müll« gehöre. Hinterher stellte sich dann heraus, dass sie den Lautstärkeregler der Freisprechanlage (es ist derselbe wie vom Radio) nahezu auf null gedreht hatte, aber da war die Freisprechanlage schon angeschrien, wahrscheinlich ist sie jetzt beleidigt auf ewig.Doch eine Telefonverbindung anzuschreien, das ist schon etwas Besonderes, das hat etwas geradezu Metaphysisches, denn eine Telefonverbindung ist ja nicht einmal ein Ding, es ist etwas völlig Ungreifbares, eventuell Göttliches, das man vielleicht nicht anschreien sollte.»Halloooo!«, schreit sie den Äther an. »Halloooo!«Dann legt sie auf.Na ja, so ist das manchmal bei uns.»Prien«, sage ich. »Hauptbahnhof Prien am Chiemsee.«»Es tut mir Leid, ich habe Sie immer noch nicht verstanden«, sagt das Sprach-Dialogsystem. »Möglicherweise liegt es an der schlechten Verbindung.«Wieder die Verbindung. Die Verbindung ist immer schuld. Aber das Dialogsystem war doch sehr höflich. Ob es schon verheiratet ist?»Gib mir noch ein Bier!«, sage ich zu Bosch, meinem sehr alten Kühlschrank und Freund.»Ein Prien?», sagt der.