Das Beste aus meinem Leben

Notizen aus den Ferien (II): Neapel ist voll spektakulärer Sehenswürdigkeiten, von Pompeji über Herculaneum bis zu den wunderbaren Museen. Aber eine bedeutende Sehenswürdigkeit wird in Reiseführern oft vergessen, das sind die Taxifahrer. Sie sind sehr besonders und anders als Taxifahrer in vielen anderen europäischen Städten.Im Grunde ist das Einzige, was ein neapolitanisches Taxi mit Taxen anderswo gemeinsam hat, das Einsteigen. Man öffnet die Tür, setzt sich – dann wird alles anders. Während Fahrer anderswo sich klaglos das Fahrtziel nennen lassen und dorthin fahren, macht der neapolitanische Taxist erst mal Alternativ-Vorschläge. Wie es mit einer Fahrt nach Pompeji wäre? Kostet 80 Euro. Oder ein Trip die Amalfitana entlang, den ganzen Tag, er habe hervorragende Kenntnisse der Gegend? 200 Euro. Sie wollen doch nur zum Castel Nuovo? Schade.Einen Effekt aber hat das einleitende Gespräch immer. Man vergisst darauf zu achten, ob der Mann den Taxameter eingeschaltet hat. Der neapolitanische Taxifahrer hält den Taxameter für ein von feindlichen Mächten in seinem Auto platziertes, unheimliches und gefährliches Gerät – womit er vermutlich sogar Recht hat. Denn der Taxameter repräsentiert den Staat, und der Staat ist der Feind, jedenfalls für Neapolitaner.Man fährt also ohne Taxameter. Wenn man aussteigt, nennt der Fahrer einen von ihm persönlich geschätzten Preis, der natürlich viel höher ist als der, den der Taxameter angezeigt hätte. Das ist ja auch Sinn der Sache.Nun waren wir aber mehrere Tage in Neapel. Und fuhren zum Beispiel die Strecke vom Hotel zum Museo Archeologico mehrere Male. Beim ersten Mal kostete die Fahrt zehn Euro. Beim zweiten Mal hatten wir einen schweigsamen Taxifahrer, der zu meiner gro-ßen Überraschung seinen Taxameter laufen ließ. Der zeigte am Ende sieben Euro an, der Fahrer verlangte aber zwölf. Als ich ihn auf die Differenz hinwies, sagte er, er habe den Taxameter erst einige Zeit nach Beginn der Fahrt »aus Versehen mit dem Knie eingeschaltet«, wozu man wissen muss, dass das Knie des Mannes vom Taxameter ungefähr so weit entfernt war wie mein rechter Fuß vom Gaspedal; ich saß auf dem Beifahrersitz.Das dritte Mal: Nach den einführenden Fragen zur Fahrtzieländerung begann unser Mann diesmal ein ausführliches Telefonat mit seiner Geliebten, klagte, dass er das ganze Wochenende mit Frau und Kindern habe verbringen müssen, dass sie den Geburtstag des Sohnes vorbereitet hätten (»Was das kostet! Ich bin ausgeraubt!«), fragte, wann der Vater des Kindes seiner Freundin dieses Kind bei ihr abhole heute – und ob sie nicht zusammen eine kleine Autofahrt machen könnten ...Dann waren wir am Museum. Die ganze Zeit stand der Taxameter auf 2,60 Euro, daneben aber lief eine Digitaluhr. Wir waren 19 Minuten und 40 Sekunden lang gefahren.»Was bekommen Sie?«, fragte ich.»19 Euro 40«, sagte er, nach einem Blick auf die Digitaluhr und ohne mit der Wimper zu zucken.»Gestern hat es nur zehn Euro gekostet«, sagte Paola.»Heute war so viel Verkehr.«»Gestern war auch viel Verkehr. Außerdem haben Sie den Preis von der Uhr abgelesen. Wollen Sie uns auf den Arm nehmen?«»Okay, wie viel gebt ihr mir?«»Nichts«, sagte Paola.»Das ist zu wenig.«Ich gab ihm zehn Euro.»Warum?«, fragte Paola. »Er wollte uns betrügen?«»Alle wollen uns betrügen«, sagte ich und ging ins Archäologische Museum, um die Gegenwart zu vergessen.Am nächsten Tag fuhren wir mit einem Taxi vom Vomero, einem der Hügel der Stadt, ins Zentrum hinunter. Zehn Euro. Später noch einmal die gleiche Strecke wieder hinauf, zufällig mit demselben Fahrer. Zwölf Euro.»Warum kostet es hinauf mehr als hinunter?«, fragte ich.»Weil ich mehr Gas geben muss«, sagte er und lachte.Wie gesagt: Wenn Sie nach Neapel kommen, vergessen Sie die Taxifahrer nicht. Sie sind bemerkenswert.

Illustration: Dirk Schmidt