Das Beste aus meinem Leben

Zu den eindrücklichsten Erinnerungen an meine Kindheit gehört: wie es war, wenn mein Vater krank war.
Ein großer Mann, der, wenn er zum Beispiel einen Hexenschuss bekam, plötzlich »Jaaargh!« rief und dann mehrere Tage lang lief, als habe man ihm einen Knoten in die Wirbelsäule gemacht.Ein großer Mann, der nur ein Auge hatte und eines Tages, als sich an diesem Auge die Netzhaut löste, nach der Operation für einige Zeit blind im Krankenhaus lag; nie werde ich den Moment vergessen, in dem er, nachdem ich sein Krankenzimmer betreten hatte, nach meiner Hand tastete, sie ergriff und hielt. So etwas hatte es nie vorher gegeben.

Ein großer Mann, der, wenn er erkältet war, sich über eine weiße Blechwanne beugte, ein Handtuch über den Kopf zog und Kamillendampf in sich hineinächzte. Dieser große Mann nieste bisweilen mit solcher Gewalt, dass drei Straßen weiter Dachziegel von den Häusern fielen und wir Kinder zu den Nachbarn geschickt wurden, mit der Bitte um Entschuldigung für die Gebäudeschäden, unser Vater würde für alles aufkommen, wir hätten extra eine Nies-Folgen-Versicherung abgeschlossen. Heute bin ich selbst Vater, und wenn ich krank bin…, also bitte, meine schlechte Laune dann ist legendär. Ich hasse es, wenn mein Körper Anordnungen nicht ohne Murren folgt, das wird ein Problem, wenn ich alt werde.

Nun ein Wort zu den vergangenen sechs Wochen. In denen nicht nur ich krank war, sondern alle, die gesamte Familie. Alles begann damit, dass Sophie sich erkältete. Als das vorbei war, bekam ich Husten. Als der noch anhielt, hustete auch Luis. Darauf folgte übergangslos eine Kehlkopfentzündung bei Paola; sie konnte nicht mehr sprechen und teilte sich über Zettel mit, auf denen Anweisungen standen. Den Kindern hauchte sie dies und jenes ins Ohr, wobei jeder weiß, dass es Situationen gibt, in denen Kinder auf ein Hauchen nicht reagieren, sie brauchen eine gewisse Lautstärke. Luis bekam dann Zettel mit Großbuchstaben, aber Sophie kann nicht lesen, tja…

Meistgelesen diese Woche:

Sie bekam übrigens, als alle einmal krank gewesen waren, erneut Husten, sogar eine Bronchitis, mit Fieber. Noch vierzehn Tage dauerte es, bis das weg war.
Keine schöne Zeit. Stellen Sie sich einen herrlichen Frühlingstag vor, an dem eine vierköpfige Familie hustend, hauchend, inhalierend und Zettel mit Großbuchstaben hin und her schiebend durch eine abgedunkelte Wohnung schlurft. An solchen Tagen lag unser ganzer Stadtteil unter einer Wolke von miserabelster Energie, die durch Fenster und Türen unserer Zimmer ins Freie quoll.

Ich schwankte zwischen der Vorstellung, all diese Krankheiten müssten aus Sophies Kindergarten zu uns gekommen sein, und einer anderen Idee: Hatte nicht das Elend begonnen, nachdem wir mit Sophie im Zoo gewesen waren? Dort hatte meine Tochter einen Elefanten füttern dürfen, der ihr mit dem Rüssel eine Karotte aus der Hand nahm. Hatte der Elefant sie angesteckt? Mit virengetränktem Elefantensabber?

»Elefanten können keine Menschen anstecken«, sagte Paola.»Warum?«, sagte ich. »Wenn es Vogelgrippe gibt, dann auch Elefantenhusten.«
»Ich habe noch nie einen Elefanten husten sehen.«

»Was heißt das schon?«, sagte ich und erzählte den süßen kleinen Witz vom Elefanten, der Husten hat und deshalb vom Tierarzt ein paar Eimer Tee mit Rum bekommt. Am nächsten Tag fragt der Zoodirektor den Arzt, ob der Elefant wieder gesund sei. Nein, sagt der Arzt, der schlafe seinen Rausch aus. Aber jetzt stünden alle anderen Elefanten im Gehege und husteten laut.

Dann machte ich mit Sophie einen ersten kleinen Erholungsspaziergang. Es regnete, und sie nahm ihren kleinen pilzförmigen Kinderregenschirm mit, unter dem man vom ganzen Kind eigentlich nur noch die Gummistiefel sah. Das sieht dann aus wie ein Regenschirm auf Beinen. Verwundert sahen uns die Leute nach, wie wir da gingen: ein blasser, müder, übel gelaunter Riese und ein kleiner laufender Regenschirm mit Elefantenhusten.

Illustration: Dirk Schmidt