Vor einer Weile sah ich in einem Aquarium interessante Fische, die sich mit runden Mäulern an den Scheiben festgesaugt hatten, sodass man das Gefühl hatte, sie wollten einem dringend etwas sagen oder hätten eine Halskrankheit und hielten einen für den Fischarzt, der ihnen bitte schön ins Maul schauen solle.
Ich erfuhr, dass es sich um Siamesische Saugschmerlen handelte, die bei Aquarienbesitzern beliebt sind, weil sie sich von Algen ernähren, die an Scheiben wachsen. Sie halten das Glas sauber, ohne dass der Besitzer groß was tun müsste. In freier Wildbahn heften sich die Tiere, weil es in den meisten Flüssen kaum Fensterscheiben gibt, an Steine, raspeln dort die Algen ab und verhindern gleichzeitig, dass der Wasserstrom sie abtreibt.Ich dachte: Warum gibt es so nützliche Tiere nicht auch außerhalb des Wassers? Staubschmerlen, die sich von Schmutz ernähren, sodass man sie in der Wohnung halten könnte, wo sie sich über Fußböden, Regale, Bilderrahmen bewegten, mit offenen Mündern Staub saugend?
Dann las ich in der Zeitung, vor hundert Jahren, 1907 also, sei der Staubsauger erfunden worden, von James Murray Spangler. So einfach ist es nicht, dachte ich, denn in der Geschichte des Staubsaugers kenne ich mich aus, weil ich Christoph Glausers Buch Einfach blitzsauber gelesen habe, welches Die Geschichte des Staubsaugers behandelt.
Man kann bei der Lektüre dieses Werkes lernen, dass die Anfänge des Staubsaugers tiefer in der Geschichte liegen, im Jahr 1869 zum Beispiel, als ein heute vergessener Mann namens McGaffey in Chicago einen Apparat konstruierte, bei dem man eine an einem Stiel befestigte Rolle drehen musste, um über einen Riemen einen Propeller in Gang zu setzen, der wiederum den Staub aufsaugte und in einem Sack sammelte. Erst mehr als dreißig Jahre später erfand der Engländer Hubert Cecil Booth einen Motor betriebenen Staubsauger, das kam so: Booth sah bei der Vorführung einer Entstaubungsmaschine zu. Da befand sich über einem Blechkasten ein Druckluftsack, aus dem Luft auf den Boden gepustet wurde. Sie wirbelte Staub auf, der im Blechkasten aufgefangen wurde. Ob es nicht sinnvoller sei, den Staub abzusaugen, fragte Booth bei der Gelegenheit. Das gehe nicht, sagte der Entstaubungsmaschinenerfinder; viele hätten es versucht, alle seien gescheitert.
Nun kommt eine schöne Geschichte: Booth machte einen Selbstversuch, »indem ich«, wie er schrieb, »in einem Restaurant in der Victoria Street meinen Mund gegen die Rückseite eines Plüschsessels presste«. Er saugte. Und hustete. Spannte dann ein Taschentuch vor den Mund, arbeitete daheim an Teppichen weiter, hielt sich verschiedenste Gewebe vors Maul, bis er fand, dass ein dichtes weißes Taschentuch den meisten Staub festhielt. Mich erinnert das an Woody Allens Story über die Erfindung des Sandwichs durch den Earl of Sandwich, der, so Allen, erst durch viele Experimente zur Sandwichform fand. Zunächst legte er zwei Scheiben Brot aufeinander, darauf eine Scheibe kalte Pute. Dann platzierte er eine Scheibe Brot zwischen zwei Putenscheiben. Dann drei Scheiben Schinken übereinander. Schließlich präsentierte er drei Brotscheiben übereinander, bis er zur heutigen Sandwichform fand.
Booth jedenfalls ersetzte – das war 1901 – seine Lunge durch eine Saugpumpe, ein riesengroßes, Benzin getriebenes Aggregat, mit dem er in London herumfuhr, um Saugdienste anzubieten, bei denen vier Männer lange Schläuche in die Wohnungen trugen, während unten auf der Straße einer die Pumpe bediente. Man lud damals Leute zu einer Party ein, während die Männer arbeiteten.
Na, und dann war es 1907 James Murray Spangler, der den ersten tragbaren Elektrosauger konstruierte. Murray: ein asthmatischer, erfolgloser Erfinder, der sich in Canton, Ohio, als Hausmeister durchschlug. Das Staubkehren brachte ihn wegen einer Allergie fast um, also befestigte er einen Gebläsemotor auf einer Seifenkiste, benutzte einen Kopfkissenbezug als Staubsack – und saugte hustenfrei. Die Erfindung verkaufte er seinem Jugendfreund Hoover. Er selbst starb vier Jahre später mit 66 in der Nacht vor der Abreise in den ersten Urlaub seines Lebens.
Also: So ganz genau kann man nicht sagen, wer den Staubsauger erfunden hat. Wobei mir gerade einfällt, dass es in diesen Wochen zehn Jahre her ist, dass die Kolumne hier zum ersten Mal erschien. Wann genau, weiß ich nicht mehr, ich finde nichts mehr in meinem Büro, nicht mal alte Texte. Überall liegen diese wunderbaren Leserbriefe, die hier täglich hereinschwemmen – allein diese Woche haben drei Leserpaare geheiratet und um ein Grußwort gebeten. Irgendwo dazwischen muss der Kfz-Brief von meinem Auto liegen, das ich verkaufen will, bloß wie?, ohne Brief. Auch die Kolumnenanfänge verlieren sich also in der Geschichte, warum nicht, wer bin ich im Vergleich zu Großen wie den Erfindern des Staubsaugers? Eine Saugschmerle im Fluss der Zeit.
Illustration: Dirk Schmidt