Das Wohnzimmer ist die Familie Buddenbrook unter den Wohnräumen. Beim Aufstieg vor 200 Jahren war es die Kleinversion des Großbürgersalons. Polstergarnitur, Vitrine, Meißner Porzellan. Dann kam das erste Grammophon hinzu, und erdrutschartig ging’s bergab. Ausgelöst von und gepflastert mit weiterer Unterhaltungselektronik: Volksempfänger, Fernsehtruhe, Stereoanlage, Farbfernseher, VHS-Rekorder, Sky, HD, 3-D. Versteckten Bildschirme sich vormals in Truhen, verstecken Schrankwände sich jetzt hinter gigantischen Bildschirmen. Überall laufen Kabel. Dazu herumliegende Tablets, Handys, E-Reader. Die haben Ladekabel. Und Docking-Stationen. Schon versicherungsrechtlich ist fraglich, ob man Gäste in so ein jetzt »Medienzimmer« genanntes Wohnzimmer überhaupt noch lassen soll. Was, wenn einer stolpert?
Ästhetische Schadensbegrenzung bietet eine neue Produktklasse: Mehrfachsteckdosengehäuse, Kabelsammler aus Eichenholz, neonfarbene Stoffkabel. Aber jeder weiß: Das Meißner Porzellan von heute ist nicht Cable Management, sondern Kabellosigkeit. Weshalb die großen Fragen nun lauten: Wohin mit den Funkmodulen, dem WLAN-Router und den Bluetooth-Boxen? Wohnzimmer heute: eine Baustelle.
Produktauswahl: Simona Heuberger und Nadja Tadjali; Fotos: Quentin de Briey, Inter IKEA Systems B.V.