»An dem Tisch im Esszimmer haben schon Habermas, Adorno und Marcuse gegessen«

So wohnt Berlin: zu Hause bei Angelika Taschen.

SZ-Magazin: In Los Angeles haben Sie im »Chemosphere«-Haus gelebt, das John Lautner in den Sechzigerjahren gebaut hat. Warum jetzt ausgerechnet eine klassische Altbauwohnung?
Angelika Taschen: Weil sie zu Berlin passt! Ich wollte in den Ostteil, ich wollte Flügeltüren, Parkett, Stuck. Aber ich habe natürlich modernisiert. In Küche und Schlafzimmer sind keine Dielen, sondern ein grauer, glänzender Gießharzboden. Im Flur hängen als Kontrast zu den verzierten Decken Neonröhren. Und das Stadtszenario vor meinen Fenstern erinnert mich an ein Bild von Ernst Ludwig Kirchner.

Gibt es einen Lieblingsort?
Ich mag jedes Zimmer und benutze alle. Obwohl die Wohnung 230 Quadratmeter groß ist, fühle ich mich nie verloren. Für das Einrichten des Wohnzimmers habe ich allerdings Jahre gebraucht.

Welches Bücherregal?

Das schönste ist und bleibt das Regalsystem von Dieter Rams. Ich bin ein optischer Mensch und habe meine Bücher nicht alphabetisch, sondern farblich sortiert.

Sie haben erstaunlich viele Lampen im Haus.
Ich kaufe sie nicht, wenn ich eine brauche, sondern wenn mir eine gefällt. Im düsteren Berlin sind Lichtquellen wichtiger als in anderen Städten. Der Kronleuchter über dem Esstisch ist von der Künstlerin Pae White und beschreibt ganz gut meinen Stil: spielerisch und doch reduziert.

Ein Möbelstück mit Geschichte, auf das Sie stolz sind?

An dem grauen Tisch in meinem Esszimmer haben schon Adorno, Marcuse und Habermas gesessen. Und ich bilde mir ein, dass man ihre Energie noch spürt. Ich habe ihn ersteigert, entworfen hat ihn Ferdinand Kramer in den Sechzigerjahren für die philosophische Fakultät Frankfurt.  

Worauf können Sie verzichten?

Auf Nachttische. Da improvisiere ich lieber und benutze Aluminiumboxen. Mein Fernseher steht auf einem Pappkarton. Familienfotos stelle ich mir ins Regal, aber Dekoration wie Kerzenständer oder Vasen hole ich nur aus dem Schrank, wenn ich sie brauche.

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Angelika Taschen, geboren 1959, ist Tänzerin, Kunsthistorikerin und war zwanzig Jahre lang Cheflektorin und Verlegerin des Taschen-Verlags. Seit der Trennung von Benedikt Taschen lebt sie in Berlin in einem prachtvollen Altbau am Prenzlauer Berg. 2011 gründete sie Angelika Publishers, einen Kunstbuchverlag.

Fotos: Todd Selby