Die wahre Klasse eines Schlafzimmers bemisst sich daran, wie oft darin die Zeit stehen bleibt. In meinem passiert das fast jeden Morgen. Ich komme aus der Dusche, setze mich auf die Bettkante, schaffe es noch, die linke Socke anzuziehen – und dann bleibt der Tag, der um mich herum Fahrt aufnimmt, in meinem Kopf kurz hängen. Ich sitze da, regungslos und selbstvergessen, starre ins Nichts, und gleichzeitig habe ich einen Moment geistiger Klarheit, ehrlicherweise oft den einzigen am Tag. Der Verstand ist noch nicht ganz hochgefahren, aber die Maschinen laufen schon. Alle Türen weit offen. Praktisch alle wichtigen Entscheidungen meines Lebens sind in diesen Augenblicken gefallen; die paar guten Ideen, die ich hatte, hatte ich dann. Wahrscheinlich lässt sich der Zustand hirnchemisch leicht begründen, es ist vielleicht niedriger Blutdruck und Unterzucker, egal. Es ist trotzdem etwas Großes, edle Einfalt in Unterhosen, mit einer Socke in der Hand. Und natürlich ist es auch ein Akt der Rebellion: Mein Kopf ist nicht etwa dann am besten, wenn er dafür bezahlt wird, sondern in einem unkontrollierbaren Moment, in dem eigentlich jede Minute zählt, um – ausgerechnet – pünktlich zur Arbeit zu kommen. Wo ich dann aber mit Sicherheit nicht mehr besser sein werde als auf der Bettkante. So gesehen wäre es für alle besser, wenn ich mal länger dort sitzen bliebe.
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Die Welt ist klein: Globus »Chelsea« aus weißem Kunststoff. maisonsdumonde.com
Sanft im Ton: Sessel »Plumy« von Annie Hiéronimus. ligne-roset.de
Fotos: Karel Balas/Milk/VegaMG, Michele Branca, Piero Fasanotto/Cube Photo Production