Tartine-Brot
Kille Enna, Köchin und Kochbuchautorin
Vor vielen Jahren, genauer gesagt 1995, habe ich mal in einem kalifornischen Örtchen namens Point Reyes Station als Köchin gearbeitet. Eines Tages lernte ich dort den
Bäcker Chad Robertson in seiner gerade eröffneten Bäckerei Bay Vil-lage Bread kennen. Schon damals waren Chad und sein Brot etwas ganz Besonderes. In den kommenden 17 Jahren unserer Freundschaft konnte ich dann hautnah miter-
leben, wie er beständig an der Verbesserung seines Brots arbeitete. Chad Robertson hat wie kein an-derer die gängige Auffassung davon verändert, was man unter einem Handwerksbrot versteht. Er hat alte Backtraditionen wiederentdeckt und dadurch ein außer-ordentliches Brot geschaffen, das komplett ohne Hefe auskommt und Kultstatus erreicht hat. Inzwischen ist Chad einer der einflussreichsten Bäcker der Welt.
Brot, das ist Chads Leidenschaft. Und die Zutaten Mehl, Wasser und Salz sind so etwas wie sein Lebensprojekt geworden, das ihn mehr als alles andere in Beschlag nimmt. Chad und sein Brot schaffen den Spagat zwischen Schlichtheit und Luxus und sie inspirieren jeden – sei es Profi oder Amateur –, bessere Brote zu backen.
Chads Brot ist rustikal und doch elegant und hat diese bemerkenswerte dünne, fast glasartige Kruste. Sie karamellisiert beim Backen, wird dabei herrlich dunkelbraun und bereichert das Geschmacks-erlebnis noch um feine Karamellnuancen. Die saftige, elastische Krume mit ihren schönen Luftlöchern hat einen feinen, milden Sauerteiggeschmack und duftet verführerisch süß und frisch.
Das Backen mit Sauerteig ist zugleich einfach und komplex. Doch trotz aller Komplexität ist Chad davon überzeugt, dass jeder ein Brot backen kann, das seinem in puncto Aussehen, Geschmack und Haltbarkeit nahekommt. Eine schöne Abwechslung zu den modernen Sauerteigbroten, die meist Charakter und Geschmack vermissen lassen. 2010 hat Chad in den USA das Buch Tartine Bread herausgebracht.
Tartine Bakery & Café
600 Guerrero Street
San Francisco
www.tartinebakery.com
Baguette
Christian Jürgens, Koch
Als ich 1988 im »Tantris« in München anfing, belieferte uns der Bäcker Klaus Landvogt immer so gegen zehn Uhr früh. Sofort füllte sich der ganze Raum mit diesem unheimlich tollen Geruch von frischem, warmem Baguette. Wenn man unbeobachtet ein Stück von der warmen Brotstange herunterreißt, mit Butter bestreicht und isst – diesen Geschmack vergisst man nie mehr im Leben. Das Brot wird nach Klaus Landvogts Geheimrezept gebacken und ruht einen ganzen Tag lang, so wird es außen richtig schön knusprig und innen sehr luftig und weich. Landvogts Nachfolger in seiner Münchner Bäckerei, Martin Kuhn, bäckt sein Baguette nach dem gleichen Rezept.
Bäckerei Kuhn
Verdistraße 140
81247 München
Finnenbrot
Anna Schwarzmann, Köchin
Das Finnenbrot der Bäckerei Wimmer ist mir das liebste Brot, vor allem weil es besser ist, je älter es wird. Die Bäckerei versauert ihren Teig sogar noch selber, dadurch ist es innen immer sehr saftig. Ich kann es morgens und abends essen, und am besten schmeckt es mit dem selbst geschleuderten Honig von meinem Papa.
Bäckerei Max Wimmer
Bahnhofstraße 7
82216 Maisach
Sauerteigbrot
Tim Raue, Koch
Ich kann mich noch erinnern, dass ich so etwa fünf Jahre alt war, als ich dieses Brot zum ersten Mal aß. Es war Tradition bei uns, dass ich samstags vor dem Fußball immer Bratwürste mit Pommes bekam, aber mein Opa hatte vergessen einzukaufen. Das war das erste Mal, dass meine Großmutter mir eine Stulle mit Schweinskopfsülze, Remoulade und Radieschen schmierte. Grundlage war ein saftiges Berliner Graubrot, das sie immer im KaDeWe kauft. Sie bäckt das Brot daheim noch mal nach, damit die Kruste so richtig rösch wird. Normalerweise esse ich gar kein Brot, auch in meinem Restaurant gibt es keins, aber immer wenn ich bei meiner Großmutter bin und sie mir so liebevoll eine Stulle schmiert, kann ich die nicht ablehnen.
KaDeWe
Tauentzienstraße 21–24
10789 Berlin
»Noma«-Brot
Schwarzbrot
Eckart Witzigmann, Koch
Ich habe von klein auf den Duft frischen Brotes inhaliert und das Handwerk des Backens von der Pike auf mitbekommen. Mein Großvater, Onkel und Cousin sind Bäcker und haben mich gelehrt, großen Respekt vor Brot zu haben, der Brotlaib durfte deshalb nie mit der Unterseite nach oben liegen, das würde man mit einer Pizza ja auch nicht machen. Meine Kindheit verbinde ich stark mit dem knusprigen Schweizer Laiberl, einer einfachen Semmel. Aber natürlich kommt es immer darauf an, wozu und womit ich das Brot esse. In Frankreich gibt es nichts Besseres als ein knuspriges Baguette oder ein Flûte. Das beste Brot in München gibt es bei der Liesl am Viktualienmarkt. Ihr Schwarzbrot hat eine doppelt gebackene Kruste und ist ganz saftig. Das liebste Stück von einem Laib ist mir – wie man in Bayern sagt – das Scherzl, der Anschnitt eines Brotes.
Bäcker-Liesl
Elisabeth Forstner
Viktualienmarkt 1
80331 München
Pagnotta-Brot
Anna Sgroi, Köchin
Das beste Brot ist für mich das Pagnotta-Brot. Es ist so knusprig, denn eigentlich besteht es fast nur aus Kruste. Man macht es hauptsächlich aus Hartweizen. Auf Sizilien wurde in Zeiten meiner Kindheit das Pagnotta morgens ofenwarm nach Hause geliefert. Ich erinnere mich noch, wie ich oft sehnsüchtig darauf gewartet habe. Pagnotta gibt es in ganz Süditalien. Wie in meiner Kindheit würde ich auch heute dieses Brot am liebsten zum Frühstück nur mit Sardellenfilets und Olivenöl essen.
Feinkost Farnetani
Peter-Anders-Straße 9
81245 München
Pane Maggiore
Vincent Klink, Koch
Mein Dauerlutscher ist das Pane Maggiore, das selbst, wenn es nahezu hart ist, also über zehn Tage in meinem Brotkasten war, fast besser schmeckt als ganz frisch. Das Brot bekommen wir zweimal wöchentlich zugeschickt, hier in Stuttgart gibt es so etwas Gutes nicht. Das Brot wird nach altüberliefertem Tessiner Rezept aus original Schweizer Ruchmehl zubereitet. Das ist ein Weizenmehl, das mehr Eiweiß, Mineralstoffe und Vitamine aus der Randschicht des Korns enthält. Das Brot ist innen sehr saftig und hat diesen deftigen, unverwechselbaren Geschmack. Weil mir das Brot so schmeckt, darf der Bäcker auch mit mir werben, kriegt er gratis. Dieses Brot zum Frühstück und dann dick bretonische Rohmilchbutter und Meersalz drauf. Basta.
Bäckerei Schmid
Raiffeisenstraße 1
72810 Gomaringen
»Noma«-Brot
Hans Gerlach, Koch
Mit ein paar Freunden wollten wir uns im derzeit hippsten Restaurant der Welt, dem »Noma« in Kopenhagen, verabreden. Mit viel Glück bekamen wir den einzig freien Tisch an einem Dienstag und Flüge. Zu Beginn servierten die Köche des Chefkochs René Redzepi im Sekundentakt unglaubliche Dinge, schneller, als wir Aromen, Düfte und Konsis-tenzen überhaupt richtig wahrnehmen konnten. Vermutlich wollten sie unsere Sinne durcheinanderwirbeln, unser Bewusstsein erweitern, damit wir das eigentliche Menü dann wach genießen können. Zwischen Wirbel und Menü kam ein Brot: Es sah normal, rund, nicht groß aus. Die dünne Kruste knisterte, die Krume duftete, war locker und sehr saftig. Dieses Brot schmeckte wirklich wunderbar. Die japanische Köchin, die das Brot brachte, erklärte stolz das Geheimnis der Zubereitung: viel Wasser. Genauer steht es übrigens im »Noma«-Kochbuch. Doch hier und heute würde das Brot nicht so schmecken wie an diesem Abend als Ruhepunkt der »Noma«Performance.
Noma
Strandgade 93
1401 Kopenhagen
Tel. 0045/32 96/32 97
Fotos: Chad Robertson, Janice Leung, Verena Kathrein; Protokolle: Réka Maria Probst
Illustrationen: Bella Foster