Nicht mehr lange und er ist raus hier. Dann wird er nicht mehr Woche für Woche an derselben Sitzecke vorbeilaufen, mit dem Berber, mit der Topfpflanze, genannt »Hilde«, und diesem wundersamen Kunstwerk an der Wand, eine Mischung aus Telefon und Spielautomaten. Er, René Obermann, Chef der Deutschen Telekom, tut etwas, das selten ist in diesem Land: Aus freiem Willen, weit vor dem Pensionsalter und dem Ende seines Vertrages gibt er die Macht aus der Hand. Er wechselt zu einer kleineren Firma. »Ich möchte wieder näher ran an den Maschinenraum«, sagt er, also dahin, wo seine Arbeit wieder Arbeit ist und nicht mehr Regentschaft, irgendwo da oben, in einer der Etagen der Macht, verschanzt, behütet und bewacht.
Sie sind eine eigene Welt, diese Etagen, ob nun in der Bank, im Ministerium oder Konzern, betritt man sie, so haben sie alle zwei Dinge gemein: eine kühle, distanzierte Stille, die einen gleich die Stimme senken lässt. Und diesen ritualisierten Satz: »Bitte nehmen Sie doch einen Augenblick Platz.« Ja, bevor die Macht bitten lässt, lässt sie warten. Nun sitzen da also die Menschen, in einer seltsam unwirklichen Zwischenzone, an den Wänden Kunst, auf den Tischen Bücher, unterm Hintern dicke Polster. Allein: Niemand nimmt sie wirklich wahr. Wer zum Vorstandschef will, zum Außenminister, Bankpräsidenten, Generalbundesanwalt oder gar zu Günther Jauch, der hat etwas anderes im Sinn. Er will Eindruck schinden, Politik machen, Millionen verdienen.
Und nach Sitzen ist ihm bald schon gar nicht mehr zumute. Nach wenigen Minuten beginnen die Besucher oft, umherzuwandeln, sie schauen aus dem Fenster, gehen im Kopf noch mal Strategie und Anliegen durch oder pulen sich heimlich die Zahnlücken, dass darin auch keine Petersilie hängt. Und so sind sie verschwendet, all die Gemälde, Bücher und die windelweichen Ledersessel – und die Vorzimmer der Macht Orte, die den geringsten Eindruck hinterlassen. Meistens zumindest. Die Commerzbank hat in ihrem eine Bronzestatue platziert, ein Mann, er sitzt mitten auf der Sitzgruppe, dem Fenster zugewandt und liest. Der Macht kehrt er sprichwörtlich den Rücken zu. Erinnert irgendwie an René Obermann.
Fotos: Noshe